Gasthaus Adler Hauptstraße 56 in Zeiskam

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Fachsicht(en): Landeskunde
Gemeinde(n): Zeiskam
Kreis(e): Germersheim
Bundesland: Rheinland-Pfalz
Koordinate WGS84 49° 13′ 47,45″ N: 8° 14′ 56,95″ O 49,22985°N: 8,24915°O
Koordinate UTM 32.445.334,49 m: 5.453.278,73 m
Koordinate Gauss/Krüger 3.445.388,06 m: 5.455.021,10 m
  • Postkarte aus Zeiskam mit dem Gasthaus zum Adler (um 1900)

    Postkarte aus Zeiskam mit dem Gasthaus zum Adler (um 1900)

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  • Postkarte des Gasthauses zum Adler in Zeiskam / Pfalz (1950er Jahre)

    Postkarte des Gasthauses zum Adler in Zeiskam / Pfalz (1950er Jahre)

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  • Postkarte "Gruß aus Zeiskam / Pfalz" mit dem Gasthaus Adler (1940er Jahre)

    Postkarte "Gruß aus Zeiskam / Pfalz" mit dem Gasthaus Adler (1940er Jahre)

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  • Detailansicht des Gasthauses Adler aus der Postkarte "Gruß aus Zeiskam / Pfalz" (1940er Jahre)

    Detailansicht des Gasthauses Adler aus der Postkarte "Gruß aus Zeiskam / Pfalz" (1940er Jahre)

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  • Postkarte Gruß aus Zeiskam / Pfalz (1950er Jahre)

    Postkarte Gruß aus Zeiskam / Pfalz (1950er Jahre)

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  • Das einstige Gasthaus Adler in Zeiskam / Pfalz (2008)

    Das einstige Gasthaus Adler in Zeiskam / Pfalz (2008)

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In Zeiskam in der Hauptstrasse 56 steht heute ein modernes Mehrfamilienhaus; an exakt derselben Stelle befand sich bis 2018 das Gasthaus „Adler“, das in der Biographie von Theodor Wolf eine wichtige Rolle spielte: Politische Verfolgung im NS-Regime hatte viele Gesichter. Theodor Wolf, Gemüsebauer in Zeiskam und seit 1929 sogar Bürgermeister, wurde in der NS-Zeit ein einziger Abend zum Verhängnis, den er zwanzig Jahre zuvor im Gasthaus „Zur Sonne“ verbracht hatte. Unter anderem darum galt er als politisch unzuverlässig, verlor im Mai 1933 sein Amt als Bürgermeister und bekam keine Konzessionserlaubnis für das Gasthaus, das er 1938 gekauft hatte. Um seine eigene Gaststätte, den „Adler“, führen zu dürfen, reichte er 1940 ein Beschwerdegesuch ein. Der Adler war zeitweise NSDAP-Parteilokal. Nach einer aufwändigen Untersuchung änderte sich jedoch nichts an Wolfs Einstufung. Theodor Wolf wurde von der Gestapo als politischer Gegner („Separatist“) erfasst und bis 1942 überwacht. Seine Geschichte gibt interessante Einblicke in den Umgang des NS-Regimes mit politischen Gegnern.


Vom Bürgermeister zum Staatsfeind
Separatistenbewegung 1919
Keine Konzession für Gasthaus Adler
Was geschah 1919 im Gasthaus Sonne?
Wer sagt was über wen?
Der Adler als NSDAP-Parteilokal
Familienverhältnisse
Die Untersuchung beginnt
Die Unterschriftenliste von 1919
Die Zeugenaussagen: Ortsgruppenführer
Die Zeugenaussagen: Gemüsebauern
Untersuchungsergebnis


Vom Bürgermeister zum Staatsfeind
Ende Juli 1938 ergeht an das Bezirksamt Germersheim von der Geheimen Staatspolizei Neustadt die mit „Sofort“ und „Streng vertraulich! Eilt sehr!“ gekennzeichnete Aufforderung, „alsbald die Personalien sowie das Ergebnis der Überprüfung der unten stehenden Person [Theodor Wolf] nach dem angegebenen Muster hierher mitteilen zu wollen.“ Die Personalien als auch die familiären und beruflichen Verhältnisse waren auf dem Vordruck bereits eingetragen. Zu der politischen Betätigung vor und nach der Machtübernahme erfolgt die Feststellung: „Er war immer ein scharfer Gegner der NSDAP und als ehemaliger Bürgermeister konnte er insofern einen bestimmten Druck auf die Bewegung [gemeint ist der Nationalsozialismus] ausüben, bis er durch die Machtübernahme abgesetzt wurde. Strafrechtlich ist nichts gegen ihn bekannt. Er ist als Staatsfeind zu bezeichnen und geniesst auf keinem Gebiet Vertrauen [durch die Nazis]. Wolf ist geistig gut veranlagt und voll zurechnungsfähig. Strafen sind keine bekannt.“

