NS-Zwangsarbeitslager Bevertberg

Lager für ein Arbeitskommando Kriegsgefangener in der Nordeifel

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Fachsicht(en): Archäologie, Landeskunde
Gemeinde(n): Dahlem (Nordrhein-Westfalen)
Kreis(e): Euskirchen
Bundesland: Nordrhein-Westfalen
Koordinate WGS84 50° 24′ 31,07″ N: 6° 26′ 54,16″ O 50,40863°N: 6,44838°O
Koordinate UTM 32.318.698,46 m: 5.587.177,77 m
Koordinate Gauss/Krüger 2.531.917,51 m: 5.585.957,79 m
  • Bild 1: Die Erinnerungstafel zum Zwangsarbeiterlager Bevertberg.

    Bild 1: Die Erinnerungstafel zum Zwangsarbeiterlager Bevertberg.

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  • Bild 2: Cover der DVD von Dietrich Schubert 'Kriegsjahre in der Eifel'.

    Bild 2: Cover der DVD von Dietrich Schubert 'Kriegsjahre in der Eifel'.

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  • Bild 3: Von links: Ortsvorsteher Manfred Braun, Bürgermeister Jan Lembach und der Initiator Dietrich Schubert an der Erinnerungstafel beim Kriegsgefangenenlager Bevertberg am 16.2.2022.

    Bild 3: Von links: Ortsvorsteher Manfred Braun, Bürgermeister Jan Lembach und der Initiator Dietrich Schubert an der Erinnerungstafel beim Kriegsgefangenenlager Bevertberg am 16.2.2022.

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Informationstafel zum Zwangsarbeiterlager Bevertberg
Am 16. Februar 2022 wurde auf einem Parkplatz an der Landesstraße 17, die von Rescheid kommend abwärts dem Kylltal zustrebt, eine Informationstafel der Öffentlichkeit übergeben (Abb. 1). Der in deutscher, französischer, niederländischer sowie in russischer Sprache verfasste Text lautet:
„Das Zwangsarbeiterlager Bevertberg: In Vorbereitung des Zweiten Weltkrieges kamen 1938 Tausende Arbeiter zum Bau militärischer Anlagen in die Eifel. Um sie unterzubringen, wurden Reichsarbeitsdienst-Lager errichtet. 1940 verließen die ‚Westwallarbeiter' die Region wieder, die Barackenlager blieben bestehen. Während des Zweiten Weltkrieges verschleppte die Wehrmacht Millionen Kriegsgefangene zur Zwangsarbeit ins Reichsgebiet. Viele wurden entlang der Westgrenze in ehemaligen RAD-Lagern interniert. Dazu gehörte von 1940 bis 1944 auch das Lager Bevertberg. Es befand sich etwa 350 Meter von dieser Stelle entfernt in Richtung Berk, rechts neben der Straße. Von Herbst 1940 bis Frühjahr 1941 waren hier polnische Kriegsgefangene interniert. Ab Herbst 1941 dienten fünf Baracken als Unterkünfte für etwa zweihundert sowjetische Kriegsgefangene, die in der Land- und Forstwirtschaft Fronarbeit verrichten mussten. Viele Gefangene starben bereits in den ersten Monaten an Hunger und unmenschlicher Behandlung. Tote gab es auch durch Erschießungen. Nach 1945 wurde hier ein Massengrab entdeckt.“

Die weiteren Hintergründe
Im Spätsommer 1941 wurden rund 200 sowjetische Kriegsgefangene zur Zwangsarbeit durch die Wehrmacht in das nahe der aufgestellten Tafel gelegene Lager ‚Bevertberg II' getrieben. Die Männer hatten nur die Kleidung, die sie am Leib trugen: Ihre alte, zerschlissene Uniform der Roten Armee, die gegen das raue Wetter der Nordeifel mit harten, schneereichen Wintern nicht schützte. Das Lager war in der Arithmetik der Wehrmacht das ‚Arbeitskommando (AK) 799' Bevertberg. Die Kriegsgefangenen waren beim Eintreffen vielfach bis auf Haut und Knochen abgemagert, Opfer des Vernichtungskriegs, den die Wehrmacht im fernen Osten führte. Sie waren aus Hungerlagern in die Nordeifel gebracht worden, um trotz des körperlich elenden Zustands harte Zwangsarbeit zu leisten. Meist war das schwere Waldarbeit. Die Männer mussten ihre Militärstiefel abgeben und bekamen dafür billige Holzschuhe, in denen sie selbst bei Schnee zur Arbeit ausrücken mussten. Als Nahrung gab es in der Regel nur dünne Kohlsuppe. Das Lager-Reglement war überaus hart und schikanös, es zielte darauf ab, brutal jede Hoffnung der Gefangenen auf ein für sie gutes Ende zu zerstören.

