Meyer spendete heimlich 5.000 Goldmark aus dem Vermögen seiner Familie an das örtliche Nonnenkloster. Die Nonnen kauften davon Lebensmittel und verteilten sie an die Notleidenden.
Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs machte sich Meyer als Vieh- und Futtermittelhändler in Hilden selbständig. Während der Reichspogromnacht am 9. November 1938 wurden er und sein Vater Nathan in ihrem Haus in der Gerresheimer Straße von SA-Mitgliedern überfallen, brutal zusammengeschlagen und ausgeraubt. Der 77-jährige Nathan Meyer starb an den Folgen der Misshandlungen.
Leo Meyer gelang 1939 zunächst die Flucht nach Belgien. Nach dem Einmarsch der Deutschen Wehrmacht wurde er in das französische Internierungslager Gurs verbracht, wo er nur knapp dem Hungertod entging. Ohne die energische Hilfe der französischen Oberin Béatrix des Klosters in Oostmalle hätte er nicht überlebt. Es gelang ihr, seine vorübergehende Freilassung aus dem Lager zu erwirken. Die Ordensfrau verschaffte ihm Unterkunft bei ihrem Bruder, dem Müller Joseph Briquet, wo er jahrelang versteckt bleiben und sich dem Zugriff seiner Verfolger entziehen konnte.
Als einziger Hildener Jude kehrte Meyer 1949 in seine Heimat zurück, wo er nicht willkommen war. Die Entbehrungen hatten seine Gesundheit ruiniert und seine Versuche, das „arisierte“ Haus- und Grundvermögen seiner Familie zurückzubekommen, endeten erfolglos. Fast alle Mitglieder seiner Familie waren von den Nationalsozialisten ermordet worden. Er starb verarmt am 22. Juli 1953 in Düsseldorf an den Folgen eines Schlaganfalls.
„Das Schicksal von Leo Meyer und seiner Familie steht beispielhaft für das, was jüdisches Leben in Hilden ausmachte: die Heimatverbundenheit, die unangefochtene Dazugehörigkeit, die dann mit Beginn der NS-Zeit einsetzende Ausgrenzung, Drangsalierung und Entrechtung bis hin zum brutalstem Pogrom, zu Vertreibung, Deportation und Ermordung.“ (Dr. Barbara Suchy, Historikerin)
Die 1,20 Meter hohe Stele, die an sein erschütterndes Schicksal erinnert, wurde am 15. August 2023 eingeweiht. Der Hildener Künstler Christian Lüttgen (*1964) schuf eine aufrecht stehende Figur mit hocherhobenem Kopf. Sie steht auf einem Schutthügel zusammengebrochener Architektur, den Erinnerungsresten an ein bürgerliches Leben. Die Arme enden an den Ellbogen, was die Situation der Machtlosigkeit deutlich unterstreicht. Die sichtbaren Rippen und die wie aufgebrochen wirkende Brustpartie lassen Entbehrung und Verletztheit sichtbar werden.
Der Standort direkt neben dem Eingangsportal der Reformationskirche bringt die Statue in Wechselwirkung mit den dort gezeigten Bronzereliefs, die sich ebenfalls mit den Themen Barmherzigkeit und Grausamkeit auseinandersetzen.
Das Zitat auf der Tafel am Sockel stammt von Anne Marie Briquet, der Tochter von Joseph Briquet und lautet:
Seine Welt war ihm abhandengekommen.
Er war ein Fremder im eigenen Land.
(Barbara A. Lenartowicz-Senguel und Rainer Hotz, im Auftrag des Kulturamts der Stadt Hilden, 2024)
Internet
de.wikipedia.org: Leo Meyer (Getreidehändler) (abgerufen 03.07.2024)
www.evangelisches-hilden.de: Mahnmal für Mitmenschlichkeit und Nächstenliebe, Leo Meyer (abgerufen 03.07.2024)
rp-online.de: Andenken-Stele für Leo Meyer ist da (Rheinische Post online vom 25.05.2023, abgerufen 03.07.2024)
www.rheinische-geschichte.lvr.de: Unbekannte versteckten den Juden Leo Meyer (abgerufen 03.07.2024)
www.wz.de: Themenabend über den „guten Deutschen“ (Westdeutsche Zeitung vom 12.07.2021, abgerufen 03.07.2024)