Separatistenbewegung 1919
Was also war 1919 geschehen? Nach dem Ersten Weltkrieg 1918 gab es in Deutschland viele Probleme wie Wohnungsnot, Nahrungsmittelknappheit und Arbeitslosigkeit. Frankreich besetzte das linke Rheinufer, und in der Pfalz entstand die Separatistenbewegung, die einen eigenen Staat gründen wollte. Frankreich unterstützte diese Idee, weil ein eigener pfälzischer Staat als Puffer gegen Deutschland dienen könnte. Eberhard Haas gründete den „Bund Freie Pfalz“ und wurde vom französischen General Gérard unterstützt. Haas wollte, dass der Regierungspräsident der Pfalz, Theodor von Winterstein, die Führung übernimmt, aber dieser weigerte sich und wurde ausgewiesen. Eine andere mögliche Führungsfigur, Hermann Hofmann, zog sich zurück. Am 1. Juni 1919 versuchten Haas und seine Anhänger, die „Freie Pfalz“ auszurufen, scheiterten aber an einer großen Demonstration für den Verbleib der Pfalz bei Bayern. Nach diesem Scheitern verlor Haas seinen wichtigsten Unterstützer, General Gérard. Der „Bund Freie Pfalz“ wurde zwar stärker organisiert, doch Bayern wehrte sich erfolgreich gegen die separatistischen Bestrebungen. Mit der Annahme des Friedensvertrags und der Weimarer Verfassung verlor die Bewegung an Boden, und der Bund zerfiel. Haas zog sich zurück und trat nie wieder politisch in Erscheinung.
Im Herbst 1919, als eigentlich schon alles vorbei war, fand in Zeiskam im Gasthaus Sonne eine politische Versammlung statt, bei der Unterschriften gesammelt wurden für eine Vereinigung zur Gründung einer „Freien Pfalz“. Theodor Wolfs Name steht auf dieser Unterschriftenliste und dies machte ihn aus Sicht des NS-Regimes von 1933 bis 1945 politisch unzuverlässig.
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Keine Konzession für Gasthaus Adler
Am 17. Januar 1940 setzte Theodor Wolf einen fast siebenseitigen Beschwerdebrief auf:
„Sehr geehrter Herr Reichsleiter! Da ich mir angesichts der Einstellung des Ortsgruppenleiters in Zeiskam keinen anderen Rat weiß, wende ich mich an die von Ihnen geschaffene neue Einrichtung zur Nachprüfung von Beschwerden.“ Dann berichtet Wolf, dass er 1938 das Gasthaus Adler bei einer Zwangsversteigerung erwarb und dann umbaute und eine vorläufige Konzessionserlaubnis für ein halbes Jahr erhielt. Dann schildert er, dass ihm die endgültige Konzession „wegen politischer Unzuverlässigkeit versagt“ wurde und schließlich sein Sohn Walter die Konzession erhielt. Dazu riet ihm der damalige Sachbearbeiter. Dann schreibt er, dass ihm aus gleichem Grund auch die Ausstellung eines Jagdscheins verweigert wurde. Dazu kam, dass nun auch dem Sohn die Konzession wieder entzogen wurde, da „die Wirtschaft der Eheleute Wolf von staats- und parteiabträglich gesinnten Leuten aufgesucht wird. Die Eheleute würden offensichtlich nicht vermögen, den Einfluss ihres zweifelsfrei unzuverlässigen Vaters auf den Wirtschaftsbetrieb zu hemmen … [oder] dem vorwiegenden Besuch von staatsfeindlichen Elementen entgegen zu treten. Aus beiden Tatsachen offenbare sich ihre politische und charakterliche Unzuverlässigkeit zur Führung einer Gastwirtschaft …“