Jakow Nikolajew war einer von denen, die das Lager nicht überlebten. Er wurde am 12. Januar 1916 in Orlowka geboren. Vor dem Angriff der Wehrmacht auf die Sowjetunion hatte der 25-Jährige als Schreiber sein Geld verdient. In der Roten Armee war er beim 129. Infanterie-Regiment eingesetzt und geriet im Raum Gomel am 18. Juli 1941 in Wehrmachtgefangenschaft. Am 2. Januar 1942 gelangte er unter der Kriegsgefangenen-Nummer 37.051 ins AK 799, wo er mit nur 26 Jahren am 23. Februar 1942 starb. Sein Schicksal teilten nur in diesem Lager mindestens weitere 35 Gefangene. Sie erlagen dem Hunger und der allgemeinen Unterversorgung. Mindestens drei Gefangene wurden am Bevertberg erschossen. Die meisten Opfer des Lagers wurden in einem nahen Massengrab verscharrt.

Bevertberg war nur ein Beispiel für das Massensterben dieser Opfergruppe, dem im damaligen Kreisgebiet Schleiden allein im ersten halben Jahr nach Beginn des Einsatzes mindestens 137 sowjetische Kriegsgefangene zum Opfer fielen. Bis 1945 stieg die Opferzahl in allen Lagern für sowjetische Kriegsgefangene kreisweit auf 231. Das Massengrab mit den sterblichen Überresten der Opfer des Lagers Bevertberg wurde 1950 exhumiert, die Leichname wurden zunächst auf einer zentralen Begräbnisstätte des Kreises Schleiden für umgekommene sowjetische Kriegsgefangene in Hollerath neu beigesetzt und zehn Jahre später nochmals zu einem zentralen Bezirksfriedhof für die sowjetischen Kriegsgefangenen zwischen Rurberg und Kesternich umgebettet. Mit den Massengräbern verschwand im Schleidener Land die letzte sichtbare regionale Erinnerung an das Grauen in den sogenannten Russenlagern.

Die Initiative des Dokumentarfilmers Dietrich Schubert
Es ist dem steten Bemühen des in Kronenburg lebenden Dokumentarfilmers Dietrich Schubert zu verdanken, dass die Erinnerungstafel an die Opfer des Lagers errichtet wurde. Der Dokumentarfilmer hatte 1989 für die Dokumentation ‚Kriegsjahre in der Eifel' (Abb. 2) im Raum Rescheid Zeitzeuginnen und Zeitzeugen befragt. Der Film dokumentiert ausführliche Interviews zur NS-Zeit und zum Krieg in der Region. So entstanden filmische Zeugnisse von hohem dokumentarischem Wert und unter die Haut gehende Geschichtserzählungen. Viele der Interviewten berichteten auch von einem ‚Russenlager' am Bevertberg, in dem es zahlreiche Todesopfer gegeben habe. Als Schubert erstmals von einem Zeitzeugen zu dem ehemaligen Lagerstandort geführt wurde, waren noch Mauerreste erkennbar; bald darauf geriet das Lager aber in Vergessenheit. Schubert bemühte sich jedoch vielfältig darum, die Erinnerung daran wachzuhalten.

Er konzipierte die Informations-Tafel, die künftig an das Lager und insbesondere dessen Opfer erinnern sollte. Der Bürgermeister der Gemeinde Dahlem, Jan Lembach, erteilte nicht nur umstandslos die Erlaubnis zur Aufstellung, sondern ermöglichte auch aus Gemeindemitteln die Herstellung der Tafel und deren Anbringung an dem rund 350 Meter von dem ehemaligen Lager entfernten Parkplatz an der Landesstraße 17. Eng eingebunden war auch Manfred Braun, der Ortsvorsteher des nächstgelegenen Ortes Berk (Abb. 3). Er hatte die Dorfgemeinschaft vorab informiert und zeigte sich begeistert angesichts der allgemeinen Zustimmung, die das Erinnerungsprojekt im Dorf fand. Besonders die älteren Bewohnerinnen und Bewohner unterstützten das Vorhaben ausdrücklich.

