Beschreibung
Das Naturstein sichtige Äußere, die schmalen Öffnungen in drei Geschossen sowie das mit Schieferdeckung versehene Zeltdach verleihen dem Turm den wehrhaften Charakter eines Stadtturms. Erst im obersten Stockwerk, in der Glockenstube, wird der Kirchturm-Charakter deutlich. Hier befinden sich zu allen Seiten gekoppelte Rundbogenfenster, mit eingelegten spitzbogigen Blenden.
Baugeschichte
Trotz der damaligen starken Dominanz des ehemaligen Herrenstifts St. Castoris zu Cardena, mit seiner Stiftskirche St. Castor und mit einer Begrenzung, wurde dennoch für die restliche katholische Kardener Einwohnerschaft eine separate Pfarrkirche gebaut. Ob sie eine Nebenkirche der Stiftskirche mit Trennung der Gottesdienste und Pfarrrechte war, darüber geben die Quellen keine erhellende Antwort. Im 13. Jahrhundert wurde die Kirche gebaut, die der Gottesmutter Maria geweiht war und den Namen Liebfrauenkirche trug. So tritt zum ersten Mal im Jahre 1246 ein Leutepriester, ein Plebanus Konrad, in Erscheinung. Er bekleidete zugleich das Amt eines Pfarrers der Liebfrauenkirche. Aus seinem Testament aus dem Jahre 1305 geht hervor, dass er für den Wiederaufbau des Pfarrhauses von Liebfrauen fünf Mark Silber vermachte.
Wie aus Quellen des 17. und 18. Jahrhunderts zu entnehmen ist, wurde die rechtliche Stellung des Plebanus eines Stiftpfarrers gleichgesetzt. Durch seine Ernennung, die durch den Kardener Archidiakon erfolgte, erhielt der Plebans gleichzeitig einen Platz im Chorgestühl der Stiftskirche. Wie aus weiteren Aufzeichnungen des Kunsthistoriker Dr. Ernst Wackenroder zu entnehmen ist, befand sich, nach Niederschrift eines Protokolls bei einer Visitation, die Liebfrauenkirche im Jahre 1620 noch in einem guten baulichen Zustand. Aber der Zahn der Zeit nagte an der baulichen Substanz des Kirchengebäudes und so wurde es 1758 als baufällig bezeichnet. Ob die Liebfrauenkirche weiterhin für den Gottesdienst geöffnet war, darüber schweigen die Quellen.
21 Jahre später, im Jahre 1779, wird bei einer Visitation vermerkt, dass ein Neubau vom Chor und des Kirchenschiffs vollzogen wurden. Die Baukosten für den Chorraum übernahm der Kardener Archidiakon des Herrenstifts, der zugleich auch als Patron der Kardener Pfarrei genannt wird. Zu dieser Zeit war Franz Karl Anton Eberhard von Dalberg Archidiakon und zugleich in Personalunion Propst des Herrenstifts. Die weiteren erforderliche Finanzmittel für den Neubau des Kirchenschiffs wurde von der Kardener Gemeinde aufgebracht.
Abriss des Kirchengebäudes
Im Zuge der Säkularisation wurde das Kollegiatsstift Sankt Castoris in Cardona, im heutigen Karden, im Jahre 1802 aufgelöst. Die ehemalige Stiftskirche wurde nun offiziell die Pfarrkirche von Karden. Das romanische Kirchengebäude der Liebfrauenkirche wurde abgerissen und nur der Turm blieb erhalten. Noch heute zeugen die Spuren eines Satteldaches an der dem Fluss zugewandten Turmseite vom einstigen Anbau (siehe Abbildung in der Mediengalerie, die den Turm von der Moselseite aus zeigt). Beim Abriss erfolgte nach archäologischen Erkenntnissen die Bestätigung, dass einst eine Vorgängerkirche schon am gleichen Platze stand. Diese stammte wahrscheinlich aus früherer fränkischer Zeit.
Ausbesserungen und neue Funktion
Im Laufe der Zeit neigte sich der Turm ein wenig nach Nordwesten. So wurde er im Jahre 1910 mit Mitteln der Rheinprovinz ausgebessert. Das Turmdach erhielt zwischenzeitlich eine neue Bedachung und wurde 1952 mit Schiefer neu eingedeckt. Die einstige gewölbte Turmhalle dient nun seit 1954 als Friedhofskapelle. Im ersten Obergeschoss wurde auf Initiative von Dechant Franz Brühl, der in den Jahren von 1949 bis 1973 Pfarrer von St. Castor war, für die Kriegsopfer des Zweiten Weltkrieges eine Gedächtniskapelle eingerichtet. Diese ist von der Südseite des Turmes über eine Treppe erreichbar. Somit hält der verwaiste Turm seit über 800 Jahren die Totenwacht an den Kardener Gräber.
Grabstein der Eheleute Wackenroder
An der Nordseite des Turms wurde der Grabstein des in Karden verstorbenen Historikers und seiner Gemahlin aufgestellt. Die Inschrift des Grabsteins lautet:
„Dr. Ernst Wackenroder * 3.1.1876 + 12.11.1959 / Gertrud Wackenroder * 1.12.1892 +11.8.1962“
Auf der Informationsplakette neben dem Grabstein steht geschrieben:
„Wackenroder Ernst Dr. phil. Kunsthistoriker
* 3.1.1876 in Uelzen/Niedersachsen gestorben am 12.11.1959 in Karden / Mosel.
Ernst Wackenroder studierte Kunstgeschichte in Halle/Saale und promovierte im Jahre 1907 zum Doktor der Philosophie. Von 1910 bis 1945 war er als Mitarbeiter der Denkmal-Statistik beim Provinzkonservator der Rheinprovinz mit der Bearbeitung der Kunstdenkmäler-Inventare der Eifelkreise, Trier und Saarburg beauftragt. Somit entstand die erste fachgerechte historische und kunsthistorische Einordnung von Bauwerken und Kunstgegenständen für den Altkreis Cochem, die schon 1939 ihren Anfang nahm. Nach dem Zweiten Weltkrieg siedelten die Eheleute Wackenroder im Jahre 1949 nach Karden, um den geschichtlich und kunstgeschichtlich bedeutenden Denkmälern im Altkreis Cochem näher zu sein. Die Gemeinde Karden verdankt dem unermüdlichen Autor Dr. Wackenroder besonders die geschichtliche und kunstgeschichtliche Aufarbeitung des Ortes, sowie der einstigen Stiftskirche St. Castor.“
Kulturdenkmal
Der Kirchturm der alten Pfarrkirche in Karden wird im Nachrichtlichen Verzeichnis der Kulturdenkmäler im Kreis Cochem-Zell geführt (Stand 2022). Der Eintrag lautet:
„Maximinstraße, auf dem Friedhof dreigeschossiger romanischer Bruchsteinturm der alten Pfarrkirche, 13. Jh.; elf Grabkreuze 18./19. Jh.; Kreuzigungsgruppe 18. Jh.“
(Karl Josef Zimmermann, Treis-Karden, 2022 / Ergänzungen zum Grabstein des Ehepaars Wackenroder von Hermann-Josef Spies, Treis-Karden, 2022)
Internet
de.wikipedia.org: Ernst Wackenroder (abgerufen 13.03.2023)