Welschneudorfer Wald von der Eiszeit bis heute

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Fachsicht(en): Landeskunde
Gemeinde(n): Welschneudorf
Kreis(e): Westerwaldkreis
Bundesland: Rheinland-Pfalz
Koordinate WGS84 50° 22′ 27,66″ N: 7° 46′ 53,82″ O 50,37435°N: 7,78162°O
Koordinate UTM 32.413.363,09 m: 5.580.963,52 m
Koordinate Gauss/Krüger 3.413.403,47 m: 5.582.756,29 m
Nach dem Ende der letzten Eiszeit vor gut 12.000 Jahren, konnte sich auch in unserer Region der Wald auf den eisfreien Flächen ausbreiten. Verhältnismäßig starke Niederschläge begünstigten die Ausbreitung von Kiefern, Weiden, Erlen und Birken. Vor ca. 10.000 Jahren wurde es dann deutlich wärmer und es entstanden artenreiche von der Eiche und Hainbuche geprägte Mischwälder. Diese Phase dauerte fast 4.000 Jahre an. Etwa 6.000 v. Chr. wurde es wieder kälter und es regnete mehr. Dies begünstige das Ausbreiten der Buche, die als konkurrenzstarke Baumart die Eiche bis auf wenige Sonderstandorte verdrängte. Es entstanden wahre Urwälder. Frostunempfindliche Fichten, Tannen und Kiefern konnten sich nur in den montanen Höhenlagen halten, da es dort für die Buche zu kühl war. Hier in unserer Region kam ursprünglich nur der Wachholder als Nadelgehölz vor.

Die Römer nahmen ersten merklichen Einfluss auf die Wälder. Etwa 1.000 n. Chr. übernimmt der Mensch dann endgültig die Hoheit über die Ausbreitung und Gestaltung des Waldes. Mit jeder Bevölkerungszunahme drang der Mensch mehr und mehr in den Wald vor und verringerte die Waldfläche. Der Mensch brauchte Siedlungsfläche, Ackerland, Wiesen und Bauholz. Zudem wurde der Wald als Viehweide genutzt. Im Mittelalter, das auch als „Hölzernes Zeitalter“ bezeichnet wird, hat sich immer wieder die Ausdehnung der Waldfläche zur Feldfläche stark geändert; ging die Bevölkerung zurück, z.B. durch die Pest oder Kriege, nahmen die Waldflächen wieder zu.

Mit dem Beginn der Industriellen Revolution wurden Unmengen von Holz für die Holzkohleproduktion benötigt. Um den immensen Brennholzbedarf zu decken, entwickelten sich verschiedene Waldbewirtschaftungsformen. Bei der weit verbreiteten Niederwaldwirtschaft (schon seit dem 15. Jh. in der Umgebung von Welschneudorf nachweisbar) wurde alle 20 bis 30 Jahre eine Fläche komplett gerodet. Vor allem Eiche und Hainbuche trieben aus dem Stock wieder aus und neuer Wald entstand, der allerdings von geringerer Wüchsigkeit und Holzqualität war. Die Jungwüchse blieben wegen des steten Verbisses durch Weidevieh krüppelig. Zudem waren Eichenstockausschlagwälder in unserer Region noch bis ins 19. Jahrhundert zur Herstellung von Lohe (zerkleinerte Rinde, die von jungen Eichen geschält wurde), die man zum Gerben benötigte, wichtig (es gibt heute noch in Welschneudorf die Gemarkungsnamen Lohberg und Lohbergshecke). Die Streulaubnutzung (Einstreu für das Vieh im Stall) entzog dem Wald Humus und durch den Schweineeintrieb fehlten große Mengen an Eicheln und Bucheckern, die der Wald für einen natürlichen Verjüngungsprozess benötigte. Die Folgen waren so verhängnisvoll, dass die Landesherren an der Wende vom 18. Zum 19. Jahrhundert begannen, die Wälder planvoller zu nutzen und umzugestalten.

