Stumm-Orgel in der Stiftskirche Sankt Castor in Karden

Schlagwörter:
Fachsicht(en): Landeskunde
Gemeinde(n): Treis-Karden
Kreis(e): Cochem-Zell
Bundesland: Rheinland-Pfalz
Koordinate WGS84 50° 11′ 1,45″ N: 7° 18′ 3,6″ O 50,18374°N: 7,301°O
Koordinate UTM 32.378.705,48 m: 5.560.441,22 m
Koordinate Gauss/Krüger 2.592.962,65 m: 5.561.656,36 m
  • Die Stumm-Orgel in der Stifts- und Pfarrkirche in Sankt Castor in Karden (2022)

    Die Stumm-Orgel in der Stifts- und Pfarrkirche in Sankt Castor in Karden (2022)

    Copyright-Hinweis:
    Hermann-Josef Spies
    Fotograf/Urheber:
    Hermann-Josef Spies
    Medientyp:
    Bild
    Anklicken öffnet eine größere Vorschau in Galerieansicht
  • Spieltisch der Stumm-Orgel in der Stifts- und Pfarrkirche in Sankt Castor in Karden (2022)

    Spieltisch der Stumm-Orgel in der Stifts- und Pfarrkirche in Sankt Castor in Karden (2022)

    Copyright-Hinweis:
    Hermann-Josef Spies
    Fotograf/Urheber:
    Hermann-Josef Spies
    Medientyp:
    Bild
    Anklicken öffnet eine größere Vorschau in Galerieansicht
Die Stumm-Orgel in der Stifts- und Pfarrkirche Sankt Castor in Karden befindet sich auf der Empore in der Westwand. Empore und Orgel waren um das Jahr 1728 im Kirchengebäude ergänzt worden.

Der Vorgänger - die gotische Orgel
Die älteste Nachricht über eine Orgel in St. Castor stammt aus der Mitte des 14. Jahrhunderts. Zur Erhöhung der Festfeier des Agnestages (21. Januar) machte der Vikar des Altars St. Agnes, Wirich von Lützingen, eine Stiftung, damit die 1. Vesper (am Vorabend) mit Orgelbegleitung gesungen werden konnte (Pauly 1986, S. 29). Also gab es um das Jahr 1350 eine Orgel in St. Castor. Dieselbe ist wohl bald nach 1300 aufgestellt worden, da das frühgotische Langhaus um diese Zeit vollendet war. Wahrscheinlich stand die gotische Orgel im westlichen Joch vor der nördlichen Hauptschiffwand. Diese Orgel wurde rund 400 Jahre lang in der Stiftskirche genutzt.

Auftragsvergabe und -ausführung
Im Jahre 1970 fand sich bei der Renovierung der Orgelempore unter dem Fußboden ein Holztäfelchen mit folgender Aufschrift: „ANNO 1728 DEN 21, AUGUSTI HATT DISSE SCHREINERARBEIT VERFERTIGT JOES ERNESTUS PÜTZ, GERICHTS-SCHEFFEN ALLHIER ZU GARDEN“(Landeshauptarchiv Koblenz). Der Kardener Handwerksmeister dokumentierte damit seine Arbeit an der Empore, die vor der Westwand für die neue Barockorgel errichtet worden war. Prof. Dr. Ferdinand Pauly, Kirchenhistoriker in Trier, bestätigte 1978 diese Zeitangabe. Er fand sie belegt durch einen Eintrag in der sogenannten „Kirchenfabrik“ des Stifts in Karden. Gemeint ist ein Heft mit handschriftlichen Aufzeichnungen in lateinischer Sprache über Einnahmen und Ausgaben für den Kirchenbau von St. Castor (ebd).
Ferdinand Pauly berichtet darüber: „Unter dem 4. Dezember 1728 erhielt der Orgelbauer Stumm aus Rhaunen-Sulzbach aus dem Hunsrück in der Endabrechnung nach bereits bezahlten 300 Reichstalern nochmals 510 Reichstaler, seine Frau und drei Söhne, die bei der Aufstellung geholfen hatten, 20 Reichstaler als Trinkgeld, (...)“ (Pauly 1986, S. 29). Diese Quelle bezeugt, dass das Stiftskapitel von Karden Johann Michael Stumm (1683-1747), den Begründer der berühmten Orgelbauerfamilie Stumm, mit dem Bau einer neuen großen Orgel für die Stiftskirche beauftragt hatte. Stumm hatte wenige Jahre zuvor, 1721 bis 1722, bereits für die Stiftskirche in Münstermaifeld ein zweimanualiges Werk gebaut. Leider blieb von dieser Orgel nur das Gehäuse erhalten. Für Karden schuf Johann Michael Stumm seine erste nachweisbare dreimanualige Orgel mit Hauptwerk (Oberwerk), Rückpositiv und Echowerk (im Kasten unter dem Hauptwerk) sowie dem Pedal (Bösken 1981, S. 12). Am 4. Dezember 1728 feierte das Stift St. Castor die Weihe der großen neuen Orgel. Johann Michael Stumm nahm mit seiner Frau und den ältesten Söhnen Johann Philipp (1705-1776), Johann Nikolaus (1706-1779) und Johann Heinrich (1715?-1788) an diesem Fest in Karden teil.

