Zur Zeit des Baus, zwischen Spätmittelalter und früher Neuzeit wurde in Schifferstadt das Leben der Bevölkerung besonders von der Zerstörung des Kloster Limburgs, das Vorrechte in der Gemeindeverfassung und großen Grundbesitz in Schifferstadt besaß, dem Bauernkrieg, der Brandschatzung durch Markgraf Albrecht und der Reformation beeinflusst.
Ursprünglich war das Alte Rathaus ein Gerichtsgebäude mit „offenem“ Gerichtssaal im Erdgeschoss, das heißt an jeder Seite gab es einen offenen Türbogen, die restlichen Bögen waren bis in Fensterhöhe geschlossen. Im Obergeschoss waren die Verfügungsräume, wo Amtspersonen wie Faut, Schultheiß, Schöffen, Büttel und andere ihre Geschäfte abwickelten.
Eine Seltenheit am Rathaus ist der Pranger und die „Betzekammer“ auf der Nordseite unterhalb des Treppenaufgangs. Beide weisen auf die frühere Funktion als Gerichtsstätte hin. Das Dorfgericht konnte über kleine Feldschäden, Zänkereien, Schlaghändel und ähnliches entscheiden und die Schuldigen in der Betzekammer abstrafen. Diese ist mit einer kleinen spätgotisch geformten Tür mit Durchreiche verschlossen, durch die die Angehörigen den Gefangenen die Verpflegung reichen konnten. Gab es niemanden, der daran dachte, musste der Gefangene hungern.
Das Alte Rathaus wurde von den Vereinten Nationen mit Verfügung vom 19. August 1988 zum schutzwürdigen Kulturgut erklärt und ist der Denkmalliste der Generaldirektion kulturelles Erbe gelistet.
Daten zur Geschichte des Rathauses im Überblick
1558
Erbauung und Nutzung als Sitz des Hochgerichts des Fürstbischofs von Speyer (Dorfherr), Bischof Rudolf von Frankenstein. Bis ins 18. Jahrhundert wurden Dorfgerichtstage durchgeführt. An ihnen kam die Gemeindespitze zusammen, vergleichbar mit dem heutigen Stadtrat und regelte alle kleine Vergehen zwischenmenschlichen Miteinanders. Das Obergeschoss wurde von Beginn an als Amtsräume genutzt.
1680
Obergeschoss wird durch Brand zerstört
1685
Wiederaufbau des Obergeschosses mit solidem fränkischen Fachwerk
18./19. Jahrhundert
Nutzung des Erdgeschosses zum Tabakwiegen
1800-1856
Nutzung des Obergeschosses als Schule
1900
Erweiterung des Erdgeschosses um weitere Amtsräume für die Verwaltung und Gendarmerie. Installation einer im Boden eingelassenen Brückenwaage an der Südseite des Rathauses
1906
Nutzung des Erdgeschosses als Sparkasse
1936
Umzug der Gemeindeverwaltung in das „Weiße Haus“ in der Mühlstraße. Das Obergeschoss wird für den Verein für Heimatpflege genutzt. Im Erdgeschoss ist die Wohlfahrtspflege untergebracht.
1936 und ab Kriegsausbruch
Räume werden für kriegsbedingte Behörden wie Winterhilfsdienst, Ernährungsamt und Wirtschaftsdienst genutzt
1945 nach Kriegsende
Räume werden von Polizei, Gasversorgung, sowie für das Einwohner- und Lebensmittelamt genutzt.
1956
Eröffnung des Heimatmuseums im Obergeschoss
1961
Errichtung einer öffentlichen Bücherei durch den Verein für Heimatpflege im Erdgeschoss
1978-1981
Restaurierung und Sanierung des Alten Rathauses, seitdem Nutzung der Räumlichkeiten für Ausstellungen, Empfänge und kulturelle Veranstaltungen
1990
Errichtung des Trauzimmers im Erdgeschoss
Kulturdenkmal
Zum Alten Rathaus in Schifferstadt findet sich ein Eintrag im Nachrichtlichen Verzeichnis der Kulturdenkmäler des Rhein-Pfalz-Kreises (Stand Juli 2022). Der Eintrag lautet:
„Marktplatz 1, Altes Rathaus, Fachwerkbau mit massivem Arkaden-Erdgeschoss, bez. 1558, Ober- und Dachgeschosse von 1685; platzbildprägend“
(Stadtverwaltung Schifferstadt, 2024)
Quelle
Boschüre „450 Jahre Altes Rathaus Schifferstadt, herausgegeben vom Verein für Heimatpflege Schifferstadt e.V.“
Internet
heimatpflege-schifferstadt.de: „Bleibende Erinnerung an die Geschichte des Kleinods von Schifferstadt“ (abgerufen am 23.04.3024)