Kleinbahn Kaldenkirchen-Brüggen

KKB

Schlagwörter:
Fachsicht(en): Kulturlandschaftspflege
Gemeinde(n): Brüggen, Nettetal
Kreis(e): Viersen
Bundesland: Nordrhein-Westfalen
Koordinate WGS84 51° 16′ 56,37″ N: 6° 10′ 43,39″ O 51,28233°N: 6,17872°O
Koordinate UTM 32.303.252,93 m: 5.685.002,10 m
Koordinate Gauss/Krüger 2.512.513,00 m: 5.683.070,17 m
Die Kleinbahn Kaldenkirchen-Brüggen (KKB) zweigt im Bahnhof Kaldenkirchen von der Strecke von Viersen über Kaldenkirchen nach Venlo ab. Sie verläuft am Ostrand des Brachter Waldes über Bracht nach Brüggen-Oebel. Ursprünglich sollte sie den Absatz der zahlreichen Ziegeleien im deutsch-niederländischen Grenzgebiet fördern. Ab 1941 bediente sie vorwiegend das Treibstofflager des Flughafens Venlo und später das Depot der Britischen Rheinarmee in der Holter Heide.

Vorgeschichte und Eröffnung 1901
Das Gebiet an der deutsch-niederländischen Grenze zwischen Swalmen, Niederkrüchten und Kaldenkirchen wurde ab 1866 von der Eisenbahn erschlossen. Die Rheinische Eisenbahn eröffnete die Verbindung von Viersen nach Venlo 1866/67. Die Strecke von Kempen nach Kaldenkirchen bediente die Bergisch-Märkische Eisenbahn ab 1868. Und von Dülken fuhr ab dem 1. Oktober 1890 die Bahn von Dülken nach Brüggen. 1865 kam die Eisenbahn von Roermond nach Venlo hinzu, erbaut von der Maatschappij tot Exploitatie van Staatsspoorwegen (SS). Mit diesen Strecken konnten zahlreiche Ziegeleien bedient werden. Lediglich das Gebiet am Brachter Wald blieb fernab von den Transportwegen.

Erste Überlegungen einer Bahnverbindung von Kaldenkirchen über Bracht, Brüggen, Waldniel, Bellinghoven nach Speick (in Mönchengladbach) kamen von der Rheinischen Eisenbahn um 1882; sie wurden jedoch nicht weiter verfolgt. Insbesondere die westlich von Brüggen gelegenen Tonwerke suchten nach einem Bahnanschluss, um ihre Erzeugnisse besser vermarkten zu können. Die Continentale Eisenbahn-Bau- und Betriebsgesellschaft (Berlin) beantragte daher 1899 die Konzession für eine Bahn von Kaldenkirchen nach Oebel.
Interessanterweise begann man bereits vor der Erteilung der Bau- und Betriebskonzession mit den Bauarbeiten. Am 19. Februar 1901 konnte die Strecke mit einer kleinen Eröffnungsfeier dem Verkehr übergeben werden.

Personenverkehr
Personenverkehr wurde erst zum 1. April 1904 eingerichtet. Dieser besaß aber keine Bedeutung, so wurden beispielsweise 1906 nur 435 Personen befördert, überwiegend Arbeiter auf dem Weg zur Arbeitsstelle. Nach dem Ersten Weltkrieg blieben die Beförderungszahlen weiterhin gering, so wurde der Personenverkehr zum 4. August 1920 wieder eingestellt.
Die ehemals von der Bahn bedienten Orte wurden ab dem Oktober 1925 von Bussen der Krefelder Eisenbahn angefahren.

