Interessentenforst Samerrott

Markwald Samerrott

Schlagwörter:
Fachsicht(en): Kulturlandschaftspflege
Gemeinde(n): Samern
Kreis(e): Grafschaft Bentheim
Bundesland: Niedersachsen
Koordinate WGS84 52° 18′ 20,05″ N: 7° 16′ 37,89″ O 52,30557°N: 7,27719°O
Koordinate UTM 32.382.539,67 m: 5.796.422,85 m
Koordinate Gauss/Krüger 2.587.155,98 m: 5.797.672,90 m
Einleitung
Anlass der Untersuchung war, dass der 266 ha große alte Markwald und heutige Interessentenforst Samerrott mit dem dazugehörigen angrenzenden Kulturland und den an diesem Wald beteiligten Höfen in der Gemeinde Samern (Samtgemeinde Schüttorf, Krs. Grafschaft Bentheim) von der geplanten Trassenvariante der BAB 31 durchschnitten wurde. Wegen der Bedrohung wertvoller kulturlandschaftlicher, heimatkundlicher und ökologischer Strukturen durch die Auswirkungen der Autobahn hat sich 1991 eine „Bürgerinitiative gegen Autobahnbau östlich von Schüttoff e.V.“ gegründet. Sie beauftragte 1992 das Seminar für Historische Geographie der Universität Sonn, den Interessentenforst Samerrott mit den zugehörigen Höfen und Kulturland kulturhistorisch zu untersuchen. In dem Gutachten ging es um die sichtbaren Kulturlandschaftselemente, -strukturen und -flächen. Der Interessentenforst ist einerseits ein konkretes Flächenelement und andererseits eine Rechtsperson. Aber auch die nicht sichtbaren rechtlich-administrativen Strukturen, Traditionen und Bräuche, die sich auf die Kulturlandschaft ausgewirkt haben, wurden untersucht (Burggraaff 1992).

Das Untersuchungsgebiet wird von der Vechte durchschnitten und befindet sich an der Kreisgrenze, die auch die alte Grafschaftsgrenze darstellt. Die beteiligten Höfe liegen nördlich, westlich und südlich des Samerrotts auf den Uferwällen und Terrassen entlang der Vechte.

Die Entwicklung
Das Gebiet war seit dem Frühmittelalter kontinuierlich besiedelt. Bis 1880 war das Samerrott von ausgedehnten Heide- und Moorflächen umgeben, die erst nach 1880 systematisch kultiviert wurden, wodurch die damals für diesen Raum charakteristischen Feuchtgebiet verschwanden. Das alte Kulturland, das spätmittelalterliche und frühneuzeitliche Strukturen aufweist, ist dagegen größtenteils erhalten geblieben.

Die vorherrschende Siedlungsform ist die Streusiedlung mit kleineren Konzentrationen in Samern und Ohne. Die Ackerkomplexe, von denen die größeren aus dem Hochmittelalter stammen, befinden sich in der unmittelbaren Umgebung der Ortschaften. Die sog. Ackerkampen schließen sich an den Einzelhöfen an, die seit 1300 in den Archivquellen belegt sind. Die jüngere Kultivierungen des 16.-18. Jahrhunderts haben eine inselartige Lage im Heidegebiet. Die Grenzen der Ackerkomplexe (Plaggensche) mit Hecken-, Baumreihen und Wällen sind noch vorhanden. Ebenfalls befinden sich viele Hecken-, Baumreihen und Wälle entlang den Wegen. Die ältesten Grünlandflächen, die zunächst nicht parzelliert waren, befanden sich in der Vechteaue und in den Bachtälern. Um 1850 gibt es dort noch kleine Bauernwaldparzellen, Hecken, Holzwälle, Graben usw., die nach der Vechteregulierung Ende der 1930er Jahren verschwunden sind.

Die Kultivierungen sowie ihre Gestaltung des ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhunderts stellen ebenfalls aufgrund der damals vorherrschenden Kenntnis und des damaligen technischen Möglichkeiten kulturhistorischen Werte dar.

