Die Bonner Stadtbefestigung
Mit dem Erhalt der Stadtrechte im 13. Jahrhundert, erhielt Bonn 1244 auch das Stadtmauerprivileg. Dabei wurde die schon befestigte Stiftsstadt mit der bürgerlichen Marktstadt zusammengefasst.
Die Stadtmauer war einen Meter dick, bis zu sieben Meter hoch und umfasste mehrere Tore und Türme. Bei den Türmen handelte es sich um halbrunde oder viereckige Türme, die zur Stadt hin offen waren. Zu den ursprünglichen Toren zählte auch das Sterntor, das sich am Ende der Sternstraße befand. Es handelte sich um ein Doppelturm-Tor mit einem quadratischen Torhaus.
Der Name Sternstraße ist eine gekürzte Form der ursprünglichen „Pisternenstraße“ (lateinisch: pistrina / pistrinum = Bäcker/ Mühle), die auf Bäckereien in diesem Teil der Stadt hindeutet.
Im Zuge der Bastionärsbefestigung Bonns im 17. Jahrhundert blieb die alte Stadtmauer erhalten und diente zum Teil als Verstärkung der Bastionen. Der Stadterweiterung fielen bis Ende des 19. Jahrhunderts sämtliche mittelalterlichen Stadttore zum Opfer und so kam es dazu, dass das Sterntor das letzte verbliebene mittelalterliche Stadttor Bonns wurde.
Der Kampf um das Sterntor
In der Zeit zwischen 1888 und 1898 entstanden heftige Auseinandersetzungen um das Sterntor. Von Seiten der Stadt und vieler Bürger wurde ein Abriss des Sterntors gefordert, während hingegen konservatorische Organe des preußischen Staates und an Denkmalschutz interessierte Einzelpersonen für einen Erhalt des Sterntors eintraten. Die Debatte wurde zum einen unter ästhetischen und historischen Gesichtspunkten und zum anderen unter verkehrstechnischen Aspekten geführt.
Das Hauptargument hierbei war, dass das Sterntor den zunehmenden Verkehr behindere und durch seine Baufälligkeit eine Gefahr für die Allgemeinheit darstelle. Diese Debatte zog sich durch alle Gesellschaftsschichten, wurde in Tageszeitungen zunehmend unsachlich geführt und mündete sogar in einem Bühnenstück, das die Gegner des Abrisses verspottete.
Letztlich standen seitens der Stadt Bonn zwei Vorgehensweisen zur Auswahl um das Verkehrsproblem zu lösen: Die Entkernung und Freistellung des Tors oder der Abriss. Die von Stadtbaumeister Lemcke vorgelegten Kalkulationen zeigten jedoch, dass ein Abriss des Sterntors die Stadt wesentlich weniger kosten würde als eine Entkernung und Freistellung.
Nach einer Begehung vor Ort, erteilte Kultusminister von Goßler die mündliche Erlaubnis, dass Sterntor abzureißen. Seitens der Stadt Bonn wurden Enteignungsverfahren eingeleitet und die Planungen zum Abriss des Sterntors begannen.
In dieser Situation schrieben Bonner Bürger den preußischen Generalkonservator an, der mit diesem Anliegen bei Kaiser Wilhelm II. Interesse weckte. Der Kaiser hatte als Prinz in Bonn studiert und lies verlautbaren, dass er großen Wert auf die Erhaltung des Sterntors lege. Die Stadt Bonn hielt inne und der Generalkonservator Persius besichtigte das Sterntor persönlich. Dieser schlug einen Durchbruch nördlich des Tores vor, was jedoch aufgrund der schon laufenden Enteignungsverfahren und der daraus resultierenden Schadenersatzforderungen die Stadt Bonn über die Maße belasten würde. Aus diesem Grund schlägt der Bonner Oberbürgermeister einen Kompromiss vor: Tranlozierung – das heißt, dass das Sterntor Stück für Stück abgetragen und an anderer Stelle wieder aufgebaut werden würde. Dieser Kompromiss bezog auch die Wünsche des Kaisers mit ein, der 1897 den Abbruch genehmigte.