Betrieb ab 1901 bis zum Zweiten Weltkrieg
Zunächst war die KKB eine reine Industriebahn für die zahlreichen Tonwerke und Ziegeleien, elf Betriebe waren mit Anschlussgleisen und Verladerampen an die Strecke angebunden. Daneben besaßen der Holzverladeverkehr und die Abfuhr landwirtschaftlicher Güter nur eine geringe Bedeutung. Der Verkehr entwickelte sich bis zum Ersten Weltkrieg erfreulich, es wurden bis zu 150.000 Tonnen transportiert. Bereits 1902 gab es Pläne für Verlängerungen nach Erkelenz und Heinsberg, auch die neu erschlossene Kohlengrube in Hückelhoven sollte für die Versorgung mit Brennstoffen für die Ziegeleien angebunden werden. Realisiert wurde keines dieser Projekte.

Bahnhöfe und Betriebsstellen
  • Kaldenkirchen (Streckenkilometer 0,0)
  • Kaldenkirchen Nord (Streckenkilometer 0,56)
  • Heidhausen (Streckenkilometer 5,85)
  • Bracht (Streckenkilometer 6,75)
  • Holter Heide (Streckenkilometer 9,0)
  • Brüggen-West (Streckenkilometer 12,47)

Der Betriebsmittelpunkt lag in Kaldenkirchen Nord, hier gab es ein großes Bahnhofsgebäude und einen Lokschuppen.

Ab 1914 war die Industriebahn AG alleiniger Eigentümer der KKB. Der Erste Weltkrieg und die nachfolgenden Ereignisse führten zu erheblichen Rückgängen der Transportleistungen. Erst ab der Mitte der 1930er Jahre stiegen die Leistungen wieder. Die Ziegeleien hatten neue Absatzmärkte durch Neubauten und den Bau von militärischen Anlagen.

Betrieb im Zweiten Weltkrieg bis 1996
Im Zweiten Weltkrieg wurde in der Venloer Heide der Nachtjägerflughafen eingerichtet. In der Holter Heide, zwischen Brüggen-Bracht und Swalmen gelegenen, baute die Deutsche Wehrmacht ein Treibstofflager zur Versorgung des Flughafens. Die Anlieferung von Treibstoffen erfolgte über die KKB.
Durch Tiefflieger und Bombenangriffe wurden große Teile der Kleinbahn immer wieder zerstört. Im Herbst 1944 kam die Front in das Grenzgebiet, so dass am 23. November 1944 das gesamte Fahrzeugmaterial zur Kleinbahn Neheim-Hüsten − Sundern abgefahren wurde.
Trotz großer Schäden an Gleisen und Gebäuden konnte der Verkehr ab Juli 1945 wieder aufgenommen werden. Durch den Wiederaufbau hatten die Ziegeleien große Absatzmärkte, so dass der Verkehr auf der KKB umfangreich anwuchs. Ab Mitte der 1950er Jahre verlagerte sich der Verkehr jedoch zusehends auf den Lastkraftwagen.

Die britische Rheinarmee hatte nach 1945 in der Holter Heide auf dem ehemaligen Treibstofflager ein Munitionsdepot eingerichtet, dass von der KKB bedient wurde. Dazu gab es in Streckenkilometer 10,7 einen dreigleisigen Vorbahnhof. Die Fortsetzung der Strecke war durch ein Tor gesichert. Dahinter zweigten die Militärgleise ab, die zu drei Anschlussbahnhöfen und Ladegleisen innerhalb des Militärgeländes führten. Ab 1985 wurden die Anlagen umgebaut, der geänderte Vorbahnhof lag nun in Streckenkilometer 9,0 innerhalb des Depotgeländes.
Im Depotgelände wurden eigene Lokomotiven des Royal Corps of Transport eingesetzt, die ab 1965 auch im Streckendienst eingesetzt wurden. Es handelte sich um ehemalige Wehrmachtslokomotiven der Baureihe V 36 und um Maschinen der Firma Deutz.

