Gründung und Entwicklung
Schließung
Letzte Zeugnisse der Fabrik
Literatur und Quellen
Gründung und Entwicklung
1913 gründeten Hermann Balkhausen (Bauunternehmer zu Frechen), seine Brüder Peter und Johann sowie Josef Zündorf, Paul Meyer und Jakob Firmenich die Frechener Steinzeugröhren-Fabrik GmbH an der Bachemer Straße (heute Hubert-Prott-Straße 87-89). „Gegenstand des Unternehmens ist die Fabrikation und der Vertrieb von glasierten Steinzeugwaren und verwandter Fabrikate“ - so lautet §3 des Gesellschaftervertrages vom 6. Februar 1913. Wenige Tage später beantragte der Geschäftsführer Hermann Balkhausen die Errichtung einer Fabrikanlage mit vier Kammeröfen und einem 45 Meter hohen Kamin (Stadtarchiv Frechen 1389/41). 1927 wurde ein Erweiterungsbau in nordwestlicher Richtung vom Ursprungsgebäude mit weiteren vier Kammeröfen und einem 45 Meter hohen Schornstein genehmigt (Stadtarchiv Frechen 1389/03, 05, 16; 1388/11). Das Ursprungsgebäude wurde mit etwas Abstand zum Altbestand in dessen Verlängerung „gespiegelt“. Im selben Jahr folgte die Bebauung der „Lücke“ mit einem monumental gestalteten, viergeschossigen und fünfachsigen Zwischenbau, der beide Ofengebäude miteinander verband. Im flachen Dreiecksgiebel dieses Zwischenbaus, dessen Architekt bzw. Baumeister Hermann Balkhausen selbst war, prangte in Großbuchstaben der Fabrikname „FRECHENER STEINZEUGRÖHRENFABRIK GMBH“ (Stadtarchiv Frechen, 1388/22, 23, 27; 1388/11).
1941 (Tonschuppen; Stadtarchiv Frechen 8237/01-06) und 1952 (Erweiterungsbau, Architekt Willi Balkhausen) wurde die Fabrik kontinuierlich in westliche Richtung erweitert, sodass sich zur Bachemer Straße (bzw. Hubert-Prott-Straße) hin eine durchgehende repräsentative Fabrikfassade zeigte. In der ersten Hälfte der 1940er Jahre wurde zudem ein Atelier eingerichtet, in dem der Kölner Künstler Toni Stockheim arbeitete.
1955 wurde der Entschluss für den Bau eines Kammerringofens mit 18 Kammern gefasst. Auf der Jahreshauptversammlung der Gesellschafter am 11.11.1955 „unterstrich (…) Herr Hans Balkhausen die Notwendigkeit zum baldigen Beginn der Errichtung eines Kammerringofens oder Tunnelofens - erstens zur Ausnutzung der noch bestehenden Hochkonjunktur, zweitens um innerhalb der Steinzeugindustrie Schritt zu halten, drittens aber aus der Befürchtung, dass die Kreditmöglichkeit durch etwaige Maßnahmen der Regierung zum Frühjahr hin erschwert werde. Herr Zündorf erläuterte, weshalb die Firma sich dem Baue eines Kammerringofens zuwenden müsse statt eines Tunnelofens. Die Versammlung stimmte übereinstimmend dem Projekt Kammerringofen aus finanziellen Gründen zu (…)“ (Gesellschafterversammlung vom 11.11.1955; Stadtarchiv Frechen, noch nicht registrierte Akten aus dem Werksarchiv Balkhausen). Hierzu war die Errichtung einer Fabrikhalle notwendig, in deren Obergeschoss zudem Trockenkammern vorgesehen waren. Für den Bau des Kammerringofens wurde ein Kredit in Höhe von 500.000 DM beantragt (Schreiben der Kreissparkasse Köln vom 02.12.1955 und vom 27.03.195; Stadtarchiv Frechen, noch nicht registrierte Akten aus dem Werksarchiv Balkhausen). Zweimal fanden Explosionen im Kammerringofen statt (13.11.1962 und 15.01.1966) (Stadtarchiv Frechen, noch nicht registrierte Akten aus dem Werksarchiv Balkhausen).
