Hintergrund zur Statuette
In die Zeit der Römer im 1. Jh. n.Chr. wird die Figur des Jünglings datiert. Die vermutlich nur zum Teil vollgegossene Figur ist auf einer Basis festgelötet. Offenbar hatte der Jüngling in der rechten Hand einen Gegenstand, der nicht erhalten ist. Neugebauer vermutet darin einen Stab, den er versuchsweise nachstellte. Zudem fehlt ihm der kleine Finger der rechten Hand. Die linke Brustwarze erscheint abgerieben, auch ein Teil der Schambehaarung.
„Ein Jüngling in voller Jugendblüte“
„An der rechten Brustwarze, am Gliede und an der rechten Ferse sticht [die Bronzefarbe besonders] hervor wie blankes Gold, im Haar hinten, am Nasenrücken, an der Rumpfmuskulatur vorn, an den Oberschenkeln erscheint sie etwas matter und dunkler in einer ganz flachen, unregelmäßig begrenzten und vielfach von dem tiefer liegenden Grün durchsetzten Oberschicht, am Rücken unterhalb der Schulterblätter, an beiden Ellenbogen wie am linken Glutaeus schimmert sie nur sanft hervor …“, schreibt Neugebauer. „Dargestellt ist ein Jüngling in voller Jugendblüte. Athletisch mutet höchstens der Rumpf an, der über der in klassischer Weise durchgeführten Bauchgrenze mit klarer Angabe seiner Muskeln zu den breiten Schultern aufsteigt; auch der Hals ist verhältnismäßig stark. Fest und schön geformt sind die Beine, von beschwingteren Umrissen die kräftigen, aber fettlosen Arme. Zarter erscheint die Bildung des kurz gelockten Kopfes. Der ganze Aufbau hat nichts Heldisches …“ Am kleinen Finger der linken Hand trägt der Jüngling einen Ring. Auch die Andeutung eines Schmucksteins ist noch zu erkennen.
Auf der Fahrt im Rhein verloren
Zum Fundort schreibt Neugebauer: „Die Lage der Ansiedlung, aus der die Statuette stammt, läßt sich nicht erraten. Denn eine Besiedlung der Rheinniederung, in der sie ausgegraben wurde, ist (…) für das Altertum bisher sonst nicht bezeugt; die Funde aus dieser Gegend, vom Neolithikum an bis in die spätrömische Zeit reichend, stammen alle von dem westlich jener Niederung ansteigenden Hochufer, an dessen Rande Mechtersheim selber liegt. So muß die Statuette wohl während eines Transportes unter die Erde gekommen sein, und es läßt sich nicht einmal sagen, ob sie ein Gebäude in der Nähe des Rheines geziert oder ob sie als Lieblingsstück zu dem Gepäck eines vornehmen Römers gehört hat.“
Der selbstverliebte Narziss oder doch Asklepios?
Der Archäologe diskutiert in seinem Bericht die Statuette als Abbildung des Jägers Meleagros, ein Jäger aus der griechischen Mythologie, als auch Asklepios als Gott der Heilkunst. Er schließt aber endlich auf den Jüngling Narziss (Narkissos), der in eitler und selbstgefälliger Art, „ von der Jagd ermattet, zu einer Quelle gelangt, in ihr sein Bild erblickt und in Liebe zu diesem entbrennt“. Vielleicht stand die Statuette als Brunnendekoration eines Hauses und blickte, wie in der sage auf das sich spiegelnde Wasser.
Begeistert beschreibt Neugebauer die Feinheit der Bronzefigur. Sogar der Verlauf von Arterien lassen sich auf der Oberfläche erkennen. Die Augen „bestehen aus in die Höhlen hineingehämmerten Silbereinlagen. Die Iris erhebt sich in flacher Wölbung über die Umgebung, die Pupille aber ist als eine mäßig tiefe Mulde leer gelassen worden. [… Sie] sollte durch ihre Beschattung wirken … Das Haupt des Narkissos hängt milde zu der offenen Seite des Aufbaus herab ... Das Affektierte dieser Haltung wird durch eine übermäßige Schlankheit der Finger noch gesteigert … Der Narkissos übertrifft weit nahezu alle Bronzen aus der Rheingegend an Güte der Ausführung.“ Die herstellende Werkstätte der Figur vermutet der Archäologe „im Innern Galliens, vielleicht sogar im Süden der Provinz“.
Heute befindet sich die Statuette, da der Fundort nach der Rheinbegradigung zu Baden-Württemberg gehört, im Badischen Landesmuseum in Karlsruhe (Inventar-Nr. C 504). Dort geht man jedoch eher vom Abbild des Asklepios aus: „Die Figur zeigt den Gott, der einst in der Rechten den heute verlorenen Schlangenstab mit sich führte, in Gestalt eines unbekleideten Jünglings mit wohlproportioniertem, athletischem Körperbau. Jugendlichkeit, Nacktheit und perfekte Körperlichkeit sind wesentliche Elemente des antiken Schönheitsideals. Darüber hinaus versinnbildlichte die Schönheit des Asklepios Allmacht, Vollkommenheit und übernatürliche Aura, die dem göttlichen Wesen zu eigen waren.“ Eine Kopie der Statuette besitzt das Historische Museum der Pfalz in Speyer.
(Hartwig Humbert, Heimat- und Brauchtumsverein in Römerberg, 2024)
Internet
katalog.landesmuseum.de: Bronzestatuette des Asklepios (abgerufen 25.07.2025)
i3f.vls.io: Karte über den Lauf des Rheins längs der badisch-französischen Grenze nach dem Stande der Jahre 1838 & 1861 und längs der badisch-bayerischen Grenze nach dem Stande der Jahre 1817 & 1861, siehe auch Abbildung in der Mediengalerie (abgerufen 25.07.2025)