Orgel
Der Orgelprospekt auf der Empore vor der Westwand bringt in das frühgotische Hauptschiff einen zurückhaltenden aber deutlichen barocken Akzent. Auf dem schmalen Untergehäuse ruhend streben die drei Türme des Hauptwerkes hoch in den gewölbten Raum. Sie sind bekrönt mit lebensgroßen Figuren: Auf dem mittleren Turm steht König David mit der Harfe, auf den beiden Nebentürmen je ein Tuba blasender Engel. Bei allen Türmen und Feldern ist oben über die Pfeifen vergoldetes Schnitzwerk gelegt und von den Prinzipaltürmen schauen Engelsköpfe herab. Ein Feston aus geschnitzten Blüten und Früchten, das in zarten Pastelltönen gehalten ist, hängt über der Spielanlage. Das Rückpositiv - in die Mitte der Emporenbrüstung gestellt - gibt den Hauptprospekt in verkleinerter Umkehrung wieder. Auch seine Türmchen waren ursprünglich mit Engeln besetzt. Im Jahre 1882 wurden sie leider entfernt.
„Der von Johann Michael Stumm in Karden erstmals realisierte Orgeltyp zeichnet sich durch besondere Ebenmäßigkeit sowohl des äußeren Bildes als auch der inneren Anlage aus. Er ist in dieser Hinsicht von den verschiedenen Orgelmodellen des Meisters, die sich alle durch hohe Qualität auszeichnen, das gelungendste“ (Eppelsheim 1973).

Veränderungen
„Am 16. März 1763 wurde Franciscus Claus (aus Cochem) zum Organisten gewählt, der gleichzeitig Orgelbauer war. So erhält er am 2. Juli den Auftrag, die noch fehlenden Register anzufertigen“ (Bösken 1981, S. 73). Er besetzte den Platz des dritten Pedalregisters mit einer Posaune 16' und fügte im Rückpositiv das bereits von Stumm vorgesehene Cromhorn 8' hinzu. In einem Brief von 1838 - 110 Jahre nach der Fertigstellung der Orgel - steht die Bemerkung, dass die Orgel heute noch in einem Zustand sich befindet, als wenn ihre Aufstellung erst vor wenigen Tagen erfolgt wäre.
Der Orgelbauer L. Bröcher (Lebensdaten unbekannt) aus Merzig unterzog das Werk im Jahre 1901 einer gründlichen Reparatur. Dabei erfolgten einige Veränderungen, welche den Klang der Orgel dem Zeitgeschmack annähern sollten. Die Mixtur des Hauptwerkes wurde von vier auf drei Chöre reduziert; im Rückpositiv wurde sie ganz entfernt. An ihre Stelle trat ein Geigenprinzipal 8'.

