Das Denkmal für die im Lager Friedrichsfeld verstorbenen Kriegsgefangenen wurde 1916 von kriegsgefangenen Steinmetzen nach dem Entwurf des französischen Architekten Gaston Secq (1879-1949) errichtet, der das Los der Kriegsgefangenschaft mit seinen Kameraden teilte, und stellt eines der seltensten Monumente des Ersten Weltkriegs dar. In einer Art Neobarock ausgeführt, gibt das Denkmal eine antikisierende Tempelarchitektur wieder und symbolisiert gleichsam den Altar des Vaterlandes.
Auf der Vorderseite finden sich, umgeben von antikisierender Kriegersymbolik, lateinische Zeilen, die die Toten, die fern der Heimat starben, als tapfere Soldaten ehren. Darunter im eichenlaubbekränzten Medaillon die Worte „Devoir – Honneur – Patrie“ (Pflicht – Ehre – Vaterland). Die Inschrift auf der Rückseite gibt Auskunft über die an diesem Denkmal beteiligten Nationen: Belgien, England, Frankreich, Italien, Russland, Serbien und Portugal und macht das Monument damit zu einem Denkmal der Entente. Bemerkenswert ist, dass die deutsche Lagerleitung unter Generalmajor Leo Cederholm (1852-1934) nicht nur den Denkmalbau genehmigte, sondern auch den Sandstein unentgeltlich zur Verfügung stellte: ein Beleg für die Achtung des Gegners auch unter den Bedingungen des modernen Nationalkrieges.
Das Kriegsgefangenenlager Friedrichsfeld, zu dem dieses Denkmal auf dem so genannten „Franzosenfriedhof“ gehörte, entstand ab Herbst 1914 auf dem Gelände des gleichnamigen Truppenübungsplatzes und entwickelte sich bald zu einem der größten Lager auf Reichsgebiet. Friedrichsfeld gehörte zum Lagertyp für kriegsgefangene Mannschaften und Unteroffiziere, während Offiziere in separaten Lagern untergebracht waren und nicht dem Arbeitszwang unterlagen. Nach einem Bericht einer dänisch-russischen Kommission umfasste das Lager bereits im September 1915, über 10.000 Mannschaften und Unteroffiziere. Drei Jahre später, im September 1918 dürfte das Gefangenenkontingent zwischen 25.000 und 30.000 gelegen haben.
Das Lager Friedrichsfeld war auf etwa 30 Hektar angelegt und umfasste einen regelrechten Kosmos unterschiedlicher Arbeits- und Betätigungsfelder. Im Unterschied zu einem generellen Trend in den Lagern für Mannschaften und Unteroffiziere, der angesichts des erweiterten Arbeitseinsatzes in Fabriken und landwirtschaftlichen Betrieben außerhalb des Lagers spätestens seit Ende 1916 die Hochphase der „Lagerkultur“ beendete, blieb in Friedrichsfeld wohl ein reichhaltiges Lagerleben erhalten. Selbst im September 1918 gab es hier, Schneider- und Schuhmacherwerkstätten, eine „Holzschuhfabrik“, eine „Möbelfabrik“, Korb- und Strohflechtereien, eine Druckerei, ein Holzsägewerk, zahlreiche Schreinereien, Photographenbetriebe. Dazu kamen künstlerische Werkstätten für Malerei und Graphik, ein Theater, zwei Musikhallen, eine Lagerkirche, in der sich eine katholischer, ein protestantischer und ein russisch-orthodoxer Priester in den Gottesdiensten abwechselten, sowie eine Elementarschule, die den zahlreichen russischen und italienischen Analphabeten Lesen und Schreiben beibrachte. Weiter existierten eine geräumige Kantine und mehrere Lokale, ein Postamt und eine Art Bankhaus. Die Lagerverpflegung und die hygienischen Verhältnisse scheinen während der ganzen Kriegszeit, auch noch im Herbst 1918, vergleichsweise gut gewesen zu sein.
(Veit Veltzke, Preußenmuseum Wesel, 2013)
Auf einer Gedenktafel des Friedhofs ist zu lesen: „Dieser Friedhof, im Volksmund “Franzosenfriedhof„ genannt, wurde 1870 für die in der Festung Wesel und im Kriegsgefangenenlager Friedrichsfeld verstorbenen französischen Soldaten angelegt. Von den damals mehr als 10.000 Gefangenen starben 248 Soldaten in den Wintermonaten 1870/71 und wurden hier beigesetzt. An diese Toten erinnert das von ihren Kameraden gestiftete Mahnmal auf dem alten Gräberfeld: “Zum Gedenken der in den Jahren 1870/71 gefallenen französischen Soldaten. Errichtet von ihren Landsleuten.„
Während des Ersten Weltkrieges brachte man in Friedrichsfeld in einem dafür neu errichteten Lager erneut Kriegsgefangene unter. In den Jahren von 1914-1919 starben insgesamt 620 Soldaten. Sie wurden in einem neu geschaffenen Gräberfeld beigesetzt. Es waren Angehörige verschiedener Nationen: Franzosen, Russen, Engländer, Serben, Italiener, Portugiesen und Belgier. Die französischen Gefangenen hatten bereits 1914 am alten Mahnmal eine Erinnerungstafel mit dem Text: “Unseren Älteren. Die Soldaten von 1914„ angebracht. Alle Gefangenen gemeinsam errichteten mit Unterstützung der deutschen Militärverwaltung das Ehrenmal in der Mitte des Friedhofes. Es wurde im Kriegsjahr 1916 eingeweiht. Der mahnende Text erinnert an die Verstorbenen Gefangenen aller im Lager untergebrachten Nationen. Einige Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkrieges wurde der grösste Teil der Toten in ihre Heimatländer überführt. Zu diesem Zeitpunkt nahm die damalige Gemeinde Voerde den Friedhof mit seinen verbliebenen Toten in ihre Obhut.
Im Zweiten Weltkrieg wurde in einem Teil des ehemaligen Truppenlagers ein Wohn- und Durchgangslager für zivile Zwangsarbeiter und -arbeiterinnen aus von Deutschland besetzten Ländern eingerichtet. Die dort und in Aussenlagern Verstorbenen sind auf diesem Friedhof beerdigt worden. Ebenso fanden hier die Verstorbenen eines 1944 in Voerde errichteten Wohnlagers für Zwangsarbeiter der Rüstungsindustrie (Krupp, Essen), in der Hauptsache ukrainische Frauen und Männer, ihre letzte Ruhestätte. Ein Teil der Toten in diesem Gräberfeld aus dem Zweiten Weltkrieg sind 99 in den Lagern gestorbene Kinder von Zwangsarbeiterinnen. Sie starben in der Hauptsache im Kriegswinter 1944/45 an Mangelernährung und Infektionskrankheiten. Neben diesen Toten liegen auch die Opfer eines Bombenangriffs der Alliierten auf Friedrichsfeld unter den Zwangsarbeitern im Jahre 1945. Das Standesamt Voerde verzeichnete insgesamt 352 Tote, die in den Jahren 1944-1945 auf diesem Friedhof beigesetzt worden sind.
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