Kellerberg: Flurbereinigung als Notstandsarbeit

Historische Landschaftsnutzungen rund um den Weinbau im Siebengebirge

Schlagwörter:
Fachsicht(en): Kulturlandschaftspflege
Gemeinde(n): Königswinter
Kreis(e): Rhein-Sieg-Kreis
Bundesland: Nordrhein-Westfalen
Koordinate WGS84 50° 41′ 22,35″ N: 7° 11′ 29,7″ O 50,68954°N: 7,19158°O
Koordinate UTM 32.372.263,35 m: 5.616.861,72 m
Koordinate Gauss/Krüger 2.584.245,78 m: 5.617.787,67 m
  • Ansicht des Kellerbergs in Königswinter mit dem quer zum Hang verlaufenden Winzerweg und dem Serpentinenweg von der Kapp ins Tal. Luftbild, Ausschnitt (1955)

    Ansicht des Kellerbergs in Königswinter mit dem quer zum Hang verlaufenden Winzerweg und dem Serpentinenweg von der Kapp ins Tal. Luftbild, Ausschnitt (1955)

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    Siebengebirgsmuseum der Stadt Königswinter
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Zur Wiederbelebung des Weinbaus wurde im Rahmen der Notstandsmaßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit 1930/1933 im oberen Hangdrittel des Kellerbergs der rund 450 Meter lange Winzerweg fertiggestellt. Dieser ist von Süden her über einen kleinen Trampelpfad rechts neben der (gesperrten) Aussichtsplattform bergab zu erreichen. Nach einigen steilen Metern stößt man rechts auf den Winzerweg, der heute durch Grasland führt. Am nördlichen Ende führt der Weg auf den Schleifenweg in Oberdollendorf. Kurz davor ist rechts in die Mauer ein Stein eingelassen, der an die Errichtung des Weges erinnert.

Der Weg ist hangseitig mit einer durchschnittlich 1,30 Meter hohen verfugten Bruchsteinmauer aus Basalt gesichert. Mit 2,5 Metern war der Weg breit genug, um ihn auch mit bespannten Karren befahren zu können. Zahlreiche Treppennischen gaben Zugang zu den darüber liegenden Weinbergen. Die Stufen sind auf der Vorderseite mit in Zement geprägten Sinnsprüchen versehen, unter anderem aus Goethes Faust. Aufgrund von teils starkem Moosbewuchs und Frostschäden sind diese nur noch schlecht zu entziffern.

Die mit der Flurbereinigung im Zusammenhang stehenden Rodungen dienten der Neuanlage von Weinbergen unter verbesserten Bedingungen: Breitere Wege, Reihenabstände, die den Einsatz moderner Motorpflüge ermöglichten, Drahterziehung und vor allem andere Rebsorten sollten die Wirtschaftlichkeit der Weinberge erhöhen. Die sehr klein parzellierten Grundstücke am Kellerberg waren schon vor dem Ersten Weltkrieg wegen ihres verwahrlosten Zustandes aufgefallen. Viele Parzellen wurden nicht mehr bewirtschaftet und lagen brach. Eine Ursache waren die offenbar ungünstigen Bodenverhältnisse. 1928 kam es wiederholt zu Hangrutschungen am Kellerberg und am Schleifenweg. Grund hierfür war eine defekte Wasserleitung bzw. die beschädigte Quellfassung der Longenburg. Austretendes Wasser führte zu Versumpfungen in den Weinbergen mit zum Teil massiven Verlusten an Reben. Nach dem Verlegen einer Wasserleitung entschloss man sich, am Kellerberg umfassende Drainage- und Wegearbeiten durchzuführen. Bürgermeister Richard Nücker und der Ortsvorsteher Leo Tendler (Oberdollendorf) erreichten 1929 die Zusage von Kreismitteln aus dem Arbeitslosenfonds für den Bau von Winzerwegen. Mit diesen Notstandsmaßnahmen wurden Rekultivierungen und Wegebau systematisch in Angriff genommen bzw. mit der Fertigstellung des neuen Winzerweges im Oktober 1932 am Kellerberg die Basis zu weiteren Arbeiten gelegt.