Was geschah 1919 im Gasthaus Sonne?
Hauptvorwurf gegen ihn sei, so führt Wolf aus, dass er im Jahr 1919 „an einer von einem Haasisten einberufenen Versammlung in der Wirtschaft ‚Zur Sonne‘ teilgenommen“ habe. „Ich bin in der damaligen Zeit mit meinem Fuhrwerk wöchentlich 1 oder 2 mal mit meinen Landesprodukten auf den Wochenmarkt nach Heidelberg gefahren und habe bei dieser Gelegenheit auch einmal einen Zusammenstoß mit der franz. Besatzungsbehörde gehabt.“
Im Spätjahr 1919 hörte er dann, „dass für uns Gemüsebauern eine Erleichterung für den Brückenverkehr eingerichtet würde. Die Gemüsebauern sollten sich abends in der Wirtschaft ‚Zur Sonne‘ einfinden. Es würde dort ein Herr sprechen. Es sei dies schon durch die Ortsschelle bekannt gegeben worden. Da die Einladung zu dieser Versammlung durchaus unverfänglicher Natur war, ging ich abends in die Versammlung. Das Lokal war vollbesetzt. Auch der [spätere NS-] Ortsgruppenleiter [und Volksschullehrer] war dort und der Lehrer. Beide waren Gegner der Haasistenbewegung und aus nationalen Gründen dort. … Die Mehrzahl der Versammlungsteilnehmer waren gut deutsch gesinnt.“
Wolf gab in dem Beschwerdebrief nun an, dass der Lehrer nun behauptete, er hätte damals am Vorstandstisch gesessen und auch zu der Versammlung gesprochen, was Wolf in dem Schreiben deutlich bestreitet.
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Wer sagt was über wen?
Wolf berichtet: „Der Vorwurf des Separatismus wurde erstmals am 29. September 1929 gegen mich anlässlich der Wahlkämpfe von dem Gegenkandidaten erhoben. Dieser hat damals in der Wirtschaft geschrien: ‚Wolf ist ein Separatist, ein Spartakist, ein Kommunist und ein Volksverräter … Die beleidigenden Äußerungen waren Gegenstand einer Privatklage vor dem Amtsgericht Germersheim. Durch Vergleich vom 12. Februar 1930 hat [der Beklagte] die gegen mich ausgesprochene beleidigende Äußerung reumütig und als unwahr zurückgenommen. Er hat sich weiterhin verpflichtet RM 30.- Buße zu zahlen, RM 15.- für die Ortskrankenkasse und RM 15.- für die Vereinskasse des evangelischen Bauvereins in Zeiskam … Der Vergleich wurde auf die Dauer von 14 Tagen an der Gemeindetafel angeschlagen.“
Sodann geht Wolf auf die geänderten Machtverhältnisse durch die Gleichschaltungsmaßnahmen der Nationalsozialisten ein: „Der jetzige 1. Beigeordnete hat mich nach dem Weggang des Ortsgruppenleiters und Bürgermeisters Stubenbordt [1934] am geeignetsten für den Nachfolger gehalten … Ein alter Parteigenosse hat mich sogar als Ortsgruppenleiter vorgeschlagen. Trotz meiner angeblichen politischen Unzuverlässigkeit hat der jetzige Ortsgruppenleiter während meiner Tätigkeit als Bürgermeister mit mir wöchentlich Dienstags den Kegelabend besucht und mich sogar einmal eingehängt abends nach Hause begleitet. Dies wird der Lehrer in Zeiskam bestätigen können. Ich glaube nicht, dass er dies getan hätte, wenn er mich für einen Separatisten gehalten hätte.“