Nach Gründung des Herzogtums Nassau wurde im September 1815 das Forstedikt erlassen. Die Maßnahmen führten zur Abschaffung der Waldweide, Streulaubnutzung, Laubheugewinnung und der Einschränkung der Schweinemast in den Wäldern. Die Blößen sollten aufgeforstet und der Niederwald in Hochwald umgewandelt werden. Nadelhölzer sollten als „Vorkultur“ vor allem in den Hochlagen angepflanzt werden. Die Waldböden waren vergrast, versumpft und teilweise sehr nährstoffarm und versauert. Die Böden waren derart herunter-gewirtschaftet, dass an eine Aufforstung mit Laubbäumen nicht zu denken war. Auch hier hielt dann die Fichte und die Kiefer den Vorzug. Allerdings war die Beschaffung von Saatgut sehr schwierig.
Insgesamt hat sich die Ausdehnung der Waldflächen innerhalb der Gemarkung von Welschneudorf wahrscheinlich seit Anfang des 19. Jahrhunderts nicht mehr wesentlich verändert. Das Verhältnis Wald zu Feld blieb weitgehend stabil. Kahlflächen entstanden in Folge der beiden Weltkriege durch die sog. „Reparationshiebe“ der Siegermächte. Alte Buchen, Fichten und Eichen wurde eingeschlagen und abtransportiert. Nach dem zweiten Weltkrieg gab es fast kein Saatgut und die Wiederaufforstungen zogen sich lange hin.
Dort wo vorher die Buche stand, fand sie sich auf den Kahlflächen weitgehend durch Naturverjüngung von selbst ein. Fehlstellen wurde mit Lärchen und Fichtenpflanzen ergänzt. Nadelholzkahlflächen wurden i.d.R. erneut mit Fichte aufgeforstet.
In den letzten 60 Jahren entstanden in unserem Gemeindewald Kahlflächen durch mehrere Windwürfe der Baumart Fichte, auf den auch der Borkenkäfer folgte. Die Aufforstungen wurden anschließend weitgehend mit Laubholz vorgenommen. Die älteren Buchenbestände wurden in Welschneudorf von Anfang an fast ausschließlich natürlich verjüngt. Dazu wurden, schmale Streifen von Buchen entnommen. Diese schmalen Säume waren von der Hauptwindrichtung (Nordosten) abgewandt. So konnten sich die Samen mit Hilfe des Windes verbreiten und die natürliche Verjüngung begünstigen. Dieses Verfahren bezeichnet man als Schaumschlagverfahren.
Mit der Erkenntnis, dass große Kahlflächen sehr nachteilig für den Wald sind, etablierte sich in den letzten 20 Jahren der Grundsatz der „naturgemäßen Waldwirtschaft“, die auch im Landeswaldgesetz verankert ist. Die Bewirtschaftung nimmt sich Prozesse der Urwälder zum Vorbild.

Eine echte Zäsur für die Wälder ist der menschengemachte Klimawandel, der sich im Gemeindewald Welschneudorf seit 2019 durch das flächige Absterben geschlossener Fichtenwälder sehr dramatisch darstellt. In dieser Zeit sind auf ca. 1/3 der Fläche des Gemeindewaldes alle Fichten durch den Borkenkäfer abgestorben. Die Gemeinde Welschneudorf hat entschieden, das Holz der abgestorbenen Fichten zu nutzen und anschließend neuen Wald anzupflanzen. Im Jahr 2026 sind voraussichtlich alle geplanten Aufforstungen abgeschlossen. Es wurden überwiegend Eichen, Buchen, Weißtannen und Douglasien in Mischung gepflanzt. Die Natur ergänzt die bewusst stammzahlarme Aufforstung mit natürlich ansamenden Baumarten. Diese Vielfalt soll langfristig das Ausfallrisiko einer oder mehrerer Baumarten im Waldökosystem reduzieren und großflächige Kahllagen verhindern. Das Schreckensbild der abgestorbenen Fichten und öden Kahllagen könnte in naher Zukunft in Vergessenheit geraten. Aber das zunehmend warme und trockene Klima wird dem Wald weiter zusetzen. Es gibt keine Entwarnung. Es bleibt zu hoffen, dass das heimische Laubholz sich dem Klimawandel anpasst und die Aufforstungen mit Mischwäldern die Ausfälle minimieren helfen.

(zusammengestellt von Marco Kilian, Welschneudorf, 2025)

Quelle:
Revierförster Gebhard Klein

Literatur

Bernhard, Karlheinz (1994)
Die Entwicklung der Forstwirtschaft in Nassau seit Anfang des 19. Jh.. o. O.
Hildebrandt, Helmut; Heuser-Hildebrandt, Birgit; Stumböck, Max (2001)
Bestandsgeschichtliche und kulturlandschaftsgenetische Untersuchungen im Naturwaldreservat Stelzenbach, Forstamt Nassau, Revier Winden. o. O.

Welschneudorfer Wald von der Eiszeit bis heute

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Welschneudorf
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Literaturauswertung, Vor Ort Dokumentation, mündliche Hinweise Ortsansässiger, Ortskundiger

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Marco Kilian: „Welschneudorfer Wald von der Eiszeit bis heute”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-356428 (Abgerufen: 23. Juni 2025)
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