Historischer Rebensatz im Rheingau

Schlagwörter:
Fachsicht(en): Kulturlandschaftspflege
Gemeinde(n): Eltville am Rhein
Kreis(e): Rheingau-Taunus-Kreis
Bundesland: Hessen
Koordinate WGS84 50° 01′ 18,56″ N: 8° 06′ 18,09″ O 50,02182°N: 8,10503°O
Koordinate UTM 32.435.889,30 m: 5.541.440,58 m
Koordinate Gauss/Krüger 3.435.938,73 m: 5.543.217,82 m
  • Weinbau auf der Rheininsel Mariannenaue. Schloss Reinhartshausen baut hier den historischen Rebensatz an (2017).

    Weinbau auf der Rheininsel Mariannenaue. Schloss Reinhartshausen baut hier den historischen Rebensatz an (2017).

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    Weingut Schloss Reinhartshausen GmbH & Co. KG
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    Weingut Schloss Reinhartshausen
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  • Blick auf den Draiser Hof in Eltville von der Rheinseite (2005)

    Blick auf den Draiser Hof in Eltville von der Rheinseite (2005)

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    Söder, Dagmar
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    Dagmar Söder
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Was ist der historische Rebensatz?
Der sogenannte „gemischte Satz“ war bis in das 19. Jahrhundert hinein die typische Anbauform von Weinreben. Die Bezeichnung „Gemischter Satz“ ist seit 2009 gemäß der EU-Verordnung 607/2009 den Weinen Österreichs vorbehalten, im Rheingau wird von „Historischer Rebensatz“ gesprochen.

Traditionell wurden bei dieser Anbauweise unterschiedliche, lokal vorkommende Rebsorten auf der gleichen Fläche gemeinsam angebaut, zum gleichen Zeitpunkt gelesen und gekeltert (im Unterschied zur Cuvée, bei der fertige Weine miteinander verschnitten werden). Die dahinterstehende Absicht war, sich die sortenspezifisch unterschiedlichen Reifeeigenschaften und Empfindlichkeiten gegenüber Witterungseinflüssen oder Schädlingsbefall zu Nutze zu machen: Bedingungen, die zu Ertragsrückgängen bei einer Sorte führen, müssen dies nicht unbedingt auch bei einer anderen tun.

Diese Art des Anbaus verringerte das Risiko, einen Totalausfall der Ernte bei ungünstigen Wachstumsbedingungen hinnehmen zu müssen. Wie die klimatischen Bedingungen auch waren - ein gewisser Ertrag war auch in weniger guten Jahren gesichert, insbesondere wenn reichtragende Sorten wie der Gelbe Orleans oder Heunisch Bestandteil des Rebensatzes waren.

Verdrängung des gemischten Rebensatzes im 19. Jahrhundert
Im Gegensatz zum Anbau im gemischten Rebensatz ermöglicht der Anbau im reinen Satz mit nur einer einzigen Rebsorte präzise auf ihre jeweiligen Pflegebedürfnisse einzugehen und den Lesezeitpunkt exakt auf ihren einheitlichen Reifegrad abzustimmen. So können erhebliche Qualitätssteigerungen erreicht werden. In wenigen Spitzenlagen hatte sich bereits sehr früh ein sortenreiner Anbau durchgesetzt, wie beispielsweise auf den Weinbergen des Schlosses Johannisberg, die seit 1720 ausschließlich mit Riesling bestockt sind. Zum Ende des 18./ Beginn des 19. Jahrhunderts setzte sich der sortenreine Anbau in den Weinbergen des Rheingaus mehr und mehr durch.

Dass die Qualität zunehmend an Bedeutung gewann und die Risikoabsicherung in den Hintergrund rückte, war ein wichtiger Grund, weshalb der Anbau im Rebensatz langsam aus den Weinbergen verdrängt wurde. Hinzu kam die Einschleppung der Reblaus auf den europäischen Kontinent im 19. Jahrhundert und die nachfolgende Neupflanzung von reblausresistenten Unterlagssorten. Ordnungspolitische Maßnahmen zur Bekämpfung der Reblaus beinhalteten dabei auch eine Reduzierung des Rebsortenspektrums: So sollten entsprechend dem Reichsrebensortiment von 1935 nur noch 11 Weißwein- und 8 Rotweinsorten angebaut werden. Die einst so große Vielfalt von Rebsorten wurde dadurch deutlich verkleinert. Letztlich führte die Flurbereinigung im 20. Jahrhundert zu einer grundlegenden Umstrukturierung der Weinberge im Rheingau und darüber hinaus. Die historische Anbauform im Rebensatz war damit endgültig in Vergessenheit geraten.

