Bedeutendstes Kulturdenkmal und bis heute sichtbarer Mittelpunkt der Ortsgemeinde Hottenbach ist die evangelische Kirche. Sie dokumentiert in ihrer Bausubstanz die Ortsgeschichte von der Römerzeit bis zur Gegenwart. Das Gotteshaus liegt nur 75 Meter von der ehemaligen Synagoge entfernt.
Beschreibung Charakteristisch für das Gebäude der evangelischen Kirche in Hottenbach ist der achteckige Mittelbau. Dieser wurde im Jahre 1903/04 aus unverputzten Bruchsteinen errichtet. An diesen Mittelbau sind vier Anbauten angeschlossen und erzeugen somit einen kreuzförmigen Grundriss. Der östliche Anbau ist der frühgotische Chorturm mit Helmdach. Dieser wurde in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts erbaut und stellt den ältesten Bauteil der Kirche dar. Der Chorturm hat eine Grundfläche von 4,20 m x 4,50 m (innen). Die Wände des Turms weisen eine Stärke von 1,5 m auf. Das hohe Zeltdach stammt wie der Glockenstuhl aus der Zeit um das Jahr 1600, als die Hottenbacher Kirche grundlegend umgestaltet wurde. Das Gewölbe des Turms wird durch mittelalterliche Fresken geschmückt, in deren Zentrum Christus als thronender Weltenrichter zu sehen ist. Die übrigen Fresken zeigen Maria (Mutter Jesu), Johannes den Täufer sowie die vier Evangelisten.
Außerdem befindet sich im Inneren des Chorturms ein römischer Viergötterstein, der im August des Jahres 1903 in dem kleinen zugemauerten Portal des Turms gefunden wurde. Er zeigt die Gottheiten Juno, Minerva, Herkules und Merkur und bildete ursprünglich die Basis einer Jupiter-Giganten-Säule. Er besteht aus Sandstein und stammt aus dem 2. Jahrhundert n.Chr. Die Bankreihen im Zentralbau sind gebogen und konzentrisch um den Altar geordnet. Über eine Wendeltreppe können die Emporen erreicht werden, welche in den Jahren 1601 und 1701 infolge der wachsenden Bevölkerung in die Kirche eingebaut wurden. Die Emporenpfosten sind im Originalzustand erhalten. Auf einer der Westempore vorgelagerten Orgelbühne wurde im Jahr 1782 die Hottenbacher Stumm-Orgel aufgestellt. Im Jahre 1904 fand sie schließlich ihren heutigen Platz im nördlichen Teil des Kirchenschiffs.
Neben dem Eingang befindet sich heute auch eine Kirchturmuhr, die im Jahre 2017 von interessierten Hottenbachern restauriert wurde. Die Uhr stammt aus dem Jahr 1787 und wurde wie viele andere Uhrwerke in der Region von der Odernheimer Uhrmacher-Familie Henn hergestellt.
Geschichte Die Hottenbacher Kirche von 1903/04 verbindet mehrere Ziele der kirchlichen Reformbewegung vor dem Ersten Weltkrieg. Das sogenannte Wiesbadener Programm (1891) forderte im Kirchenbau eine Abkehr von der katholischen Trennung zwischen Kirchenschiff (Laien) und Chor (Priester). Dem entsprach in Hottenbach der achteckige Zentralbau, der keinen abgetrennten Chorraum besaß sowie die gebogenen und konzentrisch auf den Altar gerichteten Bankreihen. Zudem wurde das Anliegen der Dorfkirchenbewegung aufgenommen, sich bei Neubauten an den heimischen Baustilen und Materialien zu orientieren und viele Elemente aus den Vorgängerkirchen zu übernehmen. In Hottenbach weisen darauf die offene Holzkonstruktion des Dachstuhls, die Wiederbenutzung römischer Quader, der alten Emporenstützen, der Kanzel und der Eingangstür hin. Nachdem über 100 Jahre kaum bauliche Maßnahmen erfolgt waren, litt die kleine, aus dem späten 13. Jahrhundert stammende Kirche unter Baufälligkeit. In den Jahren 1903/04 kam es zum Abbruch des alten Kirchenschiffs und zum Bau des neuen Zentralbaus. Initiatior des Kirchenbaus war der Hottenbacher Pfarrer D. Albert Hackenberg (1852-1912), welcher zu den populärsten rheinischen Kirchenmännern seiner Zeit gehörte (siehe Abbildung in der Mediengalerie). Als rheinischer Präses war er der leitende Theologe der Evangelischen Kirche der Rheinprovinz. Seit dem Jahr 2003 erinnern eine Bronzetafel und der Albert-Hackenberg-Platz an den Hottenbacher Pfarrer. Ausgeführt wurde der Neubau durch den Düsseldorfer Architekten August Senz (1862-1912/13). Senz baute eine Vielzahl von evangelischen Kirchengebäuden in der Region der Preußischen Rheinprovinz.
