Ehemaliger Dorftreffpunkt Boa in St. Aldegund

Schlagwörter:
Fachsicht(en): Landeskunde
Gemeinde(n): Sankt Aldegund
Kreis(e): Cochem-Zell
Bundesland: Rheinland-Pfalz
Koordinate WGS84 50° 04′ 56,33″ N: 7° 07′ 47,2″ O 50,08231°N: 7,12978°O
Koordinate UTM 32.366.199,72 m: 5.549.457,78 m
Koordinate Gauss/Krüger 2.580.904,90 m: 5.550.175,96 m
  • Ehemaliger Dorftreffpunkt Boa in St. Aldegund

    Ehemaliger Dorftreffpunkt Boa in St. Aldegund

    Fotograf/Urheber:
    Günther Schumann
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    Ehemaliger Dorftreffpunkt Boa in St. Aldegund

    Fotograf/Urheber:
    Gerhard Schommers
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Was für München der „Stachus“ ist, das ist und war für St. Aldegund die „Boa“, Boa weil dort ein Brunnen lief - ein Born. Die „Boa“ war Dorfmittelpunkt und Treffpunkt für die Männer. Dort traf man sich schon morgens vor dem Gang in Wingert, Felder und Gärten. Kaum waren Löffel, Messer und Gabel des Mittagessens weggelegt, ging es auf die „Boa“ um Neuigkeiten auszutauschen. Und den Feierabend verbrachte man ebenso auf der „Boa“. Die Älteren saßen auf der „Boakomp“. Das waren die Brunnenbecken links und rechts des Brunnens. Es gab kein Radio, kein Fernsehen und eine Zeitung leisteten sich die Wenigsten. Deshalb war der Austausch von Neuigkeiten „von Mann zu Mann“ so wichtig. Ein „Original“ auf der Boa war der „Wähner Mechel“. „Wähner“ stand für Wagner. Ob der Mechel mit Familiennamen Wagner hieß oder ob er Wagner, also Stellmacher war, ist nicht überliefert.

Viele der Neuigkeiten entstanden in der Phantasie und waren äußerst unterhaltsam. So ist überliefert, dass der „Wähner Mechel“ berichtete, dass er bei der Arbeit auf den Feldern auf der Moselhöhe eine Hecke „met hunnertdousend Mesche“ beobachtet habe. „Mesche“ sind in St. Aldegund Spatzen. Die Zuhörer meinten: „Mechel, wäile iwwerträif awwer net“. Mechel meinte in seiner bekannten Bescheidenheit: „Awwer et woare zehndousend“. Aber auch das akzeptierten die Zuhörer nicht und Michel reduzierte: „Awwer ganz secher woaren dat dousend“. Aber auch das fand keinen Glauben. Darauf Mechel: „Awwer et woa su e Gewuschpels en der Heck“, also ein Gewusel.

Der Brunnen war über Generationen Wasserstelle für die Bewohner. Mit Eimern und Kannen versorgte man sich mit dem Wasser für Mensch und Vieh. Eine zweite Wasserstelle war der Dorfbach der unter dem ehemaligen Haus des Vogtes verlief oder das oberhalb befindliche „Brunnenstübchen“. Erst nach 1900 erhielt St. Aldegund eine Wasserleitung zu jedem Wohnhaus. Gespeist wurde die Wasserversorgung aus einer Quelle auf „Graben“. Die gab in langen, trockenen Sommern nur noch wenig Wasser her so dass an vielen Tagen „Wassermangel“ herrschte. Man versorgte sich mit den notwendigen Wasser am „Brunnenstübchen“ im Tal zwischen der Alten Kirche und dem Palmberg.

Aber auch Gemeindenachrichten wurden am Sonntag nach dem Hochamt auf der „Boa“ verlesen, gelegentlich auch auf dem Kirchplatz. Ein besonderes Erlebnis war die jährliche Weihnachtsbaumversteigerung auf der „Boa“. Die Gemeindearbeiter hatten mit dem Förster einen Wagen voll Weihnachtsbäume geschlagen der zur Versteigerung der Bäume auf der Boa stand. Ein Gemeindearbeiter stand auf dem Wagen und bot die Bäume Stück für Stück zum Erwerb an. Für schöne Bäume war das erste Gebot eine Mark, für schiefe und ungleichmäßig gewachsene Bäume 50 Pfennig. Dann ging das Bieten los und unter dem Johlen der Umstehenden wurde der Preis nach oben getrieben. Wenn niemand mehr bereit war, mehr zu bieten, rief der Gemeindearbeiter „Einmal, zweimal, dreimal“ und rief einem Gemeinderatsmitglied das am Fenster des damaligen Rathauses stand den Preis zu. Ein Rechnungsführer trug den Preis in eine Liste ein, der Käufer zahlte in bar und trug seinen Baum stolz nach Hause.
Und wie auf den Dörfern üblich, hatte fast jede Familie ihren „Rufnamen“, der mit dem Familiennamen im Pass nicht übereinstimmte. So wohnte rechts von der Boa der „Boa Pitter“, richtig der Peter Justen und links der „Boa Jupp“, richtig der Josef Henrichs. Die beiden Familien sind nicht verwandt. Der Name der „Boa“ wurde auch auf die Kinder übertragen auch wenn diese längst nicht mehr auf „der Boa“ wohnen.

(Gerhard Schommers, St. Aldegund, 2022)


Ehemaliger Dorftreffpunkt Boa in St. Aldegund

Schlagwörter
Ort
56858 St. Aldegund
Fachsicht(en)
Landeskunde
Erfassungsmaßstab
i.d.R. 1:5.000 (größer als 1:20.000)
Erfassungsmethode
Vor Ort Dokumentation, mündliche Hinweise Ortsansässiger, Ortskundiger

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Gerhard Schommers (2022): „Ehemaliger Dorftreffpunkt Boa in St. Aldegund”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-344032 (Abgerufen: 24. April 2024)
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