Wiederbelebung des Historischen Rebensatzes
Heute wird man sich der Bedeutung des Anbaus im gemischten Rebensatz mit einer Vielzahl sorgfältig aufeinander abgestimmter historischer Sorten langsam wieder bewusst: So bedeutet diese Art des Anbaus nicht nur den Erhalt eines besonderen historischen Kulturguts, sondern auch die Wahrung von rebengenetischer Vielfalt im Weinberg. Zugleich weisen diese Weine durch ihre individuelle Sortenzusammensetzung eine große geschmackliche Vielfalt und Komplexität auf und sind damit ein besonderes Nischenprodukt.

Im Jahr 2016 bildete sich im Rheingau die Initiative „Historischer Rebensatz“, die durch den Verein Historischer Weinbau im Rheingau e.V. ins Leben gerufen wurde. Das Ziel ist es den Anbau historischer Rebsorten zu stärken und traditionelle Anbaumethoden zu reaktivieren. Interessierte Winzer können sich beteiligen, wenn sie bestimmte Richtlinien beachten, die für diese Anbauform entscheidend sind. Das betrifft unter anderem den Anbau von mindestens fünf unterschiedlichen Rebsorten, die bevorzugt im Rheingau vor dem Jahr 1900 dokumentiert sind. Diese Rebsorten müssen in einer Bewirtschaftungseinheit angebaut werden, wobei auch der zeilenweise Anbau erlaubt ist. Entscheidend ist, dass Lese, Kelterung und Ausbau zusammen erfolgen, idealerweise im traditionellen Holzfass.

Rheingauer Weingüter, die den historischen Rebensatz anbauen
Der historische Rebensatz wird in jüngerer Zeit von einzelnen Winzern wiederentdeckt. Bislang sind es drei Weingüter im Rheingau, die Weine im historischen Rebensatz anbieten:

  • Das erste Weingut war das Weingut Baron Knyphausen, das diese alte Anbauweise bereits im Jahr 2011 in seiner Lage Eltviller Rheinberg wiederbelebte. Dieser historische Rebensatz besteht aus den Rebsorten Weißer Riesling, Roter Riesling, Gewürztraminer, Weißer Heunisch, Gelber Orleans, Silvaner und Weißer Elbling (Erbacher Straße 26, Eltville-Erbach, Webseite s. u.).
  • Weingut Schloss Reinhartshausen baut in seiner besonderen Lage, der Rheininsel Mariannenaue, Weine im gemischten Satz an. Die unmittelbare Nähe zum Rhein sorgt hier für ein einzigartiges Kleinklima. Seit 2018 wird hier aus den Sorten Adelfränkisch, Grünfränkisch, Roter Veltliner und Weißer Traminer ein historischer Rebensatz gewonnen (Hauptstraße 39, Eltville-Erbach, Webseite s. u.).
  • Das Weingut Hanka baut seit 2015 einen historischen Rebensatz mit dem Namen „Zurück in die Zukunft“ an. Dieser setzt sich aus Weißem Riesling, Weißem Heunisch, Gelbem Orleans, Rotem Riesling, Traminer und Gelben Muskateller zusammen. Das Weingut Hanka möchte der fast ausgestorbenen Kulturtechnik des gemischten Satzes wieder neue Impulse geben. Gekeltert wird in einer alten Korbpresse (Im Grund 41, Geisenheim-Johannisberg, Webseite s. u.).
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(Barbara Bernard, Landesamt für Denkmalpflege Hessen, 2020)

Internet
www.baron-knyphausen.de: Historischer Rebensatz (abgerufen: 18.12.2020)
www.schloss-reinhartshausen.de: Hofgut Insel Mariannenaue - Historischer Rebensatz Rheingau (abgerufen: 18.12.2020)
www.hanka-fieldblend.de: Zurück in die Zukunft (abgerufen: 18.12.2020)
www.historischer-weinbau.de: Projekt Historischer Rebensatz (abgerufen: 18.12.2020)
www.historischer-weinbau.de: Insel Mariannenaue - Historischer Rebensatz! (abgerufen: 18.12.2020)
www.historischer-weinbau.de: Was sind historische Rebsorten? (abgerufen: 18.12.2020)

Literatur

Booß, Andreas (2020)
Alte Rebsorten - neu entdeckt. In: Rheingau Forum - Zeitschrift für Wein, Geschichte, Kultur, S. 20-23. Mainz.
Konrad, H.; Lindner, B. (2016)
Gemischter Satz als Möglichkeit zur Erhaltung historischer Rebsorten. Vortrag. o. O.

Historischer Rebensatz im Rheingau

Schlagwörter
Straße / Hausnummer
Erbacher Straße 26
Ort
65346 Eltville - Erbach
Fachsicht(en)
Kulturlandschaftspflege
Erfassungsmaßstab
i.d.R. 1:5.000 (größer als 1:20.000)
Erfassungsmethode
Auswertung historischer Schriften, Literaturauswertung, mündliche Hinweise Ortsansässiger, Ortskundiger

Empfohlene Zitierweise

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Empfohlene Zitierweise
(Barbara Bernard, Landesamt für Denkmalpflege Hessen, 2020): „Historischer Rebensatz im Rheingau”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-327231 (Abgerufen: 26. April 2024)
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