Lage
Gebäudebeschreibung
Entwicklung und Funktionen des Gebäudekomplexes
Geschichte der Bewohner des Hauses
Ausbau der Gaststätte und häufiger Besitzerwechsel
Fast 100 Jahre im Besitz der Familien Raskob und Glandien
Kulturdenkmal
Quellen
Lage
Das Gebäude dominiert den Kreuzungsbereich von Bitburger-, Kyllburger- und Hauptstraße, also den verkehrstechnischen Dorfmittelpunkt. Es erstreckt sich über Eck entlang der Hauptstraße und der Kyllburger Straße. Die Hausanschrift ist Hauptstraße 1.
Gebäudebeschreibung
Das traufseitig zur Hauptstraße stehende, zweistöckige Haupthaus ist massiv aus Stein erbaut und besitzt ein fast fensterloses Krüppelwalmdach. Die Fassade hat acht Fensterachsen, die nicht regelmäßig angeordnet sind. Die Fenster sind mit regelmäßigen, sechsteiligen Sprossenimitationen versehen. Die Eingangstüre teilt das Erdgeschoss im Verhältnis vier zu drei auf. Fenster und Türe sind mit gerillten Sandsteingewänden eingefasst, die oben mit einem flachen Bogen abschließen. Die Fenster des Obergeschosses sitzen auf einem durchgehenden Sims, der als horizontales Gliederungselement die Breite des Gebäudes betont. Die Gesamtansicht aus Richtung Kailbach (Nordosten) besteht aus zwei verbundenen Krüppelwalmgiebeln und einem niedrigeren traufseitigem Anbau rechterhand. Der vordere Giebel ist im Erdgeschoss fensterlos und führt im Obergeschoss die Fensterreihe der Fassade um zwei komplett rechteckige Fenster fort. Zwei kleinere Fenster sorgen für die Beleuchtung des Speichers. Der zweite Giebel weist niedrigere Geschosshöhen und kleinere Fenster auf, die streng symmetrisch angeordnet sind; im Erdgeschoss zwei große Kellerfenster. Der Anbau besitzt links eine schlichte Türe mit direkt darüber liegendem großen Fenster und zwei ebenso großen etwas höher gelegenen Fenstern im Obergeschoss. Ein weiteres Fenster ist mittig im Erdgeschoss vorhanden. Die Ansicht aus Richtung Kirche (Südwesten) zeigt rechts den Krüppelwalmgiebel des Vordergebäudes, der die Fensterreihen der Fassade mit flachen Bogenabschlüssen um zwei fortsetzt. Der Sims ist hier nicht vorhanden. In Dachgeschosshöhe sind zwei kleinere rechteckige Fenster. Um circa fünf Meter zurückgesetzt schließt sich links traufseitig zur Kyllburger Straße der restliche Gebäudekomplex an, ganz links als Anbau mit rechteckigem Tor im Erdgeschoss. Im Obergeschoss besitzt dieser Anbau ein großes Fenster, das durch drei weitere große Fenster im Hauptgebäude fortgesetzt wird. Darunter ist eine ältere aus einfachem Sandstein gehauene mit flachem Bogen schließende Fensteröffnung neben mehreren kleinen rechteckigen. Der mittlere Teil, der auf der gegenüberliegenden Seite mit einem eigenen Giebel abschließt, ist hier im Obergeschoss unterhalb der Traufe mit zwei einfachen rechteckigen Fenstern und im Erdgeschoss mit einer neueren Türöffnung und einem großen Fenster versehen.
Entwicklung und Funktionen des Gebäudekomplexes
Vermutlich liegt das Ursprungsgebäude in der Mitte des heutigen Komplexes. Ein Sturz mit der Jahreszahl 1788 ist heute an anderer Stelle in einer Außenwand des 19. Jahrhunderts vermauert. An der Fassade bzw. im Erdgeschoss ist die bauliche Entwicklung noch gut erkennbar. Der älteste Teil des Haupthauses sind die vier mittleren Achsen, in denen die Haustüre liegt. Die vier Fenster im Obergeschoss haben exakt gleiche Abstände und innerhalb des Gebäudes ist die Mauerstärke der entsprechenden Zwischenwände die von Außenwänden. Die erste Erweiterung dürften die zwei Fensterachsen zur Kirchstraße hin gewesen sein, die beiden Achsen auf der Kailbachseite folgten wohl später - zumindest lässt die größere Raumhöhe im Obergeschoss dies vermuten. Nachweislich älterer Fotos muss das Hauptgebäude schon vor 1900 in diesem Zustand gewesen sein. Die rückwärtigen Gebäude sahen damals noch anders aus. Im Jahr 1910 wird im Gebäudebuch von Oberkail aufgeführt: „Wohnhaus mit Anbau und Aborte, Scheune mit Stallung, Badhaus mit Waschküche und Logierzimmer“; außerdem auf dem Nachbargrundstück: „Kegelbahn mit Kegelhaus und Schweineställe“. Letztere wurden 1926 abgebrochen. 1932 wurden „Wohnhaus, Gaststätte und Lokal“ erweitert.
