Was Pfarrer Franz Kern dem katholischen Kirchenbuch anvertraute, überstieg an Tragik alles, was die Gemeinde in ihrer Geschichte erleben musste, zumindest gemessen an den Menschenleben, die bei einem Fährunglück auf der Nahe zu beklagen waren und an den Umständen, die dazu geführt haben.
Ergriffen von dem Unglück schrieb Pfarrer Kern entgegen der sonst nüchternen Dokumentation viele Einzelheiten nieder. Die Fähre, die zwischen dem Bretzenheimer und Planiger Naheufer auf Höhe der Turmstraße pendelte, kenterte im Hochwasser der Nahe am 4. April 1878 um 19 Uhr. Hinzu kam, dass der Nachen mit 13 Personen überbesetzt war.
Besonders tragisch war das Schicksal des Fährmanns Johannes Eibeck selbst, der seine beiden ältesten Söhne mit an Bord hatte. Als Johannes Eibeck nach dem Kentern des Nachen schwimmend das Ufer erreichte, in der Annahme, dass auch seine Söhne hier angekommen seien, sah er, dass einer seiner Söhne auf der Bugspitze des umgeschlagenen Nachens mitten in der Nahe Zuflucht gesucht hatte. Er sprang sofort ins Wasser zurück. Erreichte auch den Nachen, aber beide wurden von den Fluten mitgerissen und ertranken. Der zweite Sohn war zu dieser Zeit bereits abgetrieben und möglicherweise bereits tot. Johannes Eibeck hinterließ eine Frau und vier weitere Kinder.
Während sich sieben der Fahrgäste schwimmend ans Ufer retten konnten, galten sechs zunächst als vermisst. Die sofortige Suche durch alarmierte Dorfbewohner blieb jedoch erfolglos. Als die Nacht hereinbrach und die Suche mit Fackeln und Laternen fortgesetzt werden musste, stand bereits fest, dass man nur noch Ertrunkene suchen würde.
Erst 14 Tage nach dem Unglück, gab die Nahe die ersten Toten frei. Der jüngere der beiden Söhne von Johannes Eibeck wurde in Grolsheim gefunden und zusammen mit dem ebenfalls ertrunkenen Peter Zimmermann auf dem Bretzenheimer Friedhof beerdigt. Johannes Eibeck und der ältere Sohn wurden in Bingen an Land getrieben und dort beerdigt. Eine fünfte Person aus Bretzenheim wurde in Rheindiebach gefunden und dort beerdigt. Während diese fünf Personen identifiziert werden konnten, war dies beim sechsten Opfer nicht möglich. Es bleibt damit anzunehmen, dass es sich um einen Fahrgast aus einem Nachbardorf handelte.
Die Katastrophe war vermutlich darauf zurückzuführen, dass das über die Nahe gespannte Drahtseil, an dem der Nachen befestigt war und geführt wurde, durch den hohen Wasserstand der Nahe in das Wasser eingetaucht war und sich dadurch die Bewegungen des reißenden Stromes auf den Nachen übertragen hatten. Bedingt durch diese Bewegungen und die Überladung kenterte schließlich der Nachen.
Eine Duplizität der Ereignisse war Anfang der 1960er Jahre Schuld daran, dass der Fährbetrieb eingestellt wurde. Der damalige Fährmann war bei Hochwasser allein mit dem Nachen auf der Nahe, kenterte und ertrank.
(Projektteam der Modellkommune Bretzenheim, Juni 2023)