Der Gelbe Orleans ist eine sehr alte Rebsorte, die im Rheingau noch vor dem Riesling über Jahrhunderte hinweg verbreitet war. Außerhalb des Rheingaus war er nur auf wenige klimatisch bevorzugte Standorte beschränkt.
Über seine Herkunft gibt es unterschiedliche Theorien. So berichteten Freiherr L. von Babo und J. Metzger im Jahre 1836 (S. 190), er sei „unter der Regierung Karl des Großen aus Orleans nach Rüdesheim verpflanzt“ worden. Sein Name würde auf diesen Ursprung hindeuten, auch wenn weitere Synonyme dieser Sorte keine Rückschlüsse auf eine französische Herkunft zulassen.
Einer anderslautenden Überlieferung zufolge waren es die Zisterziensermönche des Klosters Eberbach, die den Gelben Orleans im 12. Jahrhundert womöglich aus südlicheren Regionen Europas einführten. Nachgewiesen ist er dort jedoch erst ab 1709.
Durch Genom-Analysen konnten noch keine Elternsorten für den Gelben Orleans identifiziert werden – seine genaue Herkunft bleibt weiterhin im Dunkeln.
Eigenschaften des Gelben Orleans
Der Gelbe Orleans ist eine spätreifende (10 bis 12 Tage später als Riesling), starkwüchsige und sehr reichtragende Sorte („oft das Doppelte an Ertrag als der Riesling“, vgl. Freiherr von Babo und Metzger 1836: S. 192) mit großen, dickschaligen Beeren. Aufgrund seiner späten Reife und seines hohen Wärmeanspruchs wurde der Gelbe Orleans im Rheingau in den klimatisch günstigen Lagen mit intensiver Sonneneinstrahlung und auf leicht erwärmbaren Böden gepflanzt. So wurde er laut Carl Anton von Vorster (1756) vor allem in den Lagen Rüdesheimer Berg und in Assmannshausen angebaut.
Da die wärmebedürfte Rebsorte wohl häufig nicht zur vollen Ausreife gelangte, war sie für ihren hohen Säuregehalt bekannt. Dies machte sie auch zu einem geeigneten Zusatz für die Haltbarmachung säureärmerer Weine. So wurde Orleans häufig mit Riesling vermischt und im gemischten Satz angebaut.
Freiherr L. von Babo und J. Metzger (1836: S.191) berichteten, dass am Rande von Weinbergen, die an Straßen oder Feldwege grenzten, Orleans aufgrund seiner Säure sogar gewissermaßen zur Abschreckung gepflanzt wurde, um Vorbeigehende vom Naschen abzuhalten. Wein war zu damaligen Zeiten jedoch auch wichtig, um Keime im Trinkwasser zu verringern. Ein hoher Säuregehalt war zu diesem Zweck durchaus erwünscht.
Rückgang des Gelben Orleans im 19. Jahrhundert
Ab der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde der Gelbe Orleans nach und nach durch Riesling ersetzt, wohl auch aufgrund von dessen feinerem, bukettreicherem Geschmack. Nach Umstrukturierungen der Weinberge infolge der Reblauskatastrophe und später der Flurbereinigung, galt die im Rheingau einst weit verbreitete Rebsorte im 20. Jahrhundert für lange Zeit als nahezu ausgestorben. Die letzte bekannte Kelterung fand 1921 in Rüdesheim statt.
„Wiedergeburt“ im Fachbereich Rebenzüchtung der Forschungsanstalt Geisenheim
Im Jahr 1988 wurden die letzten beiden Flaschen des Gelben Orleans in den Staatsweingütern Kloster Eberbach versteigert. Die Versteigerung erregte große Aufmerksamkeit: Für 6.000 bzw. 5.700 Mark erstanden die Gebrüder Bernhard und Heinrich Breuer des Rüdesheimer Weingutes Georg Breuer die beiden Raritäten der Jahrgänge 1920 und 1921 aus dem Rüdesheimer Schlossberg. Fasziniert von dieser alten Sorte, die einst in den Lagen ihres Weinguts verbreitet war, nahmen sie Kontakt zu Prof. Helmut Becker auf, dem damaligen Leiter des Fachgebiets Rebenzüchtung und Rebenveredelung der Forschungsanstalt Geisenheim (heute: Hochschule Geisenheim University). Das Sortiment des Fachgebiets enthielt noch sechs Stöcke des Gelben und drei Stöcke des Grünen Orleans. Diese waren Wiedervermehrungen von Stöcken, die sich bereits seit etwa 80 Jahren in älteren Geisenheimer Sortimenten befanden, und sogleich begann die erhaltungszüchterische Arbeit an diesen Stöcken des Gelben Orleans.
Wenige Jahre später, im Jahr 1994, konnte das Weingut Georg Breuer 450 Stock Gelben Orleans am Rüdesheimer Schlossberg pflanzen - in einer Parzelle, die früher den Namen Orleansberg trug. Das Weingut Georg Breuer war damit das erste Weingut im Rheingau, das diese Rebsorte wieder für den Anbau entdeckte. In den folgenden Jahren kamen weitere Weingüter hinzu, die den Gelben Orleans entweder sortenrein, oder im historischen Rebensatz mit anderen Sorten anpflanzten.
Heute sind im Rheingau wieder 0,58 Hektar mit Gelbem Orleans bestockt. Er wird sensorisch als frisch und rassig, mit einer dezenten Note nach grünem Apfel beschrieben. Ein Stück Rheingauer Weingeschichte kann sortenrein bei folgenden Weingütern verkostet werden (Stand 03/2020):
- Weingut Georg Breuer, Rüdesheim: www.georg-breuer.com
- Weingut Josef Schönleber, Oestrich-Winkel: www.weingut-schoenleber.de
- Weingut Dr. Gietz, Geisenheim-Johannisberg: www.gietz-wein.de
- Weingut Ludwig Velten, Hochheim: www.woigiggel.de
(Barbara Bernard, Landesamt für Denkmalpflege Hessen, 2020)
Internet
www.falstaff.de: Falstaff - news: Die zweite Chance des Orleans (geprüft: 15.12.2020)