Bankhaus Schneider & Cie. in Pirmasens

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Fachsicht(en): Landeskunde
Gemeinde(n): Pirmasens
Kreis(e): Pirmasens
Bundesland: Rheinland-Pfalz
Koordinate WGS84 49° 11′ 59,6″ N: 7° 36′ 16,63″ O 49,19989°N: 7,60462°O
Koordinate UTM 32.398.348,88 m: 5.450.614,03 m
Koordinate Gauss/Krüger 3.398.383,84 m: 5.452.355,20 m
  • Historische Fotografie der Hauptstraße in Pirmasens mit dem Bankhaus Schneider & Cie. (um 1900)

    Historische Fotografie der Hauptstraße in Pirmasens mit dem Bankhaus Schneider & Cie. (um 1900)

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    Stadtarchiv Pirmasens
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  • Historische Fotografie des späteren Geschäftshauses der Bank Schneider & Cie. in Pirmasens (1960er Jahre)

    Historische Fotografie des späteren Geschäftshauses der Bank Schneider & Cie. in Pirmasens (1960er Jahre)

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  • Wolfgang Brendel erzählt über Kredite und Finanzierung der Schneiderbank für die Pirmasenser Schuhindustrie (2023)

    Wolfgang Brendel erzählt über Kredite und Finanzierung der Schneiderbank für die Pirmasenser Schuhindustrie (2023)

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    Felix Schlief, Tamina Hommer / Universität Koblenz
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    Felix Schlief; Tamina Hommer
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Zur Mitte des 19. Jahrhunderts zwang die wirtschaftliche Not viele Menschen in Pirmasens und der Umgebung ihre Heimat zu verlassen. August Schneider gründete eine Auswanderer-Agentur. Diese entwickelte sich immer mehr zum Kreditinstitut, wurde zum Bankhaus Schneider & Cie.

Historischer Hintergrund
Entwicklung von der Auswanderer-Agentur zur Privatbank
Kurze Skizze der Schuhindustrie
Der Weg des Geldes
Bankhaus Schneider deckt den Bedarf
Übernahme durch die Deutsche Bank


Historischer Hintergrund
Nach dem Scheitern der bürgerlichen Revolution im Jahr 1849 blieb den Anführern nur der Weg in die Emigration. Einige undert Pfälzer wanderten in die USA aus und wurden dort bekannt als „German Forty-Eighters“. Viele tausend Auswanderer zwang die wirtschaftliche Not ihre Heimat zu verlassen. Sie folgten den politischen Flüchtlingen 1853/54 über den großen Teich, ins Land der Freiheit und der unbegrenzten Möglichkeiten. Auslöser der Auswanderungswelle waren Wetterkapriolen, die zu Missernten geführt hatten. Das ließ die Landbevölkerung verarmen. Auch in Pirmasens gab es einen Wandel in der Schuhfertigung. Die Werkstätten in Kellern und Hinterhöfen wurden abgelöst von Schuhfabriken. 1838 gründete Peter Kaiser in der Schlossstraße eine Schuhfabrik (zu Produktionszeiten war sie die älteste in Deutschland) und ab 1840 erfolgte der Vertrieb nicht mehr über den Hausiererhandel sondern über den Großhandel. Damit waren viele Schuhwerkstätten existenziell bedroht, da sie kein Einkommen mehr hatten, um die Rohstoffe zu kaufen. Deshalb machten sich auch aus Pirmasens ca. fünfhundert Menschen auf den Weg. Überall entstanden Auswanderer-Agenturen.

Entwicklung von der Auswanderer-Agentur zur Privatbank
In Pirmasens gründete August Schneider eine solche Agentur. Diese eröffnete ihre Geschäftsräume 1853. Schon bald schloss sich der Agentur ein Geldwechsel-Büro für die amerikanische Währung (US-Dollar) an. Die südwestdeutschen Auswanderer bevorzugten als Hafenstadt für die Atlantik-Überfahrt Le Havre in Frankreich. Sehr oft begleitete Schneider die Auswanderer bis zum Schiff in der französischen Hafenstadt. Ihm lag ihr Schicksal sehr am Herzen. 1873 ging aus der Agentur zusammen mit der Wechselstube für die US-Währung in Zusammenarbeit mit seinem Cousin Georg Schneider in Chicago das Bankhaus Schneider & Cie., Hauptstraße 23, Pirmasens hervor, das als Schneiderbank bekannt wurde.
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Kurze Skizze der Schuhindustrie
Die Geschichte der Entstehung der Schuhindustrie beginnt mit den Frauen der Schuhstadt. Die Männer stellten in ihren Schuhwerkstätten Pantoffel her. Das Oberteil aus Filzabfällen oder aus Strickware wurde im Wendeverfahren an der Unterseite auf rotgegerbtem Leder als Sohle mit einem Pechfaden angeheftet. Die Frauen steckten die „Schlappen“ in ihre Weideholz-Tragekörbe und trugen die Ware auf die Jahrmärkte in der Pfalz, in Baden, im Elsass und in der Nordschweiz.
Schon zu Beginn der 1830er Jahre verbesserte sich die Schuherstellung. Es wurden Leisten aus Buchenholz gedrechselt. Weiches Schaf- und Ziegenleder lösten Filz und Strickware ab. Aus Pantoffeln wurden modisch schicke Straßenschuhe.