Ab Mitte der 1960er Jahre war die Rheinarmee fast alleiniger Kunde der Kleinbahn. Da die Strecke nach Brüggen-West durch das Depot führte, wurde der Abschnitt vom Anschluss Holter Heide nach Brüggen West 1964 stillgelegt, nicht zuletzt auf Betreiben der Rheinarmee, die die Durchfahrt durch ihr Depot nicht länger dulden wollte.
Zwischen 1983 und und 1994 wurden noch große Abschnitte der Bahn erneuert, um die Ansiedlung von Industriebetrieben zu befördern und damit neue Kunden für die Industriebahn Kaldenkirchen-Brüggen zu gewinnen. Nach Aufgabe und Räumung des Depots der britischen Truppen konnte jedoch kein neuer Verkehr gewonnen werden. Den Betrieb stellte man zum 31. März 1996 vorläufig ein. Zwar ist die Betriebs-Konzession noch bis 2029 gültig, aber um 2000 wurde die Strecke doch abgebaut. Heute sind keine Gleise mehr vorhanden.

Fahrzeuge
Der Betrieb der Kleinbahn wurde überwiegend mit zwei bis drei Dampflokomotiven durchgeführt. Allerdings wechselten die einzelnen Lokomotiven innerhalb der Industriebahn AG, so dass im Laufe der Zeit rund 14 Lokomotiven am Niederrhein eingesetzt waren. Die letzte Dampflokomotive wurde bis 1966 eingesetzt und dann an die Museumsbahn Goes − Borsele in den Niederlanden verkauft.
Die erste Diesellokomotive kam 1948 als Leihlok von der Kassel-Naumburger Eisenbahn nach Kaldenkirchen. Neben den Lokomotiven des Royal Corps of Transport waren insgesamt vier Dieselloks auf der KKB in Betrieb.

Für den Personenverkehr gab es wohl drei Personenwagen und ein Wagen für Post und Gepäck. Die genauen Zahlen sind allerdings wegen fehlender Unterlagen schwer zu ermitteln. Eigene Güterwagen gab es wohl bis zu fünf, auch hier sind die genauen Zahlen unsicher.
2010 wurde ein letzter erhaltener Güterwagen verschrottet, der auf dem Hof der Gemeinschaftsgrundschule an der Buschstraße in Kaldenkirchen aufgestellt worden war. Für die Aufstellung hatte man eigens ein Schienenstück verlegt.

(Claus Weber, 2013)

Internet
de.wikipedia.org: Kleinbahn Kaldenkirchen-Brüggen (Abgerufen: 27.7.2013)
www.bahnen-am-niederrhein.de (Abgerufen: 27.7.2013)
www.rp-online.de/niederrhein-sued/nettetal/nachrichten (Abgerufen: 27.7.2013)

Literatur

Barthels, Thomas; Möller, Armin; Barthels, Klaus (2007)
Bahnen am Niederrhein. Eine Bestandsaufnahme der Eisenbahnen am Niederrhein zwischen Arnhem und Rommerskirchen, Venlo und Oberhausen. S. 122-123, Mönchengladbach.
Naß, Wolfgang (1986)
Die Kleinbahn Kaldenkirchen-Brüggen. Eine Eisenbahn im Schwalm-Nette-Grenzland. Aachen.
Schweers, Hans (2011)
Eisenbahnatlas Deutschland. 8. Auflage. S. 50, Aachen.
Wolff, Gerd (1974)
Deutsche Klein- und Privatbahnen, Band 3: Nordrhein-Westfalen. S. 163-166, Gifhorn.
Wolff, Gerd; Riedel, Lothar (1998)
Deutsche Klein- und Privatbahnen, Band 5: Nordrhein-Westfalen: Nordwestlicher Teil. S. 204-213, Freiburg.

Kleinbahn Kaldenkirchen-Brüggen

Schlagwörter
Fachsicht(en)
Kulturlandschaftspflege
Erfassungsmaßstab
i.d.R. 1:5.000 (größer als 1:20.000)
Erfassungsmethode
Geländebegehung/-kartierung, Auswertung historischer Karten, Literaturauswertung
Historischer Zeitraum
Beginn 1901, Ende 1996

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„Kleinbahn Kaldenkirchen-Brüggen”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/O-CW-20130728-0001 (Abgerufen: 16. April 2024)
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