Die französische Herrschaft eröffnete der jüdischen Bevölkerung des Landes wenigstens zeitweise Freiheitsrechte, die sie als Staatsbürger mit ihren christlichen Nachbarn gleichstellte. Dass die tatsächliche Gleichheit im Leben und Umgang miteinander allerdings nicht immer der Lebenswirklichkeit entsprach, spiegeln die Hottenbacher Ereignisse um die Mairie in besonderer Deutlichkeit wider.
Gebäude Das heutige Gebäude der Ringstraße 53 wurde im Jahr 1792 errichtet. Es war in französischer Zeit (1794-1816) Sitz der Mairie, also des Bürgermeisteramtes, in Hottenbach.
Das langgestreckte Wohn- und Verwaltungsgebäude steht in Verlängerung der Längsachse der Kirche. Mit dieser schließt sich die ehemalige Mairie zu einer Baugruppe zusammen, die das Ortsbild maßgeblich prägt. Das Gebäude fällt durch sein Dach auf, bei dem die Dachflächen im unteren Bereich stark abgeknickt sind. Dieses sogenannte „Mansarddach“ hat seinen Ursprung in Frankreich. Die Frontseite des Hauses besitzt 15 weiße Fenster, die teilweise mit grünen Fensterläden versehen sind. Hinzu kommen vier Dachgauben mit kleinen Fenstern sowie ein Kellerfenster. Die grüne Holztür mit geschnitzten Verzierungen wird von einem beigen Sandsteinrahmen umrandet. Die darin eingeritzte Inschrift „PF 1792“ weist einen heute unbekannten Erbauer sowie das Erbauungsjahr des Gebäudes aus. Die Mairie ist noch kein Massivbau, da das Obergeschoss in Fachwerkbauweise errichtet ist. Das Fachwerk ist nicht sichtbar, sondern verschiefert. Lediglich das Untergeschoss ist aus Stein und feuerfest.
Die ursprüngliche Raumaufteilung der ehemaligen Mairie ist größtenteils erhalten. Im Erdgeschoss befindet sich an der Giebelseite ein Salon, der zwei Achsen breit die gesamte Tiefe des Gebäudes einnimmt. Im Obergeschoss befindet sich ein großer Saal. Dieser sogenannte „Specht´sche Saal“ wurde Mitte des 19. Jahrhunderts für größere Veranstaltungen im Dorf genutzt ehe es die Gasthaussäle gab. Das gesamte Gebäude wird von einem Keller unterfangen. Er diente zur Aufnahme der Zehntfrüchte der Bauern an die Herrschaft. Der Keller ist von der Nordseite des Hauses her ebenerdig zugänglich. In mehreren Räumen sind Türen und hölzerne Wandvertäfelungen mit einfacher geschwungener Rahmen- und Felderteilung erhalten.
Vorgängerbau An der Stelle des heutigen Hauses stand seit dem Spätmittelalter der sogenannte „Oberhof“. Diesen teilten sich im 16. Jahrhundert die Wild- und Rheingrafen mit den Cratz von Scharfenstein. Als sich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die Bautätigkeit auf dem Land verstärkte, wurde der Oberhof durch einen Massivbau ersetzt.
Franzosenzeit Im Herbst des Jahres 1794 drangen die Franzosen bis zum Rhein vor. Am 17. Dezember 1795 wurde Hottenbach schließlich geplündert und in französische Hand gegeben. Es kam in der Folgezeit zu Einquartierungen, Geldzahlungen und Schanzarbeiten für die französische Armee. Auch die Juden wurden zu Abgaben, Steuern und anderen Leistungen veranlasst. Sie sollten für die Plünderungen zahlen, deren Opfer sie im Krieg selbst waren. Zudem dichtete man ihnen Besitztümer an, um sie zur Grundsteuer heranzuziehen. Im Jahre 1796 klagten die Juden über diese ungerechte Verteilung sowie die allgemein herrschende ungleiche Behandlung. Die französische Bezirksverwaltung wies daraufhin an, die Juden in ihren Rechten „ungekränkt“, also unangetastet sein zu lassen. Dennoch mussten die Juden weiterhin für die Nutzung des Gemeindeeigentums zahlen. Dadurch blieben sie eine gesellschaftliche Randgruppe und wurden nicht als gleichberechtigte Bürger anerkannt.
Bis ins Jahr 1798 wurde das linke Rheinufer, welches ganz an Frankreich gefallen war, nach französischem Muster in Kantone und Départements eingeteilt. Hottenbach kam zum Kanton Herrstein im Saardépartement. Im Jahr 1800 folgte die Untergliederung der Kantone in Mairien. Eine Mairie war die unterste französische Verwaltungseinheit. Die Dörfer Hottenbach, Hellertshausen, Asbach, Weiden, Schauren, Bruchweiler, Kempfeld, Breitenthal, Wickenrodt und Oberhosenbach bildeten die Mairie Hottenbach. Als Maire, also Bürgermeister, Hottenbachs amtierte der Gastwirt Johann Nikolaus Specht (1758-1815). Als Dienstsitz bezog er den repräsentativen Oberhof neben der Kirche.
Noch unter Napoleon wurden die Freiheiten der Juden im Jahr 1808 mit dem „Schanddekret“ wieder stark eingeschränkt. In diesem Zuge mussten die Juden des Dorfes (zu dem Zeitpunkt 116 Personen) zur zwangsweisen Annahme fester Vor- und Familiennamen auf der Hottenbacher Mairie erscheinen. Der Hottenbacher Jude Nathan Wolf nahm beispielsweise den Namen Nathan Allmeyer an.
Preußenzeit In der Neujahrsnacht des Jahres 1814 überquerten preußische und russische Truppen den Rhein. Die Franzosen räumten den Hunsrück, der im Jahre 1815 bei der Neuverteilung der linksrheinischen Gebiete schließlich an Preußen fiel. Die Mairie Hottenbach wurde im Jahr 1816/17 aufgelöst. Der Oberhof war damit nicht mehr Sitz der Mairie, sondern kam in Privatbesitz. Der „Specht´sche Saal“ im Obergeschoss wurde in dieser Zeit für größere Veranstaltungen im Dorf genutzt.
20. Jahrhundert Unter dem Hottenbacher Pfarrer Albert Hackenberg (1852-1912) sollte die ehemalige Mairie im Jahre 1910 zum Pfarrhaus werden. Der Kauf scheiterte aber an den geringen Mitteln der Kirchengemeinde. So kam das Haus in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in die Hände des Schreinermeisters Albert Röder (1880-1951). Nach dem Zweiten Weltkrieg befand sich die Schwesternstation in der Kirchengemeinde in der ehemaligen Mairie. Von Ende 1972 bis in die achtziger Jahre existierte im Gewölbekeller des Gebäudes die Musikkneipe „Rumpelstilzchen“. Sie war in Hottenbach und in der Region Kult für eine ganze Generation. Heute ist die ehemalige Mairie ein denkmalgeschütztes Wohnhaus.
Die Mairie in Hottenbach wird im Nachrichtlichen Verzeichnis der Kulturdenkmäler im Landkreis Birkenfeld (Stand 2019) geführt. Der Eintrag lautet: „Ringstraße 53 sog. Oberhof, Wohn- und Verwaltungsbau mit Mansarddach, bez. 1792; Ausstattung.“
(Alina Frank, Universität Koblenz-Landau / freundliche Hinweise von Erik Zimmermann und Hans-Joachim Brusius, Ortsgemeinde Hottenbach, 2021)
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