Die Geschichte des Ortes ist seit jeher eng mit dem Rhein als Verkehrsweg und Wirtschaftsfaktor verbunden. Zugleich hatte St. Goarshausen bis ins 19. Jahrhundert eine wichtige politische und strategische Bedeutung zur Sicherung des Flussabschnitts und zur Erhebung eines Rheinzolls inne. Hiervon zeugen noch heute die auf einem Bergsporn über der Stadt thronende Burg Neukatzenelnbogen (genannt „Burg Katz“) sowie die linksrheinisch gegenüberliegende Stadt St. Goar mit Burg und Festung Rheinfels.
Die Ausdehnung des historischen Ortsgrundrisses orientiert sich am Verlauf der ehemaligen spätmittelalterlichen Stadtbefestigung, von der sich Mauer- und Torreste, der runde „Marktturm“ und der viereckige „Ostturm“ in der Denkmalzone erhalten haben. Wie für die Kulturlandschaft des Oberen Mittelrheintals typisch, entwickelte sich im Bereich einer Bacheinmündung ein enges Straßensystem, in dessen Mittelpunkt die rheinparallel verlaufende Burgstraße mit seitlichen Quer- und Traufgassen als direkte Verbindung zum Rhein, der „Plan“ als früherer Marktplatz und eine kleinteilige Parzellenstruktur stehen. Dieser Ortsgrundriss hat sich gemäß des Kataster-Uraufnahmeblattes seit mindestens 1876 unverändert erhalten.
Innerhalb der Stadtbefestigung besteht der älteste erhaltene Baubestand aus Gebäuden des 16./17. Jahrhunderts, darunter das ehem. Rathaus (bez. 1532). Gemeinsam mit den Bauten des 18. und 19. Jahrhunderts prägen sie das charakteristische Orts- und Straßenbild der Denkmalzone. Es handelt sich dabei vorwiegend um eine dichte Bebauung aus in Fachwerk- und Massivbauweise ausgeführten Wohn- und Wirtschaftsgebäuden kleinbürgerlichen Charakters der im Ort häufig nachweisbaren Fischer, Schiffer und Winzer sowie um ehemalige Gaststätten. Hochwasserbedingt besitzen die zumeist zwei- bis dreigeschossigen Gebäude in der Regel massiv (oftmals in Bruchstein und Grauwacke) ausgeführte Hochkeller, Sockelzonen oder Erdgeschosse mit höhergelegenem Eingang. Ihre Fassaden treten mehrheitlich verputzt und/oder verschiefert auf. Innerhalb der Denkmalzone überwiegt zudem die traufständige Ausrichtung der Gebäude zum Straßenraum. Es finden sich Satteldächer mit Zwerchhäusern und Gauben sowie einer regionaltypischen Schieferdeckung. Stellenweise wird die bergseitige Häuserzeile der Burgstraße durch kleinere Hofflächen aufgelockert, die u. a. von der historisch überlieferten Ziegenhaltung zeugen. Diese Nutztiere waren aufgrund des engen Straßenraums St. Goarshausens und des steilen Burgberges besonders gut zur Eigenversorgung der Bewohner geeignet.
Als prägend für die Denkmalzone erweist sich zudem die deutlich ablesbare Umgestaltung der Rheinfront zur Zeit des 19. Jahrhunderts, welche nach dem Aufblühen des Rheintourismus und der Überbauung der funktionslos gewordenen Stadtmauer entstand. In der Folge entwickelte sich entlang der Rheinstraße eine nahezu geschlossene und repräsentative Fassadenabwicklung mit (spät-)klassizistischen Stilelementen und Bauformen, die überaus bestimmend für die Ansicht des Ortes vom Rhein aus ist.
Ein wichtiger Bestandteil des Denkmalwertes ist zudem die besondere Raumwirkung der Denkmalzone. Darunter sind (Sicht-)Beziehungen und Wechselwirkungen von visueller, funktionaler, struktureller und ideeller Art zu verstehen. So gibt es zum Beispiel mehrere seit Jahrhunderten bestehende Blickachsen zwischen verschiedenen Standpunkten innerhalb des Ortskernes und Burg Katz. Auch die beiden Stadttürme prägen als weithin sichtbare Landmarken das Stadtbild und markieren die Lage der Denkmalzone im Stadtgebiet. Eine funktionale Wechselwirkung existiert zwischen der Stadtbefestigung St. Goarshausens und den Verteidigungsanlagen St. Goars. Sie bildeten zusammen den sogenannten Rheinriegel der Grafen von Katzenelnbogen und der ihnen nachfolgenden Landgrafen von Hessen, weshalb sie ein wichtiges militär- und territorialgeschichtliches Zeugnis sind.
In ihrer Gesamtheit ist die Denkmalzone „Ortskern St. Goarshausen“ ein bedeutender und weithin prägender Bestandteil der historischen und als UNESCO-Welterbe geschützten Kulturlandschaft des Oberes Mittelrheintals.
Zur Ermittlung und Beschreibung derjenigen Aspekte, die den Denkmalwert der Denkmalzone bestimmen und eindrücklich prägen, wurde in Kooperation zwischen der Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz (GDKE), Direktion Landesdenkmalpflege, der Otto-Friedrich-Universität Bamberg, Kompetenzzentrum für Denkmalwissenschaften und Denkmaltechnologien (KDWT) und dem Sekretariat für das Welterbe, eine detaillierte wissenschaftliche Untersuchung durchgeführt.
(Kent Michaelis und Laura Grallert, Generaldirektion Kulturelles Erbe, Direktion Landesdenkmalpflege, Fachbereich Inventarisation, 2024)
Internet
gdke.rlp.de: Inventarisation (abgerufen 07.01.2025)
gdke.rlp.de: Nachqualifizierung der Denkmalzonen in Rheinland-Pfalz (abgerufen 07.01.2025)