Das Samerrott war Teil der Marke Samern, die darüber hinaus die Höfe der Bauernschaft, die privat genutzten Acker-, die Grünlandflächen und die Allmendeflächen umfasste. Das Charakteristische des Samerrott ist, dass es sich hier um einen alten Markwald handelt. Nach Wrobst (1971, S. 3) ist ein Markwald (Gemeinschaftsforst) ein Wald, „der den Eigentümern einer deutschrechtlichen Gemeinschaft in Form ideeller Anteile gehört. Er kann nur als einheitliches Ganzes verwaltet und bewirtschaftet werden. Die Anteilsinhaber bilden eine nach Herkommen oder Gesetz unauflösbare Gemeinschaft. Diese ist vom Objekt her und durch die Art der Anteilsrechte dinglich bestimmt, während der Personenkreis wechselt“. Diese Definition trifft sowohl in der Vergangenheit als auch gegenwärtig zu. Die meisten Waldanteilinhaber sind Landwirte der angrenzenden Höfe.

In der seit 1866 preußischen Provinz Hannover blieben die Waldmarken zunächst bestehen, da sie bei der Einrichtung der politischen Gemeinden um 1810 nicht in Gemeindehand übergegangen sind (Wrobst 1971, S. 50). Im Laufe des 19. und 20. Jahrhunderts sind die noch intakten Markwälder in Preußen und später in Niedersachsen durch das „Gesetz betreffend die Verfassung der Realgemeinden“ in der Provinz Hannover vom 5. Juni 1888 neugefasst worden. Niedersachsen gab es zehn unterschiedliche Typen von Gemeinschaftsforsten, die sich nach ihrem raumliehen Vorkommen, ihrer Entstehung, ihrer Bezeichnung und ihrem rechtlichen Status unterscheiden (Wrobst 1971, S. 64).

Die Gemeinschaftsforsten wurden im Rahmen des niedersächsische Gesetzes über den Körperschafts- und Genossenschaftswald vom 23. März 1961 reglementiert. Das alte Recht wurde durch neue Bestimmungen ersetzt. Mit dem Realverbandsgesetz von 1969 gilt für alle Gemeinschaftsforsten in Niedersachsen einheitliches Recht. Nach diesem Gesetz erhielt der „Realverband Forstgenossenschaft Samerrott“ eine zeitgemäße Satzung. Die in den alten „Verkörungsartikeln“ beschriebenen Rechte und Pflichten sind gestrichen worden. Nur die traditionelle Bezeichnung der Vorstandsmitglieder als „Mahlmänner“ und der Frondienst der „Genossen“ sind beibehalten worden (§ 5, Abs. 1 der Satzung von 1971 ). Die Anteile sind personengebunden und seit 1880 frei übertragbar.

Das Samerrott stellt sich auf Karten von 1744 als geschlossenes Waldgebiet östlich der Vechte dar. Der Wald ist bedeutend älter. Der wichtigste am Wald beteiligte Hof Hollenborn (Schulze Holmer) wurde schon um 1100 erwähnt (Kühle 1976, S. 130). Acht Hofnamen stammen aus der Periode 1346-1364 (Lehnsregister des Grafen von Bentheim), zwölf aus1486 (Heberegister des Grafen von Bentheim), 26 aus 1658 (gräfliches Messbuch der Marke Samern) und 28 aus 1828 zurück (Burggraaff 1992, S. 57-58). 1993 gab es 39 Genossen.

Der Markwald Samerrott war grundherrlich organisiert. Der Bischof von Münster war als Grundherr des bischöflichen „Sollerbes“ Hof Hollenborn bis 1802 Erbholzrichter, der traditionell über zwei Herrschaftsanteile verfügte. Das Erbholzrichteramt war mit dem seit 1100 urkundlich belegten Hof Hollenborn verbunden. Dort fanden auch die Holzgerichte statt. Der Hofbesitzer war Erbmahlmann. Die letzte Sitzung des Holzgerichts gab es am 28. Juni 1828 auf dem Hollenbornhof. Aufgrund der Tatsache, dass die Obergrafschaft Bentheim vor 1150 zum Bistum Münster gehörte, wird belegt, dass der Markwald Samerrott vor 1150 existierte.

