Die Gründung der Viktoriaschule erfolgte im Jahre 1870 mit damals 34 Sextanerinnen. Die Existenz dieser evangellischen Schule im katholischen Aachen zeigt einen Prozess der politischen und sozialen Veränderungen auf, der als Folge der Übernahme der Rheinlande durch die Preußen im Jahre 1815 zu werten ist.
Die „Evangelische höhere Töchterschule“ und die Preußen Im Jahr ihrer Gründung lautete der Name der Viktoriaschule „Evangelische höhere Töchterschule“. Die Umbenennung erfolgte erst 1880 zu Ehren der damaligen preußischen Kronprinzessin Viktoria. Da sich die Tochter der englischen Queen Viktoria sehr für die Mädchenbildung und die Stellung der Frau in der Gesellschaft einsetzte, ist die Wahl des Namens für eine Mädchenschule passend. Die bloße Existenz einer evangelischen Schule in Aachen, das mit dem Karlsschrein, dem Aachener Dom und als wichtige Station des mittelalterlichen Pilgertums streng katholisch geprägt war, ist allerdings eine Besonderheit. Ohne den Wiener Kongress im Jahre 1815, auf dem in Folge der Niederlage Napoleons die Rheinlande an das protestantische Königreich Preußen fielen, wäre diese Entwicklung zu der Zeit nicht denkbar gewesen. Obwohl bereits vor 1815 evangelische Bürger in Aachen keine Ausnahme mehr bildeten, war diesen die Gründung einer eigenen Kirchengemeinde untersagt. Gottesdienste mussten daher im nahegelegenen niederländischen Vaals gefeiert werden. Die neuen Landesherren änderten diesen Sachverhalt, so dass im Jahre 1825 der erste Superintendent von den Aachenern Protestanten gewählt werden konnte. 1870 erfolgte die Gründung der heutigen Viktoriaschule durch Burtscheider Bürger. Die Eröffnungen des Luisenhospitals (benannt nach Königin Luise und damit ebenso wie die Viktoriaschule und preußischem Protektorat) und der Königlich Rheinisch-Westphälischen Polytechnischen Schule zu Aachen (die heutige RWTH) datieren aus demselben Jahr und sind ebenfalls preußische und damit protestantische Gründungen. Die Geschichte der Viktoriaschule zeigt somit exemplarisch auf, wie die protestantischen Bürger im katholischen Aachen im 19. Jahrhundert an Einfluss gewannen.
Die Viktoriaschule unter der NS-Diktatur Die Viktoriaschule verstand sich stets als liberale Einrichtung, so waren bereits zu Beginn des Schulbetriebes katholische und jüdische Mädchen zugelassen. Dies änderte sich allerdings abrupt mit der Machtergreifung der NSDAP ab 1933. Bereits im Jahre 1936 wurde die Schule mit dem Mädchengymnasium Sankt Leonhard zur städtischen Oberschule I und II fusioniert, da zu dieser Zeit alle konfessionellen Schulen gleichgeschaltet wurden. Im Volksmund erhielt dieser Zusammenschluss der Schulen den Namen „Sankt Levi“, was als Protest gegen die Willkür des Regimes gewertet werden kann. Das Schulgebäude wurde durch die Bombardierungen im Zweiten Weltkrieg komplett zerstört. 1956 wurde die Schule mit zunächst 26 Schülerinnen an ihrer alten Stelle auf Bestreben der evangelischen Aachener neu gegründet. Als Besonderheit im Zusammenhang mit der NS-Diktatur ist noch zu erwähnen, dass die Mutter von Anne Frank, Edith Frank-Holländer, an der Viktoriaschule 1916 ihr Abitur abgelegt hat.
Die Viktoriaschule heute Die Schule ging 1974 in die Trägerschaft der Evangelischen Kirche über, weil der Aachener Kirchengemeinde diese nicht mehr finanzieren konnte. Die Viktoriaschule existiert noch heute. Sie wurde um weitere Schulgebäude erweiert. Etwa 800 Schüler werden hier von 55 Lehrkräften unterrichtet (Stand 2014).
(Christoph Boddenberg, Rheinischer Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz, 2014)
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