In der südlich an den Limes grenzenden Lindschieder, Heimbacher und Adolfsecker Gemarkung hatte der Mainzer Erzbischof im 11. Jahrhundert Hoheitsrechte und die Grundherrschaft, mit der im 12. Jahrhundert die Grafen von Rieneck belehnt wurden. Nach deren Aussterben in der Mitte des 16. Jahrhundert wurden die Breder von Hohenstein bis Anfang des 17. Jahrhunderts mit Lindschied und Heimbach samt Gericht und Zubehör belehnt, gefolgt von dem Königsteiner Oberamtmann Gernand von Schwalbach und um 1650 Ritter von Grünstein.
Der Ortsname, um 1250 Lindenscheid, weist sowohl auf die Lage des Ortes an der Grenze (der mainisch-überhöhischen Dörfer) als auch auf den Gerichtssitz (unter der Linde) hin. Der 1589 beschriebene Grenzverlauf der Grundherrschaft deckte sich weitgehend mit den heutigen Gemarkungsgrenzen. Nur die ehemals zugehörige Burg Valkenhain - später Adolfseck - wurde im 14. Jahrhundert abgetrennt.
Kirchlich gehörten Lindschied und Heimbach anfangs zur Pfarrei Bärstadt, nach 1364 zu Schwalbach. Seit 1833 gab es in Lindschied ein eigenes Schulhaus. Um 1800 lebten in Lindschied um 170. 1992 lag die Einwohnerzahl zwischen 500 und 600. Wie die meisten kleineren Dörfer der Umgebung dürfte die Siedlung Lindschied im Dreißigjährigen Krieg ausgelöscht worden sein. Die danach einsetzende Neubesiedlung blieb in bescheidenen Grenzen.
Historische Ortsstruktur
Der alte Ortskern ist in Lindschied an der Häufung relativ kleiner Gehöfte um eine platzartige Erweiterung der Hauptstraße kenntlich. Hier stand bis in die jüngere Vergangenheit das Gemeindebackhaus. Am Kemeler Weg reihen sich Hofreiten des 18. Jahrhunderts, nach Südosten bezeichnen verputzte, im Obergeschoß durchweg verschieferte traufständige Wohnbauten an der Biegung der Hauptstraße eine Ortserweiterung des 19. Jahrhunderts.
Als eingeschossiger verputzter Bruchsteinbau des 19. Jahrhunderts mit Fachwerkgiebel und charakteristischem hohem, verschiefertem Dachturm prägte das Gemeindebackhaus, gleichzeitig Spritzenhaus, die Mitte von Lindschied. Es wurde in diesem Jahrhundert durch ein an den Rand der platzähnlichen Fläche versetztes Feuerwehrhaus, ebenfalls mit charakteristischem Schlauchturm, ersetzt.
Villa Lilly und Villa Claire
Zwischen Lindschied und Heimbach erwarb 1890 der aus der Nähe stammende, nach Amerika ausgewanderte Brauereibesitzer Adolphus Busch (1839 - 1913) ausgedehntes Gelände, unter anderem das Gebiet des ehemaligen, im 15. bis 17. Jahrhundert erwähnten Hofes Wallenbruch sowie den Hof Gieshübel. 1891 wurde die Villa Lilly, 1911 die Villa Claire erbaut. Dazu kamen bis 1915 Wirtschaftsgebäude für den Unterhalt der weiträumigen Wald- und Parkanlagen. Seit dem letzten Weltkrieg dienten die Gebäude wechselnden sozialen und pädagogischen Zwecken, heute beherbergen sie ein Drogen-Therapiezentrum.
Der Bauherr Adolphus Busch wurde 1839 als Adolf Busch, angeblich 21. Kind eines Hopfenhändlers, in Mainz-Kastel geboren. 1856 wanderte er nach Amerika aus, machte sich bald als Händler von Brauereibedarfsartikeln selbständig und heiratete 1861 Lilly Anhäuser, Tochter des ebenfalls aus Deutschland eingewanderten Geschäftspartners und Brauereibesitzers Eberhard Anhäuser in St. Louis, Kentucky. Als Teilhaber des Schwiegervaters brachten ihm Neuerungen im Brauereiwesen Erfolg, so die Abfüllung pasteurisierten Bieres in Flaschen und die Einführung des amerikanischen Budweiser-Bieres. Das Anheuser-Busch-Imperium ist heute noch größte Bierbrauerei der Welt. Der Unternehmer und Mäzen Busch starb 1913 in der Villa Lilly, seine Frau 1928 in Kalifornien.(LfDH 2003, S. 167-173)
Kulturdenkmale (Auswahl) (LfDH, online)
- Gesamtanlage Kemeler Weg: Kemeler Weg 1-9/Pfahlweg 2; Ensemble giebelständiger Hofreiten des 18. und 19. Jahrhunderts an der Nordseite des nach Westen (ortsauswärts) ansteigenden Kemeler Weges
- Ehemalige Schule, Steinstraße 6; eingeschossiges Ziegelsteingebäude, Preußischer Dorfschultyp um 1890; jüngere Anbauten ebenfalls aus Backstein, ältere Fachwerkscheune
- Villa Lilly mit Nebengebäuden und Parkanlage (38 ha); erbaut zwischen 1891 und 1915 durch Adolphus Busch
- Villa Claire, erbaut 1912 durch Adolphus Busch; repräsentativer kubischer Jugendstilbau mit Mansarddach
(Landesamt für Denkmalpflege Hessen, 2012)
Internet
denkxweb.denkmalpflege-hessen.de: LfDH, online (Abgerufen: 28.08.2012)