Der Adler als NSDAP-Parteilokal
Auch geht Wolf auf die Funktion des Gasthauses ein: „Die Vorwürfe wurden gegen mich erst in dem Augenblick wiederholt, als ich die Wirtschaft ‚Zum Adler‘ erworben habe. Dieses Lokal war bis dahin [NSDAP-] Parteilokal. Das Haus wurde dann auch zwangsversteigert. Nach der Übernahme der Wirtschaft durch mich verkehrte noch dort die HJ, bis es ihr verboten wurde. Ich habe das Haus um RM 12 500.- gesteigert und RM 7000.- hereingesteckt. In dem Lokal verkehren der Männerchor‚ dessen Vereinsführer der Partei angehört. Eine große Anzahl der Vereinsmitglieder sind Parteigenossen. Außerdem verkehrt bei mir der Reichsarbeitsdienst. Mein Saal, 3 Trinkräume und 3 Mansardenzimmer sind seit Anfang September mit dem Arbeitsdienst belegt. Anfänglich waren es 200 Männer, jetzt noch 100 Leute. Auch das Nebengebäude mit 3 Zimmern … ist ebenfalls belegt. Der Arbeitsdienst verkehrt mit seinen Führern in meiner Wirtschaft …Ich kann mir daher nicht vorstellen, welche der Wirtschaftsbesucher staats- oder parteifeindlich eingestellt sein sollen.“
Nun begründet Wolf, warum er trotz Verbotes in der Gaststätte mithalf: „Die kollossale [!] Beanspruchung der Wirtschaft durch den Arbeitsdienst und die Westwallarbeiter haben es mit sich gebracht, daß ich meinem Sohne in dieser Zeit helfen mußte.“
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Familienverhältnisse
Auch die familiären Hintergründe werden durch Wolfs Aussage deutlich: „Ich selbst habe nie einer Partei oder Parteirichtung angehört. Von 1908 bis 1914 war ich als Siedler im Kreis Posen-Ost …“ Dann nennt er seinen Einsatz als Kriegsfreiwilliger anfangs 1914, eine Verwundung und eine Typhuserkrankung während seiner Kriegsdienstzeit und schließlich seinen Einsatz als Gemeinderat und Bürgermeister. („Ich habe meine besten Kräfte eingesetzt.“) „Ich kann den Vorwurf, der gegen mich erhoben wird, nicht auf mir sitzen lassen und bitte zu veranlassen, daß eine eingehende Untersuchung stattfindet.“ Schließlich kommen noch familiäre Argumente: „Mein Sohn Walter ist Mitglied der Arbeitsfront, seine Frau gehört der Frauenschaft an. Der Vater und Bruder der Frau sind alte Parteimitglieder. Mein Sohn Fritz Wolf gehört der SS an und ist seit November 1939 als Soldat in Posen. Wenn ich gegen die [nationalsozialistische] Bewegung wäre, würde ich nicht dulden, daß meine Söhne in Parteigliederungen tätig sind. Ich selbst bin seit über 30 Jahren im Kyffhäuserbund.“
Nun kommt Wolf abschließend nochmals auf den Grund seines Briefes: „Ich bin … gezwungen, mich an das von Herrn Generalfeldmarschall Göring eingerichtete Beschwerdeamt zu wenden, damit ich endlich von diesem Vorwurf politischer Unzuverlässigkeit frei werde. Eine Erklärung dieser Frage ist schon deshalb vordringlich, weil mein Sohn Walter, der z. Zt. Die Wirtschaft führt, demnächst einrückt und seine Frau an der Wirtschaftsführung deshalb verhindert ist, weil sie erst kürzlich niedergekommen ist.“

Die Untersuchung beginnt
Mitte April 1940 informiert der Speyerer NSDAP-Kreisleiter die Geheime Staatspolizei-Stelle in Neustadt über die „Beschwerdeschrift des Theodor Wolf, Zeiskam“. Zu den darin geäußerten Vorwürfen sollte der Ortsgruppenleiter sowie der frühere Zeiskamer Lehrer gehört werden. Ersatzweise hatte Wolfs Sohn die Erlaubnis zur Führung der Gaststätte unter den mündlich vereinbarten Bedingungen, dass sich Theodor Wolf in der Wirtschaft „wie ein fremder Gast“ verhalte und in der Gaststätte nicht mithelfe, d.h. keine Getränke ausschenke noch Gäste bediene, sonst würde der Sohn die Erlaubnis „wegen Unzuverlässigkeit“ verlieren. Doch nach bereits kurzer Zeit ging in Germersheim die Nachricht ein, „dass der Vater W. in der Wirtschaft schalte u. walte, wie wenn er und nicht der Sohn der Erlaubnisinhaber wäre. Trotz Ermahnungen arbeitete W. sen. im Betrieb mit … [Der Sohn verhindere nicht,] dass sein unzuverlässiger Vater an der Geschäftsführung wesentlichen Anteil nahm.“ Da der Regierungsrat dann aber seine Stelle in Germersheim verließ, konnte er über die weiteren Vorgänge keine Auskunft geben.
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Die Unterschriftenliste von 1919
Am 22. Mai 1940, also vier Monate nach dem Schreiben, das Theodor Wolf nach Berlin schickte, wurde er in Zeiskam auf das Bürgermeisteramt bestellt und ihm ein Zettel vorgelegt. Es handelt sich dabei um die Liste, auf der sich die Unterzeichner „als Anhänger der Vereinigung zur Gründung der ‚Freien Pfalz‘ bekennen“. An zweiter Stelle ist die Unterschrift von Theodor Wolf, Beruf Händler aus Zeiskam zu erkennen. Links daneben ist ein Geldbetrag von „1,50“ eingetragen, neben der unleserlichen Unterschrift ist der Name Wolf leichter lesbar ergänzt.
Dazu gibt Wolf zu Protokoll, das mit einem Stempel der Geheimen Staatspolizei Neustadt, Abtl. III und der Ortsangabe Zeiskam versehen ist: „… Die mir heute gezeigte Unterschriftsleistung auf einer Liste, auf welcher ich mich als Anhänger der Vereinigung zur Gründung der ‚Freien Pfalz‘ bekenne, muss ich als eine von mir gegebene Unterschrift erkennen. Es ist mir heute nicht mehr möglich anzugeben, wann, wo und bei welcher Gelegenheit ich diese gegeben habe. Auch ist mir nicht erinnerlich, dass ich bei einer solchen Unterschriftenleistung den Betrag von 1,50 Mark abführte.“

