Bretzenheimer Krieg

Schlagwörter:
Fachsicht(en): Landeskunde
Gemeinde(n): Bretzenheim
Kreis(e): Bad Kreuznach
Bundesland: Rheinland-Pfalz
Koordinate WGS84 49° 52′ 45,26″ N: 7° 54′ 2,71″ O 49,87924°N: 7,90075°O
Koordinate UTM 32.421.023,90 m: 5.525.783,52 m
Koordinate Gauss/Krüger 3.421.067,51 m: 5.527.554,53 m
  • Historische Karte zum Bretzenheimer Krieg

    Historische Karte zum Bretzenheimer Krieg

    Copyright-Hinweis:
    LHA Koblenz Best. 702, Nr. 7878
    Fotograf/Urheber:
    W. Wenzel
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  • Zeichnung zum Bretzenheimer Krieg

    Zeichnung zum Bretzenheimer Krieg

    Copyright-Hinweis:
    LHA Koblenz Best. 702, Nr. 7670;
    Fotograf/Urheber:
    unbekannt
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Die Geschichte hat nichts mit den beiden Weltkriegen zu tun, es waren vielmehr lokale Streitigkeiten mit der Stadt Kreuznach (damals: Creutznach) um Nutzungsrechte, die zwischen 1742 und 1761 und damit 20 Jahre andauerten. Die Stadt Kreuznach als Sitz des kurpfälzischen Oberamts stritt sich mit der herrschaftlichen Verwaltung in Bretzenheim (damals: Brezenheim) des Grafen von Virmont bis 1744 und danach mit Freiherr von Roll zu Bernau bis 1761.
Banale Begebenheiten oder unterschiedliche Rechtsauffassungen wurden zum Anlass genommen, handfesten Streit zu provozieren. Gelegentlich kam es dann, angeführt von Kreuznacher Amtsleuten, zuweilen auch mit militärischer Unterstützung, zu Überfällen auf Bretzenheim. Bereits im Jahre 1542, als die Kreuznacher Amtmänner Boos von Waldeck und Beußer von Ingelheim mit Unterstützung Kreuznacher Bürger, Bretzenheim überfielen, Plünderungen vornahmen und zwei auf der Nahe verankerte Schiffsmühlen verbrannten. Und auch 200 Jahre später geht es um die Nutzungsrechte verschiedener Art an und auf der Nahe.
Hierzu ist festzustellen, dass die Nahe von Kreuznach bis zur Mündung bei Bingen in den Rhein nicht nur Grenzfluss zwischen einzelnen Ortschaften war, sondern auch unterschiedliche Territorien voneinander trennte. Dieser Umstand mag der Grund dafür gewesen sein, dass seit dem Mittelalter gemeinsame Nutzungsregeln vereinbart waren, von denen insbesondere die Kreuznacher Stadtfischer Vorteile erlangt hatten. Gestützt auf ihre Obrigkeit nahmen sie das Recht in Anspruch, die Fischerei in der gesamten Nahe von Kreuznach bis Bingen und von dort aus im Rhein „4 Stunden stromauf- und abwärts“ zu betreiben; als Markierungen für das Fischen im Rhein fungierten die Mündungen von Selz und Morgenbach.
Im Hinblick auf den Grenzcharakter der Nahe macht Bretzenheim allerdings eine Ausnahme, denn auf einer Länge von 3.100 m, von der Gemarkungsgrenze zu Kreuznach bis zu dieser bei Gensingen, vorbei an Planig und Ippesheim durchfließt die Nahe Bretzenheimer Territorium. Aber wie kam es zu dem Krieg? 1742 war Ambrosius Graf von Virmont Inhaber der Herrschaft über Bretzenheim (1734 - 1744) und besonders auf seine territoriale Eigenständigkeit und Unantastbarkeit der Grenzen seines Herrschaftsgebiets bedacht. Obwohl der Grenzverlauf zwischen Bretzenheim und Kreuznach und dessen Markierung nie strittig war, hat Graf von Virmont zusätzlich „Wappenstöcke“ auf seinem Grund und Boden aufstellen lassen. Das Oberamt hat dies in der Form beanstandet, als dies rechtlich völlig unbedeutend sei und lediglich dazu diente, das Selbstwertgefühl des Bretzenheimer Ortsherrn stärker zur Geltung zu bringen.
Um seinen aufwändigen Lebensstil im fernen Wetzlar zu finanzieren, versuchte Graf von Virmont über seinen damaligen Amtmann vor Ort Anton Desloch und den Schultheiß Syriac Wagner neue Geldquellen zu erschließen und durchzusetzen: Die holländischen Holzhändler mit ihren Flößen auf dem Bretzenheimer Nahestück sollten Abgaben entrichten! Da kein Herrscher zuvor solche Gebaren an den Tag legte, sah es die kurpfälzische Obrigkeit als „Böswilligkeit“ und „Unbelehrbarkeit“ der Bretzenheimer Verwaltung.