Schwerwiegende Veränderungen, die leicht zu einer totalen Zerstörung des originalen Bestandes hätten führen können, erfolgten im Jahre 1935. Die barocke Empore, einst nur für die Orgel geplant, bot dem Kirchenchor nicht genügend Platz. Darum wurde das Untergehäuse mit mechanischer Spielanlage und Echowerk entfernt, dazu das Hauptwerk höher gesetzt, so dass die Sänger darunter stehen konnten. Man elektrifizierte die Traktur, stellte einen separaten Spieltisch seitlich auf die Empore und schloss zunächst lediglich elf Register des Hauptwerkes an. Der neue Spieltisch sah nur zwei statt der bisherigen drei Manuale vor. Das Echowerk sollte durch ein Oberwerk ersetzt und dieses auf das zweite Manual gekoppelt werden. Es war wohl die Faszination der technischen Möglichkeiten, die diesen - heute unverständlichen - Eingriff in das historische Werk auslöste. Der für 1939 vorgesehene weitere Umbau der Orgel wurde durch den Kriegsbeginn vereitelt. Zwar stand die Orgel über dreißig Jahre unvollendet, aber wesentliche Teile des originalen Bestandes blieben dadurch erhalten.

Wiederherstellung
Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte ein Umdenken eingesetzt. Die Erhaltung der alten wertvollen Instrumente stand im Vordergrund. Nach der Restaurierung der Stiftskirche im Jahre 1954 bemühte sich Pfarrer Franz Brühl bereits 1957 um die Orgelrestaurierung. Orgelbauer und Wissenschaftler planten gemeinsam die Rückführung des Werkes in einen Zustand, der dem ursprünglichen entsprach: Rekonstruktion eines Untergehäuses; Pedalanlage am originalen Ort; Echowerk mit originaler Schleiflade im Untergehäuse; Spielanlage wie die ursprüngliche in der Front des Untergehäuses mit rein mechanischer Spiel- und Registertraktur. 1963 wurde mit den Arbeiten begonnen. Seitdem ist der Tonumfang um 15 Töne bis f erweitert. Die Quintflöt 1-1/2' erhielt infolge eines Missverständnisses die nicht originale Repetition.
Bedingt durch die umfassenden Sanierungs- und Restaurierungsmaßnahmen an der ehemaligen Stiftskirche St. Castor dauerte es bis 1973, ehe die große Stumm-Orgel an ihrem angestammten Platz wieder aufgestellt werden konnte. Mit der Orgelweihe am 18. März 1973 und dem Orgeltag am 17. Juni 1973 wurde die gelungene Restaurierung des bedeutenden Orgelwerkes durch die Firma Johannes Klais Orgelbau KG, Bonn, abgeschlossen. Im Jahre 2009 wurden gravierende Schimmelpilzbildung an der Orgel und am Spieltisch festgestellt, die ein schnelles Handeln notwendig machten und von der Orgelbaufirma Krawinkel aus Trendelburg/Deisel bereits im Herbst 2009 beseitigt wurden. Chefintonateur Thomas Heinemann der Firma Krawinkel führte die Intonationsarbeiten aus.

(Karl Josef Zimmermann, Helmut und Annemarie Ritter, Ortsgemeinde Treis-Karden, 2022)

Quellen
Landeshauptarchiv Koblenz: Bestand Nr. 717, Ausgaben.
Festvortrag in Karden vom 17. Juni 1973 von Jürgen Eppelsheim.

Internet
karden.pg-treis-karden.de: Die Stumm-Orgel in der Stiftskirche St. Castor in Karden (abgerufen 15.12.2022)

Literatur

Bösken, Franz (1980)
Die Orgelbauerfamilie Stumm aus Rhauen-Sulzbach. Mainz.
Pauly, Ferdinand (1986)
Das Stift St. Kastor in Karden an der Mosel. Berlin.

Stumm-Orgel in der Stiftskirche Sankt Castor in Karden

Schlagwörter
Straße / Hausnummer
St. Castor Straße / Lindenplatz
Ort
56253 Treis-Karden
Gesetzlich geschütztes Kulturdenkmal
Kein
Fachsicht(en)
Landeskunde
Erfassungsmaßstab
i.d.R. 1:5.000 (größer als 1:20.000)
Erfassungsmethode
Literaturauswertung
Historischer Zeitraum
Beginn 1725 bis 1728

Empfohlene Zitierweise

Urheberrechtlicher Hinweis
Der hier präsentierte Inhalt ist urheberrechtlich geschützt. Die angezeigten Medien unterliegen möglicherweise zusätzlichen urheberrechtlichen Bedingungen, die an diesen ausgewiesen sind.
Empfohlene Zitierweise
Karl Josef Zimmermann, Helmut und Annemarie Ritter: „Stumm-Orgel in der Stiftskirche Sankt Castor in Karden”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-344469 (Abgerufen: 25. April 2024)
Seitenanfang