Mehr durch Zufall entdeckte man die Wirksamkeit von Kalk und Kupfer in einer „Bordeaux-Brühe“ genannten Mischung. Das Ansetzen der Brühe verlangte Sachkenntnis und duldete keinen Eigensinn. Falsche Dosierung oder Fehler beim Anteigen konnte zu schwerwiegenden Schäden an den Weinstöcken führen. Erste gemeinsame Maßnahmen gingen bei uns in den Kriegsjahren wieder unter. Die Männer waren als Soldaten im Krieg und die Frauen mussten die Betriebe mehr recht als schlecht bewirtschaften. Krankheiten, Schädlinge, Fröste und mangelnde Düngung erbrachten eine Reihe von Ernteminderungen bis zu Totalausfällen.
Schon der Transport der Spritzbrühe in die steilen Weinberge war eine Tortur. Erleichterung brachten dann aufkommende Motorpumpen und stabile lange Schläuche.
1948 errichtete der Raiffeisenverein dann im Gestade nahe der Fähre einen Schuppen. Hier wurden große Betonbottiche aufgestellt und mit Pumpen eine Wasserversorgung aus der Mosel hergerichtet. Erfahrene Angestellte des Vereins setzten (rührten) nun hier die Kupfervitriol-Spritzbrühe fachgerecht an. Nachdem das schwer lösliche Kupfervitriol meist über Nacht in den Becken eingeweicht wurde, leitete man es dann langsam in die Kalkmilch ein. Die Menge an Kupfervitriol und die Kalkmange musste exakt aufeinander abgestimmt sein, um eine Wirksamkeit bei gleichzeitiger Pflanzenschonung der bewirken. Eine begrenzte Haltbarkeit bedingte eine taggleiche Ausbringung. Die Winzer fuhren mit ihren meist von Kühen gezogenen Spritzfässern herbei und wurden betankt. Die Spritzbrühe hat die Eigenschaft, beim Umpumpen sehr zu schäumen. Da aber kein Kunde Schaum bezahlen wollte, wurde so lange gepumpt, bis die feste Brühe aus dem Fasseinlauf strömte. Der viele übergelaufene Schaum zog sich langsam hinab zur Mosel. Dort war im Uferbereich ein Graben ausgehoben, der als Auffangbecken diente. Die Kinder hatten hier ihren Spaß, denn man konnte darin wunderbar spielen, sozusagen eine Schaumparty feiern. An gesundheitliche Risiken wurde hierbei kein Gedanke verschwendet. Frühmorgens und um die Mittagsstunde standen die Winzer in langer Schlange an und warteten auf Ihre Betankung.
Nachdem in den 1960ern mit den neuen Weißspritzmitteln wesentlich wirksamere und viel einfacher zu handhabende Pflanzenschutzmittel auf den Markt kamen, wurde die Anlage stillgelegt und 1969 im Zuge des Baues der Umgehungsstraße abgerissen. Die Berichte nennen uns einen Spitzenabsatz von bis zu 220.000 Liter täglich. Insgesamt dürfte in der Anlage im Laufe der Zeit mehr als 60 Millionen Liter Pflanzenschutzbrühe angerührt worden sein.
Die alten Mittel Nikotin, Arsen und auch Kupfervitriol sind heute nicht mehr zur Anwendung zugelassen. Lediglich eine leichtere Kupferverbindung ist noch im Öko-Weinbau unverzichtbar.
(Hermann Thur, Briedel, 2023)