Eines der ältesten noch erhaltenen Basaltkreuze ist das Grabkreuz der Eheleute Hermann und Margarete Salzfaß. Bei den Eheleuten soll es sich um die frühesten Angehörigen dieser Familie in Linz handeln, dessen prominentester Vertreter wohl der Namensvetter des Verstorbenen ist, der mehrfache Bürgermeister Hermann Salzfaß, Kaufmann und Wirt der Herberge „Im Heiligen Geist“ am Marktplatz, heute Haus Nr. 23. An die Familie erinnert im heutigen Stadtbild noch der Straßenname „Salzfassmauer“. Am Rande des Gräberfelds nördlich der Kirche steht das Grabkreuz von Hermann Mudder, ein weiterer prominenter Linzer Gastwirt. Der aus Köln stammende Hermann Mudder (oder Mudden) erscheint erstmals im April 1596 im Linzer Ratsprotokoll als Wirt des unmittelbar am Rheintor gelegenen „Scharfen Ort“ (heute Burgplatz 13). 1614 kaufte er das auch „Im Goldenen Löwen“ genannte Haus von Adolf Damian Neissen, isenburgischer Rat und Schultheiß von Linz, dessen schon stark verwitterte Grabplatte sich ebenfalls auf dem alten Friedhof findet.
Gleich mehrere Grabsteine haben sich von Angehörigen einer besonders prominenten Linzer Familie erhalten, der Familie Kastenholz: Auf dem Gräberfeld gegenüber dem Westportal der Kirche steht das Grabkreuz der Eheleute Wilhelm und Gertrud Kastenholz. Wilhelm, der studiert hatte und verschiedene städtische Ämter durchlief, und Gertrud waren die Eltern des späteren Zollschreibers, Schöffen und Bürgermeisters Augustin Kastenholz, der während des Dreißigjährigen Kriegs am 22. Februar 1633 von schwedischen Truppen auf dem Marktplatz hingerichtet wurde. Das Grabdenkmal von Augustin Kastenholz und seiner Ehefrau Catharina Kessel findet sich unweit vom Grabkreuz der Eltern eingemauert am Treppenaufgang zum Westportal der Martinskirche. Es handelt sich um das erst 1961 im Erdreich nahe der Kirche wieder entdeckte Fragment einer Basaltplatte mit der Inschrift MEMENTO MORI, darunter in einem Schild die Initialen der Eheleute über den Familienwappen, dem bekannten Baumstamm mit Kugeln oder Früchten, und daneben ein Kessel. Nicht das Familienwappen zeigt hingegen der Grabstein des 1632 gestorbenen Johann Kastenholz östlich des Hochkreuzes, hier ist in der Mitte sein Hauszeichen, ein Küferzirkel mit nach unten gerichtetem Pfeil, zu sehen.
Das Grabdenkmal des Ehepaars Kastenholz stammt wie die meisten auf dem alten Friedhof erhaltenen Epitaphe oder Grabplatten aus der Martinskirche. Denn auch in der Kirche wurden über Jahrhunderte Tote in Grüften bestattet. Bis auf eine Messingplatte von 1531 wurden aber bis zum Ende des 19. Jahrhunderts alle Grabplatten aus der Kirche entfernt, ein Teil 1834 angeblich zur Abdeckung des bis dahin offen durch die Stadt fließenden Bachlaufs benutzt. Auch Grabplatten aus der 1818 abgebrochenen Ratskapelle auf dem Marktplatz wurden auf den Kirchhof gebracht. Besonders außergewöhnlich ist die Gedenkplatte der Eheleute Laurenz Cloes und Maria Muler (oder Mullener) in der Kirche, denn sie ist aus Gusseisen und stammt mit einiger Sicherheit aus einer der Hüttenwerke, die die Familie im nahen Westerwald betrieb.
Aus dem 19. und 20. Jahrhundert schließlich ist auf den jüngsten Gräberfeldern nahe der ehemaligen Stadtmauer ein reicher Bestand von Grabdenkmälern in sehr individuellen Formen und ganz unterschiedlichen Kunstrichtungen zu entdecken. So spiegelt sich etwa der um 1800 vorherrschende Klassizismus besonders deutlich in den Grabstelen zweier Linzer Lehrer wider: Zum einen das Denkmal für Wilhelm Lahaye, eine in jeder Hinsicht typisch für den Klassizismus kannelierte, also gefurchte Sandsteinsäule, um die sich Steinband mit geflügeltem Totenkopf und Schmetterling als Symbole für Vergänglichkeit und Auferstehung windet, auf der Rückseite die Attribute des Priesters Kreuz und Kelch. Ebenfalls eine Säulenform, hier allerdings dickbauchig, hat die u.a. mit Girlanden aus Laub und Blüten sowie Palmblättern verzierte Grabstele des Lehrers Koll. Ein weiteres Beispiel für im Stil des Klassizismus sind die Grabdenkmäler der Familien Hillenbrand und Steffens oder auch die Grabplatte der 1817 gestorbenen Felicitas Kügelgen an der Nordwand der Kirche, die im oberen Bereich eine Urne zwischen Fackeln, Pfeil und Palmzweigen zeigt.
Einem idealisierten Mittelalterbild folgen die Grabdenkmäler in Stil der Neogotik, etwa jene der Familien Neuerburg, Scheid oder auch die Grabstätte der freiherrlichen Familie Gerolt zur Leyen, die über Jahrhunderte in der Stadt ansässig war. Ihr erster Vertreter in Linz war der kurkölnische Rat und Hofkontrolleur Georg Gerolt, der 1623 u.a. die Burgruine zur Leyen erwarb, die heutige Burg Ockenfels, seither auch Geroltsburg genannt. Linzer Wohnsitz der Familie war der ebenfalls 1623 errichtete Geroltshof in der Gymnasialstraße, wo heute der Geroltsbogen die Seilerbahn überspannt. Nur wenige Schritte entfernt ist ein für Linz ebenso bedeutender Politiker und Ehrenbürger der Stadt begraben: Julius Lerner, der fast vier Jahrzehnte von 1871 bis 1910 Bürgermeister der Stadt war, in vielerlei Hinsicht politisch Einfluss ausübte und bedeutende Weichen für die städtische Entwicklung stellte.
Die stilistische Vielfalt der Grabsteine reicht bis hin zur figürlichen Gestaltung. So kennzeichnet etwa die Grabstätte der Familie Franz Feith eine lebensgroße Figur des heiligen Franziskus, dem Namenspatron des Familienvorstands. Die Familie Feith war von 1821 bis 1950 im Besitz von Burg Linz, die daher auch als „Feiths Burg“ bekannt ist. Nur unweit davon trifft man auf das Grab von Philipp Blumenthal, Mitbegründer des 1864 entstandenen bedeutenden Handelsgeschäftes der Gebrüder Blumenthal, später Sektkellerei. Neben Firmengründer Philipp Blumenthal ist dessen Sohn Egidius begraben. Der Chemiestudent wurde mit nur 25 Jahren aus dem Leben gerissen, und das Grabdenkmal, ein überlebensgroßer Engel auf einem Sockel aus schwarzem Marmor, der mit gesenktem Blick im Begriff scheint, eine Rose auf die Grabstätte fallen zu lassen, lässt die Trauer der Mutter um ihren Ehemann und ihren Sohn bis heute spüren.
(Andrea Rönz, Stadtarchiv Linz am Rhein, 2025)
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archivlinz.hypotheses.org: Streifzug über den alten Friedhof an St. Martin (abgerufen 17.11.2025)