Die Zeugenaussagen: Ortsgruppenführer
Am gleichen Tag wurde nun der Ortsgruppenführer zu der Angelegenheit gehört. Dieser gab zu Protokoll, dass es sich bei der Versammlung im Herbst 1919 in der Wirtschaft „Zur Sonne“ um eine Gemüsebauernversammlung handeln sollte. Bei den einleitenden Worten des Redners wurde ihm aber klar, dass es sich um eine Gründungsversammlung der „Freien Pfalz-Bewegung“ handelte. Deshalb habe er sofort seinen Lehrerkollegen herbeigerufen: „Ich bat diesen, mit mir die Versammlung in der Absicht zu besuchen, um sie zu sprengen.“ Am Rednertisch habe er neben zwei Separatistenführern auch Theodor Wolf gesehen. Er räumt dann allerdings ein: „Von einer aktiven Zugehörigkeit des Wolf zu einer Separatistenorganisation ist mir nichts bekannt. Ich kann über Wolf keine nachteiligen Angaben über etwaige gute Beziehungen zu franz. Besatzungsbehörden machen.“
Abschließend gibt der Ortsgruppenführer dann seine persönliche Meinung über Wolf wieder: „Theodor Wolf habe ich als einen Menschen kennen gelernt, der ein großes Geltungsbedürfnis besitzt und sich mit besonderer Pose als Freund und Wohltäter der Armen aufspielt. In den Jahren vor 1933 hat er sich als absoluter Gegner zur NSDAP zu erkennen gegeben. Uns Nationalsozialisten hatte er nur als Idioten bezeichnet. In einem Prozess gegen mehrere SA-Leute von Zeiskam vor dem Landgericht in Landau, in welchem Wolf als Zeuge auftrat, gebrauchte er die Äußerung: ‚Die SA hatte sich benommen wie Menschen ohne Gehirn.‘ Es handelte sich hier um eine Straßenschlacht, die zwischen SA-Angehörigen und Reichsbannerleuten in Zeiskam stattfand. Auch heute muss ich auf Grund meiner fast täglichen Wahrnehmungen den Wolf nicht als eine staatsbejahende Person bezeichnen…“
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Die Zeugenaussagen: Gemüsebauern
Der nächste zu vernehmende Zeuge der Versammlung von 1919 gab an, sich selbst nicht innerhalb des Lokals aufgehalten zu haben, sondern nur bis in den Flur gekommen zu sein. „Von dort aus sah ich, dass der Händler Theodor Wolf an einem Tisch Platz genommen hatte, wo sich mehrere fremde Personen befanden. Die Ausführungen der fremden Personen habe ich nicht [mehr] vernommen … Ich sah nur, dass Wolf sich am Rednertisch aufgestellt hatte und folgende Äußerung gebrauchte: ‚Wir bekommen dann eine besser Möglichkeit, um ins rechtsrheinische Gebiet zu kommen.‘ Da es in dieser Versammlung sehr laut herging, konnte ich die Ausführungen des Wolf nicht ganz erfassen.“ Er habe später aus den Erläuterungen anderer Besucher entnehmen, „dass Wolf seine Ausführungen dahin machte, wenn die Gemüsebauern ihre Unterschrift als Anhänger für die ‚Freie Pfalz-Bewegung‘ abgeben, dann würden diese den sogenannten Brückenpassierschein bekommen, mit welchen sie dann in Mannheim ihre Erzeugnisse verkaufen können. Mit Wolf habe ich mich nie über die ‚Freie Pfalz-Bewegung‘ unterhalten …“