Die Abgaben für das Holz als Zoll hat das Fass zum Überlaufen gebracht. Voller Zorn über diese Frechheit haben der Kreuznacher Oberamtmann von Hundheim, den Truchsessen Knapp und Eckhat von Scherer die virmontischen Wappenstöcke umhauen lassen, was ein unerlaubter Eingriff in die Herrschaftsrechte des Grafen war. In der Reaktion von Amtmann Desloch durften nun die Kreuznacher Fischer nicht mehr innerhalb des Bretzenheimer Territoriums ihre Tätigkeiten ausüben. Das Verbot wurde ignoriert. In der Folge wurde ihnen von den Bretzenheimern vier Nachen und die Netze abgenommen und sichergestellt. Die Sache eskalierte.
Kurze Zeit später rückten die Kreuznacher Fischer mit neuen Nachen nur noch unter Bewachung kurpfälzischer Husaren aus. Für die sichergestellten Nachen und Fischerutensilien hielt sich in der Folgezeit das Oberamt Kreuznach an den Winzenheimer Untertanen des Grafen von Virmont schadlos, in dem sie den Bauern, die auf Kreuznacher Gemarkung Äcker besaßen und diese bestellen mussten, Zugtiere, Wagen und Ackergeräte wegnahmen, diese in Kreuznach versteigerten und den Erlös den Fischern (22 Familien) zukommen ließen. In der Folge wagte sich kein Winzenheimer Bürger mehr mit seinem Fuhrwerk auf Kreuznacher Gemarkung, nur heimlich oder mit einem „Vitamin B“-Passagierschein.
Die Streitigkeiten und die Machtdemonstrationen des Grafen von Virmont gingen weiter. Mit seinem unerwarteten Tod im Jahre 1744, waren die Kreuznacher hoffnungsfroh, dass die Streitereien mit dem Nachfolger von Graf von Virmont, einem Offizier der Leibwache des Kurfürsten von Köln, Freiherr Carl Hartmann von Roll-Bernau, ein Ende finden möge. Doch seine offizielle Belehnung durch den Kurfürsten Clemens August erfolgte erst am 22. Dezember 1746.
Die Übergabe der Reichsherrschaft Bretzenheim und Winzenheim selbst an den neuen Lehnsnehmer erfolgte erst Anfang 1747. Dies nahm der Kurfürst von Köln zum Anlass, in einem nachdrücklichen Schreiben an die kurpfälzische Regierung in Mannheim die Ausräumung der „annoch obwaltenden nachbarlichen Strittigkeiten“ anzumahnen. Er ersuchte darin weiterhin, den neuen Lehensträger in Ruhe zu lassen und forderte eine schriftliche Mitteilung der einzelnen Streitpunkte.
Nachdem diese geliefert wurden, hörte man 14 Jahre nichts mehr von dem Kurfürsten in Köln. Erst mit dem Wechsel in der Person des Kölner Erzbischofs und Kurfürsten - 1761 hat Maximilian Friedrich Graf von Königsegg-Rothenfels übernommen - gab es wieder Hoffnung. Für das Oberamt in Kreuznach war dies eine willkommene Gelegenheit, die leidige Angelegenheit wieder in Gang oder besser: zum Abschluss zu bringen. Doch die Regierung in Mannheim war nicht sonderlich an der Klärung interessiert, zumal von Bretzenheim keine neuerlichen Provokationen ausgingen. Die Annexion des linken Rheinufers während der französischen Revolution in den 1790er Jahren und die Umschichtung der Gesellschaft durch Aufhebung des Adels und Abschaffung aller Feudalrechte löste offenbar dieses Problem auf ihre Weise.

(Projektteam der Modellkommune Bretzenheim, Juni 2023)

Literatur

Schneider, Hans (2015)
Bretzenheim an der Nahe. Bretzenheim.

Bretzenheimer Krieg

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Bretzenheim
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Landeskunde
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Projektteam der Modellkommune Bretzenheim: „Bretzenheimer Krieg”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-345479 (Abgerufen: 2. Mai 2024)
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