Der Abriss selbst ging zunächst schwierig vonstatten. Der Mörtel, des als baufällig und morsch bezeichneten Sterntors, war viel zu fest um die Steine einzeln abtragen zu können und eine Sprengung kam innerhalb der Stadt nicht in Frage. Das Vorhaben schien vergeblich, als ein Krautfabrikant aus Niederbachem, der aufgrund einer Geschäftsreise in der Stadt war, sich anbot, das Sterntor mittels seiner hydraulischen Obstpresse einzudrücken. Am 6. August 1898 fiel so das letzte mittelalterliche Stadttor Bonns.
Das neue Sterntor
Ab 1900 wurde in der Vivatsgasse das heute sichtbare Ersatzbauwerk geschaffen. Eine Toranlage und ein quadratischer Turm wurden an einen schon bestehenden, wenn auch verfallenen und im Zuge des Neubaus aufgestockten, Halbrundturm angebaut. Eine Treppe führte zum Tor hinauf, das sich auf eine Häuserwand hin öffnet.
Der Halbrundturm gehörte ursprünglich zur mittelalterlichen Stadtbefestigung und ist somit der älteste Teil des Bauensembles. Er vermittelt einen Eindruck der Imposanz, die die mittelalterliche Stadtbefestigung Bonns gehabt haben muss. Das Mauerwerk besteht aus Basalt und Tuffsteinen. An den Halbrundturm schließt sich die Toranlage mit Fallgitter an. Der äußere Torbogen des alten Sterntors ist in dieser Anlage verbaut. Im quadratischen Turm sind zwei weitere Schmuckstücke des alten Sterntors verbaut. Richtung Bottlerplatz ist eine in Stein gehauene Kreuzigungsgruppe angebracht und seitlich befindet sich eine bemalte Madonnenstatue. Beide Werke stammen aus dem 16. Jahrhundert.
In den 1960er Jahren wurden Stimmen laut, die einen Abriss der „Imitation“ forderten. So beschwerten sich Geschäftsleute, das Bauwerk würde den Kundenverkehr behindern und stelle insgesamt eine Bedrohung für den Straßenverkehr dar, da es die Sicht verdecke. Des Weiteren wurde eine angebliche Baufälligkeit moniert, die jedoch nicht nachgewiesen werden konmte.
Heute stellt sich das innerhalb der Fußgängerzone gelegene Sterntor als beliebter Treffpunkt und Fotokulisse dar. Es erinnert an die mittelalterlichen Befestigungsanlagen Bonns, aber auch an einen Wandel der Wertschätzung für Bausubstanzen und die Konflikte zwischen Stadtplanung und historischer Substanz.
Das alte Sterntor steht heute – zumindest als Schatten seiner selbst – wieder an alter Stelle. Zwischen Friedensplatz und Sternstraße ist sein Grundriss mit dunklen Pflastersteinen in den Straßenbelag eingelassen.
Das Objekt „Sterntor“, Vivatsgasse / Bottlerplatz ist ein eingetragenes Baudenkmal (Denkmalliste Bonn, Stand 1. August 2006, Lfd. Nr. A 2016).
(Tobias Henning, Geographisches Institut der Universität Bonn, 2012)
Quellen
Stadtarchiv Bonn, Tageszeitungsausschnitte:
- Deutsche Reichszeitung 1924, Signatur 40/26.
- Bonner Rundschau 23.01.1962, Signatur 114/36.
- Bonner Rundschau 26.01.1962, Signatur 114/36.
- Bonner Rundschau 02.02.1962, Signatur 114/36.
- Bonner Rundschau 25.07.1967, Signatur 119/672.
- Bonner Rundschau 27.07.1967, Signatur 119/672.
- Express 02.08.1967, Signatur 119/672.
- General-Anzeiger 03.08.1967, Signatur 119/672.
- General-Anzeiger 08.08.1967, Signatur 119/672.
Denkmalakte der Unteren Denkmalbehörde: Bonn – Sterntor.