1963 ging die Firma Balkhausen einen wichtigen Schritt: Sie entschied sich als europaweit erstes Werk dazu, die Befeuerung ihres Kammerringofens auf Erdgas umzustellen (Anmerkung der Bilanz der Firma Frechener Steinzeugröhrenfabrik Balkhausen&Co. am 31.12.1964; Stadtarchiv Frechen, noch nicht registrierte Akten aus dem Werksarchiv Balkhausen). Sie wurde an eine Erdgas-Leitung der Thyssenschen Gas- und Wasserwerke GmbH angebunden, und der Gas-Liefervertrag trat am 23.01.1963 in Kraft (Gaslieferungsvertrag vom 23.01.1963, Stadtarchiv Frechen, noch nicht registrierte Akten aus dem Werksarchiv der Firma Balkhausen).
Schließung
Das Unternehmen gehörte zu den größeren der Branche und beschäftigte 1967 100 Belegschafter (Stadtarchiv Frechen 2002, S. 13). Dennoch konnte es mit den modernisierten großen Werken nicht mithalten. Einem Gesprächsvermerk vom 18.11.1967 zwischen dem Vorsitzenden des Ständigen Ausschusses der Verkaufsgemeinschaft Deutscher Steinzeugwerke und der Geschäftsführung der Firma Balkhausen ist zu entnehmen, dass das Bundeskartellamt seit geraumer Zeit beobachte, „dass ein Teil technisch nicht genügend gerüsteter Werke von den weitgehend automatisch arbeitenden Tunnelofenwerken durchgeschleppt würden“. Dieser Zustand solle bereinigt werden.
Im Jahr 1968 formulierte die Geschäftsführung die Bekanntgabe der Werksschließung wie folgt:
„An alle Teilhaber
Die strukturelle Veränderung der Deutschen Steinzeugindustrie, die erhebliche Änderung des Bedarfs an Kanalisationsmaterial und die erheblich ansteigende Konkurrenz durch Kunststoff- und Schleuderbetonrohre gepaart mit der ansteigenden Auslandskonkurrenz aus den dicht benachbarten Ländern machten schon seit Jahren in steigendem Masse Rationalisierungsmaßnahmen erforderlich. Diese betrafen in erster Linie die Fertigung und das Brennverfahren.
Mit der Entwicklung des Rohres 1,5m lang und nunmehr endgültig 2 m lang in den mittleren und grossen Dimensionen, welches dazu noch werkseitig vermufft geliefert werden muss, wurde seit einigen Jahren beginnend die Erkenntnis klar, dass Steinzeugproduktion sich nur noch konkurrenzfähig und rentierlich halten kann in einem bestmöglich automatisierten und mechanisierten Tunnelofenbetrieb, welcher dazu noch mit genügend finanziellen Reserven ausgestattet ist, dass erhebliche Produktionsrückschläge, zu erwartende Wirtschaftsflauten und technische Weiterentwicklung in eigener und Fremdregie glatt verkraften kann.
Es wuchs in steigendem Masse in der Geschäftsführung unserer Firma die Erkenntnis, dass in der bisherigen Art der sogenannten Mittelbetriebe der deutschen Steinzeugindustrie mit den konservativen technischen Mitteln die Möglichkeit gewinnbringender Produktion von Jahr zu Jahr geringer werden musste und der Zeitpunkt heranrücke, welcher die Zwecklosigkeit weiterer Produktion deutlich mache. (…)
Nach monatelangen Untersuchungen, Verhandlungen und Erörterungen in der Gesellschafterversammlung wurde schliesslich der Beschluss gefasst, die Produktion im Laufe des Jahres 1968 einzustellen.
Heute kann gesagt werden, dass dieser Beschluss zum richtigen Zeitpunkt gefasst worden ist, als nämlich ein Stillegungsangebot der Steinzeugindustrie mit dem Ziel der nicht zu umgehenden Verringerung der Gesamtkapazität an alle Werke erging und ein finanzielles Angebot enthielt, welches durchaus als annehmbar bezeichnet werden muss (…)“.
Die Produktion wurde zum 15.07.1968 eingestellt (Mitteilung zum Stilllegungstermin vom 20.06.1968) - die Firma Balkhausen kam hiermit ihren vertraglichen Verpflichtungen vom 28.05.1968 (Stillegungsvertrag) nach. Im Anschluss an eine Zwischennutzung als Getreidelager wurde das Gelände für eine Wohnbebauung genutzt. In einem vergleichbaren Verfahren beendeten wohl die Firmen A. van Eyk GmbH sowie Conzen & Cie. ihre Produktion (Schreiben der Steinzeug Verkaufsgesellschaft mbH Hannover vom 02.08.1968).