Die ältesten Verkörungsartikel des Samerrotts datieren von 1698 (Busmann 1977). In den Verkörungsartikeln vom 23. Juni 1832 wurde König Wilhelm IV. von Hannover und Großbritannien als Erbholzrichter bezeichnet. Er delegierte dieses Amt an Landvogt Oelker von Emsbüren als „substituiertem Holzrichter“. Der sechs- bzw. siebenköpfige Vorstand (Mahlmänner) wurde alle vier oder acht Jahre vom Erbholzrichters berufen. Bis 1931 wurden die Mahlmänner noch im Amtsgericht in Bernheim auf die Verkörungsartikel vereidigt. Nach dem Gesetz zur Aufhebung der Marken- und Holzgerichtbarkeit wurde am 13. Februar 1850 das Amt des Erbholzrichters aufgehoben. Seitdem verwalten die Interessenten (Genossen) selbst. Die Verkörungsartikel wurden diesbezüglich angepasst. 1924 wurden anstatt die Berufungen Vorstandswahlen eingeführt.

In den neuen Artikeln von 1924 wurden die Rechte, Pflichten, die festgesetzte Höhe der Bußgelder und Bewirtschaftungsvorschriften beschrieben. Bei den Verboten handelt es sich um waldschädliche Aktivitäten wie die unerlaubte Abholzung, das Abschneiden von Asten für die Laubgewinnung, das Plaggenmähen, das Laubharken, das Aufschaufeln von Dünger und das Treiben von Schafen und Ziegen in den Wald. Nach den Verkörungsartikeln hat die Ertragssicherung und die Wirtschaftlichkeit des Waldes die höchste Priorität. Die Interessenten waren traditionell verpflichtet im Frühjahr und Herbst Waldarbeiten in Frondienst durchzuführen. Diese Verpflichtung ist auch in der neuen Satzung von 1971 aufgenommen worden. Obwohl die Anteile (Waare) frei übertragbar sind, werden sie trotzdem traditionsgemäß den Gehöften zugerechnet. Deswegen hat der Umfang der Samerrottanteile sich seit 1880 kaum geändert. Außerdem hat die heutige Forstgenossenschaft Samerrott das Vorkaufsrecht (§ 4, Abs. 2 der Satzung von 1971 ), um die freie Übertragung der Anteile zu beschränken.

Das Samerrott und die Struktur des Umlandes mit den beteiligten Höfen war vor dem Autobahnbau sehr gut erkennbar. Die Einzelelemente (Höfe, Wege, Hecken, Parzellenformen usw.) müssen in ihrem Zusammenhang betrachtet werden. Seit 1855 hat sich der Umfang des Samerrotts mit Ausnahme der Aufforstung des Heidegebietes in der Mitte des Waldes und am Nordrand kaum verändert. Auch die Aufforstung mit Nadelbäumen hat sich in Grenzen gehalten und beträgt noch keine 10%. Als weitere wichtige Veränderung ist die Einteilung in Jagen 1926, die von Schneisen markiert werden, zu betrachten, wodurch das alte Wegegefüge des Waldes erheblich verändert wurde. Schließlich sei noch auf die nicht sichtbaren historisch gewachsenen Traditionen (Frondienste), die Gebräuche (das Telgenbier) und das Namensgut (alte Hof- und Familiennamen) hinzuweisen, die unzertrennlich mit dieser Kulturlandschaft verbunden sind und intensiv gepflegt werden.