In den Jahren nach dem zweiten Weltkrieg befand sich die Gaststube hinter dem Eingang links, rechts war ein Friseursalon untergebracht. Erst umfangreiche Modernisierungsmaßnahmen im Innenbereich Ende der 1960er Jahre brachten die heute noch vorhandene Raumaufteilung: Wirtsstube rechts, großer abgetrennter Gastraum links, Küche, Vorrats- und Sanitärbereich gerade aus. Ebenfalls geradeaus im „Hinterhaus“ die große Treppe, die zu den Fremdenzimmern im Obergeschoss des Vorderbaus sowie zum großen Saal im rückwärtigen Bereich führt.
Geschichte der Bewohner des Hauses
Nachdem die Müllers-Vogtei am Standort des heutigen Hauses Kyllburger Straße 2 im Jahr 1714 neu vergeben und aufgeteilt wurde, erhielt der Bote Diederich (Theodor Herrmann) einen nicht unerheblichen Teil der Ländereien. Vermutlich erbaute er sich auf dem Nachbargrundstück in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts ein neues Haus, das der Kern des heutigen Gebäudes Hauptstraße 1 wurde. Mit diesem Neubau und Land der ehemaligen Müllers-Vogtei konnte er - selbstverständlich nur mit Zustimmung des Grafenhauses - ein eigenes Erbhaus gründen: Diederichs oder Dieders. Auf ihn und seine Ehefrau Katharina folgte der gemeinsame Sohn Philipp Herrmann (um 1700-1779), der 1763 als Ackerer, Zimmermann, Kleinkrämer und Gerichtsbote genannt wird. Mit seiner Frau Anna Etteldorf (um 1710-1772) hinterließ er als Erbin die Tochter Maria Katharina Hermann (1731-1805), die mit Matthias Bickendorf (1727-1798) aus dem Beischen-Haus verheiratet war. Ihr Sohn Theodor Bickendorf (1766-1830) richtete in seinem Elternhaus eine Gastwirtschaft ein und war vermutlich der erste (nebenberufliche) Wirt in diesem Haus. Er wurde noch kurz vor dem Einrücken der französischen Revolutionsarmee von der Gräfin Augusta von Sternberg-Manderscheid 1794 zum Hochgerichtsschöffen der Herrschaft Kail ernannt. In der französischen Zeit war er Adjunkt (Beigeordneter) und anschließend Maire (Bürgermeister). Nach dem Wiener Kongress und der Zuschlagung der Rheinprovinz zu Preußen, versuchten die gräflichen Erben zumindest Teile ihrer früheren Rechte in Oberkail wieder durchzusetzen. Einer der Bürger, die sich dagegen am vehementesten (und schließlich auch erfolgreich) wehrte, war Theodor Bickendorf. Dieser streitbare Charakter war ein Paradebeispiel für den lokalen Einfluss von Wirten. Im Jahr 1810 gehörte er zu den 550 Meistbesteuerten des Wälderdepartements. Aus seiner Ehe mit Anna Jegen (1758-1830) stammte der Sohn Matthias Bickendorf (1793-1825), der noch vor seinen Eltern verstarb. Er hinterließ drei unmündige Kinder. Seine junge Witwe Maria Brosius (1796-1848) heiratete 1826 ein zweites Mal und zwar den aus dem Reiß-Haus stammenden Joseph Probst (1802-1875). Im Gerichtsurteil von 1835 werden die Eheleute in eigenem Namen und als Vormünder für die Bickendorf-Kinder aus der ersten Ehe als Besitzer des Dieders-Hauses aufgeführt.