Letzte Zeugnisse der Fabrik
Im Norden der Fabrik Balkhausen ließ der Geschäftsführer der Steinzeugfabrik, gleichzeitig auch Bauunternehmer, Hermann Balkhausen, Einfamilien- und Mehrfamilienhäuser errichten. Die Straßennamen (Hermann-Balkhausen-Straße und Margaretenstraße) verweisen auf den Geschäftsführer Hermann Balkhausen und dessen Frau.
Das eigentliche Fabrikgelände ist kaum noch nachvollziehbar. Lediglich eine Geländekante, der Verlauf der Barbarastraße und eventuell noch vorhandene, aber nicht zugängliche Spuren des Tonlagers sind bauliche Zeugnisse der Fabrik.
Ebenso ist es möglich, dass der Erdgasanschluss aus dem Jahr 1963 im Straßenbereich erhalten ist.
Insgesamt ist das Gelände der ehemaligen Steinzeugfabrik vollständig von der ab 1974 realisierten „Agrippina-Siedlung“ und weiteren Wohngebäuden überprägt.
(Nicole Schmitz, LVR-Abteilung Kulturlandschaftspflege, 2023)
Quellen
- Stadtarchiv Frechen 1389/41, 46, 47, 12, 13: Bauantrag und Pläne Ursprungsbau (Sammlung Bernd Mayerhofer, Ordner Balkhausen, Stadtarchiv Frechen).
- Stadtarchiv Frechen 1389/03, 05, 16; 1388/11: Bauantrag und Pläne Erweiterungsbau (Sammlung Bernd Mayerhofer, Ordner Balkhausen, Stadtarchiv Frechen).
- Stadtarchiv Frechen, 1388/22, 23, 27; 1388/11: Bauantrag und Pläne Zwischenbau (Sammlung Bernd Mayerhofer, Ordner Balkhausen, Stadtarchiv Frechen).
- Stadtarchiv Frechen 1103/08, 13-15: Gleisanschluss (Sammlung Bernd Mayerhofer, Ordner Balkhausen, Stadtarchiv Frechen).
- Stadtarchiv Frechen 8237/01-06: Tonschuppen (Sammlung Bernd Mayerhofer, Ordner Balkhausen, Stadtarchiv Frechen).
- Gesellschaftervertrag vom 06. Februar 1913 (aus dem Werksarchiv Balkhausen, Sammlung Bernd Mayerhofer, Ordner Balkhausen, noch nicht im Stadtarchiv Frechen inventarisiert).
- Erweiterungsbau (aus dem Werksarchiv Balkhausen, Sammlung Bernd Mayerhofer, Ordner Balkhausen, noch nicht im Stadtarchiv Frechen inventarisiert).
- Protokoll der Gesellschafterversammlung vom 11.11.1955 (aus dem Werksarchiv Balkhausen, Sammlung Bernd Mayerhofer, Ordner Balkhausen, noch nicht im Stadtarchiv Frechen inventarisiert).
- Schreiben der Kreissparkasse Köln vom 02.12.1955 und vom 27.03.195 (aus dem Werksarchiv Balkhausen, Sammlung Bernd Mayerhofer, Ordner Balkhausen, noch nicht im Stadtarchiv Frechen inventarisiert).
- Explosionen am Kammerringofen Schadensmeldungen (aus dem Werksarchiv Balkhausen, Sammlung Bernd Mayerhofer, Ordner Balkhausen, noch nicht im Stadtarchiv Frechen inventarisiert).
- Vertrag vom 28.05.1968 (aus dem Werksarchiv Balkhausen, Sammlung Bernd Mayerhofer, Ordner Balkhausen, noch nicht im Stadtarchiv Frechen inventarisiert).
- Mitteilung zum Stilllegungstermin vom 20.06.1968 (aus dem Werksarchiv Balkhausen, Sammlung Bernd Mayerhofer, Ordner Balkhausen, noch nicht im Stadtarchiv Frechen inventarisiert).
- Schreiben der Steinzeug Verkaufsgesellschaft mbH Hannover vom 02.08.1968 (aus dem Werksarchiv Balkhausen, Sammlung Bernd Mayerhofer, Ordner Balkhausen, noch nicht im Stadtarchiv Frechen inventarisiert).