Der Brunnen- und Wohnturm nutzt die Nordmauer eines Vorgängerbaus. Das Brunnenhaus hat einen halbrunden Grundriss, die komplizierte Schöpfeinrichtung ist vom Hof und Keller aus benutzbar. Zwei rechteckige Wohngeschosse sind auf die halbrunde Brunnenstube aufgesetzt und mit dem Hauptgebäude über Durchgangstüren verbunden. Einige Bauinschriften sind noch deutlich erkennbar. Am Brunnenschacht:
„1429 HIC FONS PER DOC(torem) WY(nandum) FAC(tus)EST CXL FFLORE(nis)“ (Übersetzung: 1429 wurde dieser Brunnen von Winand für 140 Gulden gemacht).
Außen am ersten Wohngeschoss ein für unser heutiges Verständnis sehr rätselhafter Hinweis auf Kosten und Fertigstellung von Brunnen und Turm im Jahre 1433:
„SP(r)INGFO(n)S CU(m) TURRI / QUI(n)GE(n)TOS; EBIBIT AU(r)I / WINA(N)DO P(ost) M DOM(in)I / QUAT(er) C TRIPIL XI / POST OBITU(m) DOC WY / DOS DOTIS SU(m) P(ro)PE PETRI.“ Zwei Wappensteine des Winand befinden sich ebenfalls dort. Hervorzuheben sind die figürlichen und vegetabilen Wandmalereien an der Außenfassade.
Im Inneren
Der Turm besitzt zwei eisenbeschlagene Türen. Die untere zeichnet sich durch Renaissance-Verzierungen und eine gemalte Umrahmung im gleichen Stil aus. Im unteren Raum befinden sich Wandnischen, um die doppelte Eisentür gruppiert. In der oberen Stube ist ein Kamin eingebaut. Eine seltene Blockstufentreppe führt zum Dachraum. Wie auch an der Außenfassade befinden sich im Innenraum, hier insbesondere im Treppenturm und in den Räumen, die ins zweite Viertel des 15. Jahrhunderts datiert werden. Besondere Beachtung verdient das Wandbild im oberen Stockwerk mit zwei Personen. Es zeigt einen Mann mit Jakobsmuschel, die ihn als Pilger ausweist. Der Mann reicht einer Frau eine Münze. Die Frau mit Schürze hat in der rechten Hand einen Kochlöffel. Das soll sie möglicherweise als Köchin/Hausfrau kennzeichnen. Nach einer anderen Deutung hält die Frau einen Spiegel mit Griff in der Hand. Mitunter wird dieses Bild als Verlobungsbild interpretiert. Belege dafür sind aber nicht bekannt.
Kulturdenkmal
Der Winandtturm wird als Bauteil des Gebäudekomplexes Posthof in den Nachrichtlichen Verzeichnis der Kulturdenkmäler im Kreis Mainz-Bingen geführt (Stand 14. Mai 2025). Der Eintrag lautet:
„Oberstraße 45/47/49
'Posthof', Baukomplex des 15.-16. Jh.; Hofgebäude um 1430, Renaissance-Fachwerk-OG bez. 1593, 'Winandturm' 1429-33; spätmittelalterlicher-frühneuzeitlicher Keller; Vorderhaus: prächtiger Renaissancebau mit Zierfachwerk, 1593; Renaissance-Torfahrt.“
(Reinhard Blaik, Büro viriditas, Weiler, 2025)