Er berichtete bei der Vorstellung der Tafel am 16. Februar 2022, dass sich die Jugend des Ortes Berk verstärkt für das interessiere, was da vor ihrer Haustür im Schatten des Zweiten Weltkriegs geschehen war. Dietrich Schubert sagte bei der Vorstellung der Tafel für die Presse, dass die Zeitzeuginnen und Zeitzeugen, die er Ende der 1980er Jahre zu dem Lager befragt habe, inzwischen verstorben seien. Als Ersatz für die Mahnungen der Zeitzeuginnen und Zeitzeugen soll nun dort die Tafel als Impuls und Fingerzeig auf das ehemalige Lager und seine Opfer dienen.
Ein Bild auf der Tafel zeigt die an dem Standort 1938 errichteten Baracken des Reichsarbeitsdienst-Lagers Bevertberg II in parkähnlicher Lage. Ab 1940 gab es Folgenutzungen. In den Baracken wurden zunächst polnische Kriegsgefangene interniert, ab Oktober 1941 ausschließlich sowjetische Kriegsgefangene. Bilder, die das eigentliche Gefangenenlager zeigen, sind nicht bekannt. Aber es ist klar, dass das Gefangenenlager einen deutlich anderen Charakter zeigte als die Propagandaaufnahme des Arbeitsdienst-Lagers. Statt der gepflegten Grünanlagen dominierte beim Gefangenenlager der von Soldaten zusätzlich mit scharfen Waffen gesicherte unüberwindbare Stacheldrahtzaun.

An sich wäre es wünschenswert gewesen, das Schild näher am ehemaligen Lager zu errichten. Das scheiterte jedoch an den örtlichen Gegebenheiten. Am Erinnerungsbereich selbst besteht weder eine Parkmöglichkeit noch eine Gelegenheit, das Areal zu Fuß zu erreichen. Ersatzweise hat Schubert ein Bild von dem heute überwachsenen Gebiet auf die Tafel drucken lassen. Auf dem Gelände erkennt man Gebäudespuren, wie etwa eine alte Brunnenfassung und Terrassierungsmauern (Hinweis: Die Geometrie im KuLaDig-Kartentool zeigt den Parkplatz, auf dem die Tafel steht, an, nicht den Standort des Lagers).
Nach dem Kriegsende lebten vorübergehend deutsche Flüchtlinge in den Baracken, später wurde dort eine Teermischanlage für den Bau der Landesstraße betrieben. Daher ist unklar, aus welcher Zeit die heute noch sichtbaren spärlichen Bau-Überreste stammen. Ohne vertiefte Untersuchung dürfte eine exakte Bestimmung schwierig sein.

(Franz Albert Heinen, Schleiden, 2022)

Quellen
  • Schubert, Dietrich (1989), Kriegsjahre in der Eifel (DVD). Regie: Dietrich Schubert, Kamera: Serge Roman, Ton: Josef Pörzchen, Schnitt: Brigitte Schröder-Zimmermann. Länge 116 Minuten.
  • Die Todesmitteilung zu Jakow Nikolajew an das Stalag ist auf den 16.03.1942 datiert: International Tracing Service (Internationaler Suchdienst), ITS 2.1.2.1 / 70792995f sowie CAMO, Personalkarte I Stalag VI/G Bonn.

Internet
rheinische-anzeigenblaetter.de: Kindermann, Lars, Gegen das Vergessen. Erinnerung an Arbeitslager. Rheinische Anzeigenblätter, 17.2.2022 (abgerufen 24.02.2022)
ksta.de: Lieser, Stefan, Erinnerung nach 77 Jahren. Bei Berk steht die erste Infotafel im Kreis, die auf einstige Zwangsarbeiterlager hinweist. Kölner Stadt-Anzeiger, Euskirchener Land, 18.2.2022, S. 22 (Artikel liegt hinter einer Bezahlschranke, abgerufen 24.02.2022)

Literatur

Heinen, Franz Albert (2018)
"Abgang durch Tod". Zwangsarbeit im Kreis Schleiden 1939-1945. Schleiden.

NS-Zwangsarbeitslager Bevertberg

Schlagwörter
Straße / Hausnummer
Schleidener Straße / L17
Ort
53949 Dahlem
Fachsicht(en)
Archäologie, Landeskunde
Erfassungsmaßstab
i.d.R. 1:5.000 (größer als 1:20.000)
Erfassungsmethode
Auswertung historischer Schriften, Literaturauswertung, Geländebegehung/-kartierung, Archivauswertung, mündliche Hinweise Ortsansässiger, Ortskundiger
Historischer Zeitraum
Beginn 1941, Ende 1945

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Franz Albert Heinen (2022): „NS-Zwangsarbeitslager Bevertberg”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-343514 (Abgerufen: 27. Juli 2024)
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