Bei der Errichtung des Liebfrauenstifts in Neustadt überließ Pfalzgraf Ruprecht I. am 12. August 1356 die Kirche in Winzingen dem Stift als Gründungsgut. Der Speyerer Bischof Gerhard von Erenberg erlaubte dann am 22. April 1357 bei der oberhirtlichen Bestätigung dem neuen Kollegiatstift die Inkorporation (rechtliche Einverleibung) der Kirche zu Winzingen.
Die Kirche mit ihrem ziegelgedeckten Satteldach steht leicht erhöht auf einem ummauerten Eckgrundstück (Abb. 1). Das spitzbogige Westportal liegt in einer gestuft bis in den Giebel reichenden Mauervorlage (Abb. 2 und 3). Darüber befand sich ein neugotischer Turmaufsatz, der 1945 zerstört wurde. Von Norden kann die Kirche durch ein profiliertes Rundbogenportal mit Pilasterrahmung und schönem barocken Türblatt (Abb. 4) betreten werden.
In der Innenseite der Südmauer trägt eine Sandsteintafel (Abb. 5) die Inschrift:
ANNO 1730 IST DISE KIRCH VON EINER HOCHLÖBLICH REFORMIRT GEISTLICH ADMINISTRATION REBARIRT UND GEBAUT WORTEN REFORMIRTER PFARRER WAR DAZUMAHL DAVIT GOTTFRIED WEBER. KIRCHENVORSTEHER WAHREN IOHAN IACOB FISCHER ANWALT WIE AUCH JOHAN JACOB AUGSPURGER UNT HANS GEORG SCHIMPF.
Die protestantische Kirchengemeinde Winzingen nutzte die alte Kirche für ihre Gottesdienste bis zum Neubau der Martin-Luther-Kirche im Jahr 1965.
Der aus dem 13. Jahrhundert stammende kleine, frühgotische Bau wurde im Jahr 1730 durch Umbau vergrößert und stark verändert. Dabei wurden die flache Barockdecke über Gesims und Hohlkehle eingezogen und Fenster vergrößert.
Kunstgeschichtlich bedeutsam ist die Wandmalerei. Sie zählt zu den am besten erhaltenen gotischen Wandmalereien der Pfalz. Aus dem frühen 14. Jahrhundert stammen die beiden hochrechteckigen Felder mit Szenen aus der Verkündigung (Abb. 6 und 7) an der Ostwand. Die Südwand zeigt in zwei Registern übereinander Szenen der Passion Christi (Abb. 8). An der West- und Nordwand wird dieses Schema fortgesetzt, dort sind die Malereien jedoch weniger gut erhalten.
In der Ostseite ovales Glasfenster mit Lutherbildnis, wahrscheinlich aus dem Jahr 1905 (Abb. 9). Im Frühjahr 2023 wurden die beiden östlichen Fenster links und rechts des Altars durch Farbglasfenster des Glaskünstlers Thomas Kuzio ersetzt. Die beiden neuen Fenster nehmen die Thematik der beiden mittelalterlichen Malereien an der Ostwand auf. Das Fenster links des Altars zeigt den Verkündigungsengel (Abb. 10), das Fenster rechts des Altars die heilige Maria (Abb. 11).
Für die Erhaltung und Nutzung des Gotteshauses engagiert sich in sehr verdienstvoller Weise die „Fördergemeinschaft Alte Winzinger Kirche e. V.“ Der am 2. Mai 1996 gegründete Verein verfolgt nach seiner Satzung als Ziel „die Erhaltung und Gestaltung der Alten Winzinger Kirche nach den gesetzlichen Bestimmungen der Denkmalpflege, die Öffnung der Kirche für die Allgemeinheit zur Besichtigung und die Nutzung der Kirche für kulturelle und kirchengemeindliche Veranstaltungen sowie die Organisation von Ausstellungen“.
(Dr. Johannes Weingart, Neustadt an der Weinstraße, 2023)
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