Die Begründung für die Erhaltung liefert das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) in der Fassung von 1989, in dem der Schutz von historischen Kulturlandschaften so weit wie möglich vorgesehen ist (§ 2, Abs. 1 Nr. 13. Dieser Grundsatz findet sich auch im Naturschutzgesetz von Niedersachsen. Es wurde die Ausweisung als Naturschutzgebiet mit einer landeskundlichen bzw. heimatkundlichen Begründung empfohlen. Eine solche Ausweisung mit landeskundlicher Begründung ist bereits für das Naturschutzgebiet „Bockerter Heide“ (Viersen) durchgeführt worden (Bockerter Heide). Die Begründung für die eventuelle Unterschutzstellung lautete: „Das Samerrott und die angrenzende Kulturlandschaft mit den beteiligten Höfen, weisen neben dem ökologischen einen sehr hohen landeskundlichen (kulturhistorische) und heimatkundlichen Wert sowie eine landwirtschafts- und forstwirtschaftshistorische Bedeutung nicht nur für die Gemeinde Samern und den Kreis Grafschaft Bentheim, sondern darüber hinaus auf“. Der Bau der Autobahntrasse würde sich negativ auf dieses traditionell geführten und bewirtschafteten Interessentenforsts und auf die gepflegten Traditionen, des Brauchtums und Namensguts führen. Hierdurch wird einer der wenigen (auch international gesehen) traditionell funktionierenden Markwälder stark beeinträchtigt.

Ausblick
Zusammenfassend war diese Untersuchung als eine Ergänzung auf die damalige Umweltverträglichkeitsstudie zu betrachten, in der das Schutzgut „Kulturgut“ (heute auch kulturelles Erbe) zu berücksichtigen ist. Der Abschnitt AS Schüttorf-Ost bis AS Ochtrup-Nord der BAB 31 wurde 2004 fertiggestellt. Die traditionellen Bindungen der Gehöfte mit dem Markwald sind somit von der Autobahn durchschnitten worden. Die Traditionen, das Brauchtum und die Bewirtschaftung (mit Frondienst) des Interessentenforstes sind erfreulicherweise beibehalten worden.

(Peter Burggraaff, 2022)

Quellen

Literatur

Burggraaff, Peter (1995)
Het markebos Samerrott en zijn omgeving. In: Historisch-Geografisch Tijdschrift 12, S. 101-112. Utrecht.
Burggraaff, Peter (1993)
Historisch-geographisches Gutachten zum Interessentenforst (Markwald) Samerrott und zur angrenzenden Kulturlandschaft. In: Kulturlandschaft. Zeitschrift für Angewandte Historische Geographie 3, Heft 1, S. 18-22. Bonn.
Burggraaff, Peter (1992)
Historisch geographisches Gutachten zum Interessentenforst Samerrott und zur angrenzenden Kulturlandschaft Samtgemeinde Schüttorf. (nicht veröffentlichtes Gutachten im Auftrag der Bürgerinitiative gegen Autobahnbau östlich von Schüttorf e.V., Samern.) Bonn.
Busmann, Johann (1977)
Geschichtliche Auszüge aus dem umfangreichen Archivverzeichnis von Schulze Holmer. Aufgestellt von Dr. Ludwig Edel, Schüttorf, am 13.06.42. (nicht veröffentlicht.) Samern.
Busmann, Johann (1976)
Entwicklung der Mitgliederliste im Samer-Rott von 1828-1976. (nicht veröffentlicht.) Samern.
Kühle, Ernst (1976)
Samern - Geschichte einer Landgemeinde. In: Jahrbuch des Heimatvereins der Grafschaft Bentheim (1975), S. 120-130. Bentheim.
Wrobst, Alfred (1971)
Der Markwald. Geschichte, Rechtsverhältnisse, wirtschaftliche und soziale Bedeutung der deutschrechtlichen Gemeinschaftswaldungen in der Bundesrepublik Deutschland. (Forschungen zur Agrargeschichte, 25.) Stuttgart.
(1971)
Verköringsartikel für das Samerrott von 1832 und 1924 sowie die Satzung von 1971. Samern.

Interessentenforst Samerrott

Schlagwörter
Ort
Schüttorf - Samern
Fachsicht(en)
Kulturlandschaftspflege
Erfassungsmaßstab
i.d.R. 1:5.000 (größer als 1:20.000)
Erfassungsmethode
Auswertung historischer Schriften, Auswertung historischer Karten, Literaturauswertung, Geländebegehung/-kartierung
Historischer Zeitraum
Beginn 1100 bis 1150

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„Interessentenforst Samerrott”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-343416 (Abgerufen: 31. Mai 2025)
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