Ein weiterer Zeuge sagte aus: „Im Jahre 1919 war ich Besitzer einer Dreschmaschine mit Lokomobile. Da ich zu jener Zeit nicht wusste, von welcher Behörde oder auf welche Weise ich zum Betrieb meiner Dreschmaschine die notwendigen Kohlen bekomme, hatte ich mich einmal … mit Theodor Wolf unterhalten.“ Scheinbar versprach ihm Wolf, dass er, wenn er einen Brief von ihm „... im Eckhaus der König- und Gerberstraße in Landau, wo sich das Cafe befindet“, abgeben würde, könnte er Kohlen erhalten. „Die Beschriftung des Briefumschlages kann ich heute nicht mehr angeben. Erinnerlich ist mir aber, dass dieser Brief an den Führer der ‚Freien Pfalz-Bewegung‘ in Landau gerichtet war. … Der Name des Cafehausbesitzers ist mir nicht bekannt. Als ich den Brief in dem vom [!] Wolf bezeichneten Büros [im zweiten Stock des Cafés] abgegeben hatte, frug mich eine damals etwa 30-jährige Mannsperson, ob ich Mitglied der ‚Freien Pfalz‘ werden wolle. Dies habe ich strikt abgelehnt, weil ich lieber meinen Betrieb stillgelegt hätte. Zu dem Briefinhalt wurden an mich dort keine Fragen gestellt. Ich habe von dort auch keine Kohlen vermittelt bekommen. Meine erforderlichen Brennstoffe habe ich später von einem hiesigen Kohlenhändler bekommen. Über ein weiteres staatsabträgliches Verhalten des Wolf während der Separatisten- und Besatzungszeit kann ich keine nachteilige[n] Angaben machen.“

Untersuchungsergebnis
Nach diesen ganzen Untersuchungen wurde Theodor Wolf im Mai 1940 von der Gestapo als „Separatist“ und in einem „Verzeichnis der ehemaligen Separatisten im Gend.-Postenbereich Bellheim“ karteimäßig erfasst. Dort ist über ihn zu lesen: „Ist heute noch ein Gegner der NSDAP. Er ist als Staatsfeind zu bezeichnen.“ Im März 1942 findet sich eine erneute Notiz der Gestapo in Neustadt: „Theodor Wolf wurde heute erneut für die A-Kartei überprüft. Es wurde Antrag gestellt, den Genannten nicht weiter in der A-Kartei zu führen.“
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(Hartwig Humbert, Zeiskam, 2025)


Quellen
Die in diesem Beitrag verfassten Aussagen von Theodor Wolf und den Zeugen stammen aus folgendem Archiv-Dokument:
  • Gestapo-Akte Wolf Theodor. Landesarchiv Speyer H 91 Nr. 14.224.

Literatur

Humbert, Hartwig (2022)
Im Konflikt mit dem Staat: Justizverfahren und Lebensbilder Zeiskamer Bürger in der Zeit des Nationalsozialismus. Ein Quellenlesebuch. Zeiskam.
Schnell, Edgar (1995)
Zeiskam im Dritten Reich. Zeiskam/Landau.

Gasthaus Adler Hauptstraße 56 in Zeiskam

Schlagwörter
Straße / Hausnummer
Hauptstraße 56
Ort
67378 Zeiskam
Fachsicht(en)
Landeskunde
Erfassungsmaßstab
i.d.R. 1:5.000 (größer als 1:20.000)
Erfassungsmethode
Auswertung historischer Fotos, Literaturauswertung, mündliche Hinweise Ortsansässiger, Ortskundiger

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Hartwig Humbert (2025): „Gasthaus Adler Hauptstraße 56 in Zeiskam”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-356673 (Abgerufen: 4. Dezember 2025)
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