Das Schicksal Wladyslaw Staniszewskis
Im Laufe des Zweiten Weltkrieges verschleppte die Deutsche Wehrmacht Millionen Menschen aus den von ihr eroberten Gebieten zur Zwangsarbeit, um den zunehmenden Bedarf an Arbeitskräften in Deutschland zu decken. Die als Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge deportierten Menschen wurden im nationalsozialistischen Sprachjargon als „Zivile Arbeitskräfte“ bezeichnet.
Es ist nicht bekannt, wann Wladyslaw Staniszewski, geboren am 8. Mai 1912 im polnischen Lowicz, in die Eifel kam. Im Winter 1941/42 arbeitete der damals 29-Jährige als Zwangsarbeiter auf dem Bauernhof der Familie Peter Marjan in Lommersdorf Nr. 18, heute Gemeinde Blankenheim. Für polnische Zwangsarbeiter*innen galten im Deutschland der Nationalsozialisten strenge Regeln und Verhaltensvorschriften, die den Kontakt mit der deutschen Bevölkerung auf ein Minimum reduzierten.
Am 13. Januar 1942 wurde Wladyslaw Staniszewsk auf Veranlassung der Gestapo in Aachen wegen eines verbotenen Verhältnisses mit der deutschen Anna Marjan, der Schwiegertochter des Hofbesitzers, ins Gefängnis Blankenheim eingeliefert und anschließend im Gefängnis Aachen inhaftiert. Wie genau die Beziehung zwischen Herrn Staniszewski und Frau Marjan wirklich aussah, lässt sich nicht sagen. Lommersdorfer Zeitzeug*innen beschrieben den polnischen Zwangsarbeiter als korrekt, fleißig, hilfsbereit und anständig. Ob die beiden Beschuldigten wirklich ein intimes Verhältnis hatten oder ob es ihnen lediglich „angehängt“ wurde, muss offenbleiben.
Anna Marjan, geborene Kirwel, war verheiratet mit Wilhelm Marjan, dem Sohn des Hofbesitzers Peter Marjan. Auch sie wurde auf Veranlassung der Gestapo Aachen verhaftet. Nach Aussage einer Blankenheimer Zeitzeugin wurden ihr die Haare abgeschnitten und sie musste in der Blankenheimer Molkerei zur Strafe arbeiten. Am 11. April 1942 wurde Anna Marjan wegen „Verk.[ehr] m. Polen“ im Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück inhaftiert.
Wladyslaw Staniszewsk wurde am 30. Oktober 1942, nach einigen Monaten Haft in Aachen, auf Befehl der Gestapo durch die Schutzstaffel (SS) am Ortsrand von Lommersdorf erhängt. Polnische Zwangsarbeitende aus der näheren Umgebung wurden gezwungen, sich die Hinrichtung anzusehen. Der Leichnam Staniszewsks wurde anschließend zur Sektion in das Anatomische Institut der Universität Bonn gebracht. Seine sterblichen Überreste wurden am 3. April 1943 auf dem Bonner Nordfriedhof, Feld XIX, Reihe 4, Nr. 37, beigesetzt. Die Inschrift auf der Grabplatte ist in kyrillischen Buchstaben gefasst, da man Herrn Staniszewski wohl irrtümlicherweise für einen Russen hielt.
Das Gedenkkreuz in Blankenheim-Lommersdorf
Nach Kriegsende wurde von anderen polnischen Zwangsarbeitenden am Hinrichtungsort das später sogenannte erste „Polenkreuz“ errichtet, das am 26. August 1945 in Anwesenheit des Lommersdorfer Pfarrers Spülbeck, Lommersdorfer Bürger*innen sowie vielen Polinnen und Polen eingeweiht wurde.
Im August 1996 kam es zu Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Aachen in dem Mordfall, die aber am 18. November 1996 als ergebnislos abgeschlossen wurden.
Die Geschichte des „Polenkreuzes“ wurde im Jahr 2010 von Schülerinnen und Schülern der Realschule Blankenheim unter der Leitung des Lehrers Markus M. Schmitz recherchiert. Am 21. November 2010 wurde am zwischenzeitlich erneuerten Kreuz eine Gedenktafel angebracht und das Kreuz durch Pfarrer Meuser in Anwesenheit zahlreicher Lommersdorfer Bürger*innen gesegnet.
Der Text der Gedenktafel lautet:
Zum Gedenken an
den polnischen Zwangsarbeiter
Wladyslaw Staniszewski
* 8.5.1912, + 30.10.1942,
der durch das unmenschliche Regime der Nationalsozialisten
an dieser Stelle durch den Strang hingerichtet wurde.
den polnischen Zwangsarbeiter
Wladyslaw Staniszewski
* 8.5.1912, + 30.10.1942,
der durch das unmenschliche Regime der Nationalsozialisten
an dieser Stelle durch den Strang hingerichtet wurde.
Das mittlerweile morsche zweite Kreuz wurde auf Initiative des Blankenheimer Bürgers Markus M. Schmitz im Frühjahr 2025 komplett erneuert. Ermöglicht wurde dies durch den ehrenamtlichen Einsatz der Dorfgemeinschaft Lommersdorf und großzügige Spenden der Kreissparkasse Euskirchen sowie des Vereins zur Förderung der Burg und anderer Kulturgüter in Blankenheim.
In Anwesenheit von Verwandten des Ermordeten, mehreren Nachkommen ehemaliger Zwangsarbeiter und zahlreicher Lommersdorfer wurde ein drittes Kreuz am 31. Mai 2025 durch Pater Elex als Mahnmal für Frieden und Menschlichkeit feierlich eingeweiht, Ortsvorsteher Dreimüller, Bürgermeisterin Meuren und Landrat Ramers sprachen Grußworte.
Ein QR-Code am Kreuz gibt Besuchern die Möglichkeit, sich auf der Homepage der Gemeinde Blankenheim über die Hintergründe der Ermordung zu informieren.
(Markus M. Schmitz, Blankenheim (Ahr), 2024)
Quelle
Arolsen Archives, Zugangslisten aus verschiedenen Konzentrationslagern in das Konzentrationslager Ravensbrück, 04.04.1942-18.06.1942, Arolsen DocID 129643055 (online unter collections.arolsen-archives.org, abgerufen am 28.08.2024)
Internet
www.bildung-ns-zwangsarbeit.de: Bildungsportal NS-Zwangsarbeit (abgerufen am 27.08.2024)