Im März 1904 - Weidenreich war nun ordentlicher Professor - heiratete er Mathilde Neuberger aus Mannheim. Aus der Ehe gingen drei Töchter hervor.
In Straßburg war Weidenreich mit dem späteren Bundespräsidenten Theodor Heuss und dessen Frau befreundet und engagierte sich in der Politik. Er war Stadtrat in Straßburg, Vorsitzender der Liberalen Partei Elsass-Lothringens und kam auch zu Wahlveranstaltungen nach Edenkoben. Die Niederlage Deutschlands im Ersten Weltkrieg (1914-1918) war ein gravierender Einschnitt in seinem Leben. Die Deutsche Universität Straßburg wurde geschlossen und Weidenreich 1919 aus dem nun französischen Elsass ausgewiesen. 1922 wurde er zum Professor an der Universität Heidelberg und Leiter des Krebsforschungsinstituts ernannt. Aufgrund der Wirtschaftskrise wurde 1924 sein Vertrag gekündigt. 1925 weilte Weidenreich zu wissenschaftlichen Studien an der Biologischen Station in Neapel und 1925 in Bergen/Norwegen. 1928 wurde er Professor in Frankfurt/Main und die Senckenbergische Naturforschende Gesellschaft richtete das „Franz Weidenreich-Institut“ ein. Bald wurde er wegen seines jüdischen Glaubens angefeindet - im März 1935 entzogen ihm die Nazis die Lehrbefugnis. Zum Glück hatte Weidenreich schon 1934 eine Gastprofessur in Chicago/USA angetreten. So war seine Auswanderung eigentlich eine Flucht vor antisemitischer Verfolgung.
Von Chicago nach Peking
In Chicago erfuhr Weidenreich, dass der Lehrstuhl für Humananatomie der Rockefeller-Stiftung in Peking vakant sei und bewarb sich darauf. Als Professor in Peking war er zugleich Leiter der Ausgrabungen in Zhoukoudian, wo man nach dem 400.000 bis 750.000 Jahre alten Vorfahren des Menschen, dem homo pekinensis, forschte. Weidenreich machte über 100 Ausgrabungsfunde - Schädel, Zähne und Knochenfragmente - und ließ davon Abgüsse anfertigen. Aufgrund der japanischen Invasion in China musste der „Glatzkopf“, wie ihn die Chinesen respektvoll nannten, China verlassen, kehrte aber nach einem Jahr - nun als US-Staatsbürger - zurück. Nach dem japanischen Angriff auf Pearl Habour musste er - nun als Amerikaner - China endgültig verlassen. In den USA hielt er vielbeachtete Vorträge und arbeitete fortan am Naturgeschichtlichen Museum in New York. 1944/45 war er Präsident der Amerikanischen Gesellschaft der Physischen Anthropologen und erhielt 1946 die Viking Fund Medal, die höchste Auszeichnung seiner Disziplin.
Die Originalfunde aus China waren verschollen (sie waren übrigens 1972 Gesprächsthema beim „politischen Tauwettertreffen“ zwischen Mao Tse Tung und Richard Nixon). Die Abgüsse sind heute im Naturkundemuseum in New York ausgestellt.
Am 11. Juli 1948 erlag Franz Weidenreich einem Herzinfarkt. Er hinterließ über 200 wissenschaftliche Veröffentlichungen; die gründlichste und umfangreichste über einen Frühmenschen-Fund, „Der Schädelfund des Sinanthropus“, hat 484 Seiten; die populärste, „Affen, Menschen und Giganten“, erfuhr neun Auflagen. Edenkoben hat seinem weltberühmten Sohn eine Straße gewidmet.
(Herbert Hartkopf, Edenkoben, 2024)