Ausbau der Gaststätte und häufiger Besitzerwechsel
Im Jahr 1846 wird aber alleinig der 26-jährige Theodor Bickendorf als Eigentümer genannt. Joseph Probst zog wohl nach dem Tod seiner Frau mit seinen Kindern in den umgebauten und erweiterten Teil seines Elternhauses in der Reiss-Hiehl (Orsfelder Weg), bevor seine Tochter Barbara Probst (1830-1897) als Witwe 1879 ein neues Haus in der Kyllburger Straße erbauen ließ, das bis heute den Hausnamen ihres Stiefvaters fortführt: „Deders“. Theodor Bickendorf verkaufte sein elterliches Anwesen samt Gaststätte 1849 an Gerhard Becker (geboren 1810 in Kyllburgweiler) und dessen zweite Ehefrau Anna Maria Becker (geboren 1822 in Oberkail). Die Eheleute hatten nach der Fertigstellung der Bezirksstraßen durch den Ort Mitte der 1840er Jahre wohl große Zukunftspläne für die Gastronomie an diesem Standort. Sie erbauten eine eigene Brauerei, die im heutigen Scheunengebäude zwischen Hauptstraße 1 und Kyllburger Straße 2 angesiedelt war. Nach dem frühen Tod von Gerhard (1856) und Anna Maria (1857) Becker wurde das Anwesen nur wenige Jahre später wieder verkauft. Spätestens ab 1859 tritt der aus Wittlich stammende Karl Diedenhofen (1817-1889) als Besitzer und Wirt auf. Er muss aber bereits seit Mitte der 1840er Jahre im Ort gewohnt haben; 1851 wird er in den Schöffenrat gewählt. Seine Mutter stammte aus der Oberkailer „Konkurrenz-Wirtschaft“ in der Hosengasse. Er war seit 1842 verheiratet mit Maria Margaretha Josephine Goergen (1813-1895), seiner Stief-Kusine. Zu seiner Zeit war auch die Oberkailer Poststation hier untergebracht, bis sie nach 1900 zum Gasthof Grady-Pantenburg in die Wittlicher Straße wechselte. Beider Tochter Josefine Diedenhofen, verwitwete Bauer, ist in der Nachfolge ab 1889 Besitzerin des Gasthofes, der ab 1898 einem Gastwirt Friedrich Heinrich Jabusch und dessen Ehefrau Maria Josefine Pauline geb. Antonetty gehörte. Bereits 1902 tritt die Ehefrau von Johann Joseph Metz, Fuhrunternehmer, Anna Maria geb. Vehofen, als Besitzerin auf. Und 1909 wird „Nikolaus Esch, ledig, Rendant zu Gransdorf, jetzt Gastwirt zu Oberkail“ genannt.
Fast 100 Jahre im Besitz der Familien Raskob und Glandien
Schon ein Jahr später gibt es neue Besitzer, die aus dem Nachbarhaus stammten und den dortigen Hausnamen „Plonien“ mitbrachten: Johann Baptist Raskop (1865-1934) und Ehefrau Katharina geb. Bastian (1862-1949). Wie die meisten der Vorbesitzer waren sie im Hauptberuf Landwirte und betrieben die Gastwirtschaft nebenberuflich. Zeitweise betrieb Plonien Baddi ein „Privat-Personenfuhrwerk“, um seinen Gasthof mit dem sieben Kilometer entfernten Bahnhof in Kyllburg zu verbinden. Die Kosten betrugen 60 Pfennige für eine rund einstündige Fahrt. Nach dem Tod von Johann Baptist werden 1935 Katharina Raskob geb. Bastian und der älteste Sohn Nikolaus Raskob als Besitzer genannt. Während des Krieges und die ersten Jahre danach wohnte auch die Tochter Katharina Raskob (verheiratete Kuhn) samt Familie im Haus. Erst 1956 scheint das Erbe der Mutter geregelt worden zu sein, denn ab dann treten Nikolaus Raskob (1895-1970) und seine Ehefrau Magdalena geb. Densborn (1910-1978) als alleinige Besitzer auf. Beider Tochter Brunhilde Raskob übernahm mit ihrem Mann Elmar Glandien das Elternhaus und die Gastwirtschaft. Das Lokal wurde dann ab den 1980er Jahren verpachtet. Nach mehreren Besitzerwechseln und dem Umbau zu ausschließlich Wohnzwecken will die heutige Besitzerfamilie Leitenberger durch die Eröffnung einer Weinstube im historischen Ambiente wieder Gastronomie am traditionellen Ort etablieren. Dafür hat sie im gesamten Gebäude eine liebevoll gestaltete Inneneinrichtung arrangiert, die zum Verweilen einlädt und zukünftigen Gästen eine wohlige Atmosphäre bietet.
Kulturdenkmal
Das Dieders-Haus wird im „Nachrichtlichen Verzeichnis der Kulturdenkmäler im Eifelkreis Bitburg-Prüm“ (Stand Juni 2024) geführt. Der Eintrag lautet:
„Hauptstraße 1: historischer Gasthof, im Kern 18. Jh. (bez. 1788), Umbauten und Erweiterungen 19. Jh.“
(Jörg Kreutz, Oberkailer Zeitspuren - geschichtlicher Arbeitskreis der Ortsgemeinde Oberkail, 2024)
Quellen
• Kreisarchiv Bitburg: Akten des Standesamtes Oberkail.
• LHAK 15, 1052, Maria-Theresia-Kataster 1766.
• LHAK 15, 280, Steuerliste 1793.
• LHAK, Außenstelle Kobern-Gondorf; Bestände 734-1104, 736-2291 und 736-3427.
• Pfarrarchiv Oberkail und Bistumsarchiv Trier: Kirchenbücher der Pfarrei Oberkail.
• Pfarrarchiv Oberkail: Gebunde Abschrift eines Güterverzeichnisses aus der Zeit um 1700.
• Urteilsschrift des Rheinischen Appellations-Gerichtshof zu Cöln in seiner öffentlichen Sitzung des ersten Civil-Senats vom 22. April 1835.