Der Weg des Geldes
Damit veränderte sich auch der Preis für die Ware. Ein Paar Pantoffel kosteten noch 50 Kreuzer, hingegen die neuen Schuhe ab den 1830er Jahren kosteten bereits zwei, drei oder vier Gulden. Die Frauen nahmen an den Marktständen bereits größere Summen Geldes ein. Damit erhöhte sich das Risiko von Diebesbanden auf dem Nachhauseweg überfallen zu werden. Deshalb zahlten die Frauen das erworbene Geld bei Banken in der Nähe der Märkte gegen einen sogenannten „Solawechsel“ ein, um ihn bei den Finanz-Maklern in Pirmasens, das waren häufig Juden, wieder gegen Bargeld umzutauschen. Ein Solawechsel wurde auch als Eigenwechsel bezeichnet. Der Aussteller selbst hat dann auch die Zahlungs-Verpflichtung. Aussteller und Bezogener sind also identisch. In der Regel hat der Aussteller eine Zahlungsverpflichtung gegenüber einem Dritten, z.B. dem Lieferanten von Rohware oder Schuh-Leisten. Ein gezogener Wechsel wurde vom Bezogenen noch nicht akzeptiert und häufig auch als „Tratte“ bezeichnet. Erst wenn der Wechsel unterschrieben worden war, wurde dieser als „Akzept“ bezeichnet. Dann hat der Bezogene das Zahlungsversprechen gegeben.

Lösten die Pirmasenser Schuhhändlerinnen einen Wechsel bei einer Bank ein, erhielten Sie als Wechselnehmer den auf dem Schriftstück fixierten Geldbetrag. Der Aussteller musste vorher den Geldbetrag bei einer Bank einzahlen, die mit dem Bezogenen vereinbart worden ist. Mit der Einlösung erhielten die Hersteller also die liquiden Mittel. Die Fälligkeit wurde schriftlich fixiert - und konnte somit auch bei der Liquiditätsplanung berücksichtigt werden.
Der Umweg über Dritte, wie Finanzmakler, mussten die Pirmasenser Schuster in Kauf nehmen, solange noch kein Bankhaus vor Ort bestanden hatte.
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Bankhaus Schneider deckt den Bedarf
Das änderte sich 30 Jahre später, als August Schneider das Bankhaus Schneider & Cie. gegründet hatte. Die Entscheidung wurde auch dadurch begünstigt, dass 1871 das Deutsche Reich gegründet worden war. Damit war eine gemeinsame Währung in Deutschland geschaffen worden - die Goldmark. Es war die Zeit der sogenannten Gründerjahre. Peter Kaiser leitete ab 1868 die moderne Schuhherstellung ein. Die Wendefertigung von Hausschuhen wurde durch die klassische Fertigung mit Schuhleisten aus Buchenholz ersetzt. 1868 schaffte er eine Dampfmaschine an, die die Transmissionsriemen der Schuhmaschinen antrieb. Das Zeitalter der Mechanisierung in der Schuhindustrie hatte begonnen. In den Schuhfabriken entstand ein großer Maschinenpark für die Bearbeitung des Schaftes (Steppmaschinen), die Verbindung des Schaftes mit der Brandsohle und der Außensohle (Mac-Kay-Durchnähmaschine), und den Finish (Gelenk-Fräs-Maschine). Zuletzt wurden Zwickmaschinen angeschafft. Damit beherrschte die Maschine alle Abteilungen im Herstellungsprozess. Vorreiter war die Maschinenindustrie in den Vereinigten Staaten (USA). Von dort wurden viele Maschinen beschafft. Deshalb war es gut für das Investitionsgeschäft, dass August Schneider die Verbindung zu seinem Cousin Georg Schneider in Chicago hatte. Da durch die Entwicklung der Schuhmode immer neue Maschinen eingesetzt werden mussten, überstieg dies bald die finanziellen Möglichkeiten der Schuhindustrie. Die Maschinenfabriken in der USA kannten das Problem und boten die Möglichkeit des Maschinen-Leasings an. Damit konnte die Liquidität der deutschen Unternehmen verbessert werden. Der Investitionsbedarf wurde geringer. So verlagerte sich das Geschäft mit den amerikanischen Maschinenfabriken vom Kauf zum Maschinen-Leasing.

Übernahme durch die Deutsche Bank
Die Schneiderbank bestand bis Anfang des 20. Jahrhunderts. Nach dem Tod von August Schneider im Jahr 1911 wurde das Bankhaus Schneider & Cie. für Auslandsgeschäfte abgelöst von der Deutschen Bank mit Sitz in der Schlossstraße 42. Weitere Auslandsgeschäfte bahnten sich für bestimmte Leder-Gerbstoffe (Quebracho) aus Argentinien an. Immer häufiger wurden auch Tierhäute aus Übersee gekauft.
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(Wolfgang Brendel, 2023, Pirmasens)




Bankhaus Schneider & Cie. in Pirmasens

Schlagwörter
Straße / Hausnummer
Hauptstraße 23
Ort
66953 Pirmasens
Fachsicht(en)
Landeskunde
Erfassungsmaßstab
i.d.R. 1:5.000 (größer als 1:20.000)
Erfassungsmethode
Literaturauswertung, Geländebegehung/-kartierung, mündliche Hinweise Ortsansässiger, Ortskundiger

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Wolfgang Brendel (2023): „Bankhaus Schneider & Cie. in Pirmasens”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-352162 (Abgerufen: 16. Mai 2024)
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