Er ging wie folgt vor sich: Bahnte sich bei einem jungen Mann eine Liebelei an, musste der Betreffende dreimal um den Baum herumlaufen und dabei die Stirn an der Rinde scheuern. Seine Kameraden sorgten dabei dafür, dass dies nicht zu zaghaft geschah und immer die vorgesehene Tuchfühlung vorhanden blieb. Ging ein Briedeler gar nach Pünderich freien, sorgten die Pündericher Jungs für den notwendigen Kontakt, wie auch umgekehrt die Briedeler bei einem Pündericher, der seine Partnerin fürs Leben in Briedel suchte. Hinter der Sitte stand die Verheißung, dass sie dann todsicher die richtige Braut heimführen würden.
Die uralte Eiche fiel später einem Sturm zum Opfer. Versuche nach dem Krieg, diese alte schöne Sitte, jetzt um diesen mächtigen Nadelbaum herum, wieder aufleben zu lassen, setzten sich jedoch nicht mehr durch. Die Motorisierung verdrängte die Fußgänger und für solche Pausenspielchen hatte man keine Zeit mehr. 2021 wurde auch der Nadelbaum das Opfer eines Sturms.
(Hermann Thur, Briedel, 2024)