Im Winter 1932/1933 wurde ein Folgeantrag für Rodungsarbeiten gestellt; die Umsetzung fiel erfolgte im Rahmen großangelegter Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen der Nationalsozialisten. Zahlreiche Arbeitslose aus dem Ort wurden in diesem Projekt beschäftigt. Begründet wurde diese Maßnahme mit der schwierigen Situation der hauptberuflichen Industriearbeiter, die nun arbeitslos geworden waren. Der bisherige Nebenerwerb als Kleinwinzer sollte ihnen nach der Modernisierung der Weinberge ein Auskommen bieten. Insgesamt lagen hier zu beiden Seiten des neuen Winzerweges rund 75 winzige Parzellen. Zusätzlich zu der Rekultivierung der Weinberge wurden kleinere Flächen an Ackerland gewonnen, die den Winzern und Winzerinnen zur Selbstversorgung dienen sollten. Im März 1934 konnte man als Teil der im Frühjahr von den Nationalsozialisten groß propagierten „Arbeitsschlacht“ mit den Rodungen beginnen. Zunächst waren 30 vorwiegend jugendliche Arbeiter eingestellt worden. Ihre Zahl wuchs: Die Lohnlisten für das Arbeitsamt nennen rund 90 Namen, überwiegend Weinbergsbesitzer aus den betroffenen Orten. Da die Orte auf diese Weise doppelt von den Maßnahmen profitierten, bekräftigten die Ortsvorsteher das Interesse, diese Arbeiter in Anschlussverträgen unterzubringen. Gerade auf die Vorarbeiter wollte man nicht verzichten. Bald meldeten weitere Weinbergbesitzer ihre Grundstücke zur Urbarmachung nach. Mehrere Folgeanträge wurden bewilligt. Die Kosten stiegen - statt der ursprünglich veranschlagten 19.000 Mark war man Ende 1934 schon bei 33.000 Mark.

Nach den Rodungen durften nur noch folgende Sorten angebaut werden: Müller-Thurgau, Silvaner, Riesling, Spätburgunder und Portugieser. Außerdem wurden in Oberdollendorf erstmals neue Weinbergspfähle aus gewellten, rostfreien Drahtstäben eingesetzt, die Schädlingen keinen Unterschlupf mehr boten. Der Bau der Schnellstraße um 1980 schnitt den Kellerberg vom Ort ab, was die Bewirtschaftung erschwerte. Zudem blieb die Frage nach Baulanderschließungen lange ungeklärt. Aus diesen Gründen fand sich in den 1970er Jahren kein Weinbaubetrieb, der diese Lage weiter bewirtschaften wollte, und so wurde der Kellerberg aus den Planungen einer erneuten Weinbergsflurbereinigung herausgenommen. 1998 kaufte die Nordrhein-Westfalen-Stiftung Naturschutz, Heimat- und Kulturpflege große Teile des Kellerberges. Die Bürgerinitiative Naturschutz Siebengebirge (BNS) pflegt seitdem den Steilhang. Andere Teile werden von Schafen der Biologischen Station im Rhein-Sieg-Kreis beweidet.

(Christiane Lamberty, Siebengebirgsmuseum Königswinter, 2024)

Literatur

Lamberty, Christiane; Scheuren, Elmar; Steinwarz, Dieter (2024)
Zwischen Wingert und Busch. Wanderführer zu den historischen Landschaftsnutzungen rund um den Weinbau. Königswinter.

Kellerberg: Flurbereinigung als Notstandsarbeit

Schlagwörter
Ort
53639 Königswinter - Niederdollendorf / Nordrhein-Westfalen
Fachsicht(en)
Kulturlandschaftspflege
Erfassungsmaßstab
i.d.R. 1:5.000 (größer als 1:20.000)
Erfassungsmethode
Auswertung historischer Schriften, Auswertung historischer Karten, Auswertung historischer Fotos, Literaturauswertung, Vor Ort Dokumentation
Historischer Zeitraum
Beginn 1930

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Christiane Lamberty (2024): „Kellerberg: Flurbereinigung als Notstandsarbeit”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-352208 (Abgerufen: 24. März 2025)
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