Wie sich beim Abbruch des früheren Langhauses herausstellte, war die Hottenbacher Kirche über den Ruinen eines römischen Gutshofes (villa rustica) errichtet worden. Entdeckt wurden außer Fundamenten (Ziegelmauerwerk) auch Reste einer Fußbodenheizung. Beim Kirchenbau hatten die aus dem römischen Bauwerk gewonnene Sandsteinquader und andere Spolien Verwendung gefunden. Die letzte umfassende Renovierung der Kirche erfolgte im Jahre 1973. 17 Jahre später wurde noch eine vierte Glocke gegossen.
Trivia Die Kirchenglocken besaßen in früheren Zeiten eine wichtige Funktion: Sie riefen die Gemeinde zu Gottesdienst und Gebet, sie sagten die Zeit an, und sie warnten die Dorfbewohner vor Unwetter, Feuer und Überfällen. In diesen Fällen wurde die Sturmglocke geläutet. Als im August des Jahres 1800 die Schinderhannes-Bande den jüdischen Kaufmann Wolf Wiener in Hottenbach überfiel, blieb die Sturmglocke jedoch still. Der Ortsvorsteher lehnte Wieners Bitte, die Sturmglocke zu läuten, ab. Die Glocken seien nur für die Christen da. Wiener könne selber die Glocke ziehen. Da dieser als Jude keine christliche Kirche betrat, ging er unverrichteter Dinge fort. Später klagten die französischen Behörden die Gemeinde Hottenbach wegen unterlassener Hilfeleistung an.
Aktuelle Nutzung Die Hottenbacher Kirche wird bis heute für den Gottesdienst der Gemeinde genutzt. Neben Gottesdiensten, Taufen und Trauungen finden auch regelmäßig Instrumental- und Chorkonzerte statt. Eine gut besuchte Veranstaltung sind zudem die Stumm-Orgelkonzerte anlässlich des Hottenbacher Markts, die mit einer Fotoausstellung verbunden sind und mehrmals im Jahr stattfinden. Außerdem finden Kirchenführungen statt, unter anderem am Tag des Offenen Denkmals.
Die Evangelische Pfarrkirche in Hottenbach wird im Nachrichtlichen Verzeichnis der Kulturdenkmäler im Landkreis Birkenfeld (Stand 2019) geführt. Der Eintrag lautet: „ehem. Chorturm, wohl 2. Hälfte 13. Jh., Pyramidendach evtl. 16. Jh.; achteckiger Bruchsteinbau mit Zeltdach, Anbauten kreuzförmig angeordnet, bez. 1904, Arch. August Senz, Düsseldorf; Schutzdach um 1700; Ausstattung des Vorgängers; drei Glocken: 13. Jh., 1595, 1628; römischer Viergötterstein; ortsbildprägend.“
Nachrichtliches Verzeichnis der Kulturdenkmäler, Kreis Birkenfeld. Denkmalverzeichnis Kreis Birkenfeld, 12. Juni 2023. Mainz. Online verfügbar: denkmallisten.gdke-rlp.de/Birkenfeld, abgerufen am 15.06.2023
Glatz, Joachim (1994)
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Weber-Karge, Ulrike; Wenzel, Maria (1993)
Denkmaltopographie Bundesrepublik. Kulturdenkmäler in Rheinland-Pfalz, Band 11. Worms.
Weirich, Hilde (1998)
Juden in Hottenbach und Stipshausen. Eine Spurensuche. Laufersweiler.
Zimmermann, Erik (2005)
Kirchenbau zwischen Tradition und Moderne. Die "neue" Hottenbacher Kirche von 1904. In: Mitteilungen des Vereins für Heimatkunde im Landkreis Birkenfeld 79, S. 69-87. o. O.
Zimmermann, Erik (2004)
Die Geschichte der evangelischen Gemeinden Hottenbach und Stipshausen. eine Hunsrücker Kirchenchronik. (Schriftenreihe des Vereins für Rheinische Kirchengeschichte 165.) o. O.
Zimmermann, Erik (2003)
Der römische Viergötterstein in der Kirche zu Hottenbach. In: Heimatkalender Landkreis Birkenfeld 48, S. 270-273. o. O.
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