Stadtteil Schierstein (Wiesbaden)

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Fachsicht(en): Kulturlandschaftspflege
Gemeinde(n): Wiesbaden
Kreis(e): Wiesbaden
Bundesland: Hessen
Koordinate WGS84 50° 02′ 43,8″ N: 8° 11′ 41,68″ O 50,0455°N: 8,19491°O
Koordinate UTM 32.442.356,46 m: 5.543.999,94 m
Koordinate Gauss/Krüger 3.442.408,44 m: 5.545.778,23 m
  • Der Binnenhafen von Wiesbaden-Schierstein (2020).

    Der Binnenhafen von Wiesbaden-Schierstein (2020).

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  • Die Hafenpromenade von Wiesbaden-Schierstein, Blick nach Osten in die Hafenstraße (2020).

    Die Hafenpromenade von Wiesbaden-Schierstein, Blick nach Osten in die Hafenstraße (2020).

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  • Der Binnenhafen von Wiesbaden-Schierstein (2020).

    Der Binnenhafen von Wiesbaden-Schierstein (2020).

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  • Nachbildung der Jupiter-Gigantensäule in Wiesbaden-Schierstein (2020).

    Nachbildung der Jupiter-Gigantensäule in Wiesbaden-Schierstein (2020).

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  • Alte Weinkelter von 1720 als Zeichen für den Weinbau in Wiesbaden-Schierstein, aufgestellt an der Hafenpromenade (2020).

    Alte Weinkelter von 1720 als Zeichen für den Weinbau in Wiesbaden-Schierstein, aufgestellt an der Hafenpromenade (2020).

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  • Blick aus der Weinlage Frauensteiner Herrnberg auf die Lagen Schiersteiner Herrnberg und Hölle im Hintergrund (2020)

    Blick aus der Weinlage Frauensteiner Herrnberg auf die Lagen Schiersteiner Herrnberg und Hölle im Hintergrund (2020)

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Wiesbaden-Schierstein liegt etwa fünf Kilometer südwestlich der Innenstadt von Wiesbaden am Ufer des Rheins. Der Wiesbadener Stadtteil grenzt im Osten an Biebrich und im Westen an die selbstständige Gemeinde Walluf. In Schierstein leben rund 10.600 Einwohner (Stand: 2020).

Entwicklung des Ortes
Funde der neolithischen bandkeramischen Kultur in der Gemarkung Schierstein zeugen von Siedlungsaktivitäten in diesem Bereich seit etwa 5.000 v. Chr. Weitere Siedlungsfunde aus späteren Perioden in den Jahrhunderten vor Christi Geburt (Hallstattzeit, Latènezeit) lassen zumindest auf eine immer wiederkehrende Besiedlung des Gebiets des heutigen Schiersteins schließen.

In römischer Zeit wurden mehrere Gutshöfe des Typs Villa Rustica erbaut. Viccius Seneca, ein Reiter einer römischen Legion, ließ im Jahre 221 n. Chr. auf seinem Hofgut ein Denkmal zu Ehren des Gottes Jupiter errichten. Diese „Jupiter-Gigantensäule“ wurde im Jahr 1889 in einem sieben Meter tiefen Schacht auf dem Gelände des einstigen römischen Hofguts entdeckt. Eine Nachbildung wurde an der Hafenpromenade von Schierstein errichtet, das Original wird im Museum Wiesbaden aufbewahrt.

Die erste urkundliche Erwähnung erfolgte im Jahr 860 in einer Schenkungsurkunde von König Ludwig dem Deutschen (806-876) an das Kloster Bleidenstadt. Besitztum in Schierstein weckte bei vielen Begehrlichkeiten: „Zahlreiche Mainzer Stifte und Klöster hatten in Schierstein Besitz, so Liebfrauen, St. Johannes, St. Stephan, Altmünster und das Deutschordenshaus. Ferner versuchten auch das Kloster Tiefenthal und Eberbach auf Schierstein überzugreifen sowie an Adligen, die Herren von Schierstein und die Marschälle von Frauenstein“ (LAGIS 2018). Bleidenstadt behielt bis zum 18. Jahrhundert einen gewissen Einfluss in Schierstein, jedoch konnten die Grafen von Nassau den Ort spätestens ab dem 14. Jahrhundert in ihre Herrschaft in Wiesbaden eingliedern.
In der Reformationszeit begünstigten die Nassauer Grafen ab 1534/35 lutherische Prediger, ab 1547 trat Schierstein zum Protestantismus über. Ein Zeugnis des Protestantismus in Schierstein ist die 1754 errichtete protestantische Christophoruskirche im Rokokostil im alten Ortskern.

Im Laufe der Jahrhunderte wurde Schierstein immer wieder von durchziehenden, kriegerischen Truppen heimgesucht. Dies führte dazu, dass die Bevölkerungszahlen zeitweise drastisch sanken: Nach Albert Weber (1973) lebten im Jahr 1654, kurz nach Ende des Dreißigjährigen Kriegs, 33 Bürger, 5 Beisassen, 3 Tagelöhner und 3 Wittfrauen (Witwen) in Schierstein. Hundert Jahre später hatte sich die Einwohnerschaft wieder auf über 600 vergrößert. Ende des 19. Jahrhunderts zählte Schierstein über 2.000 Einwohner.

Im Jahr 1926 wurde der Ort nach Wiesbaden eingemeindet.
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Der Hafen von Schierstein
Fischerei, Flößerei, Weinbau und Landwirtschaft waren bis Mitte des 19. Jahrhunderts die wesentlichen Wirtschaftszweige Schiersteins. Vor der Begradigung des Rheins und der Verbesserung seiner Schiffbarkeit im 19. Jahrhundert waren der Fluss und seine Randbereiche äußerst vielgestaltig. Die Ufer waren weitgehend unbefestigt und das Gewässer von etlichen kleinen Auengebieten, Inseln, unterschiedlich tiefen oder seichten Bereichen geprägt. Diese Heterogenität schaffte eine Vielzahl von Lebensräumen für verschiedene Tier- und Pflanzenarten und begünstigte das Vorkommen großer Fischpopulationen. Fischer hatten damit ein gutes Auskommen.

Mit dem Aufkommen der Dampfschifffahrt ab 1828 wurden kleinere Ruder- oder Segelboote langsam verdrängt, eine Befestigung der Ufer wurde zunehmend erforderlich. Der Bau des als Binnenhafen angelegten Schiersteiner Hafens ab dem Jahre 1858 war ein Meilenstein in der Entwicklung der Schiersteiner Wirtschaft. Er war ein wichtiger Handelsplatz, flankiert von vielen Lokalen für Ausflügler, Hafenarbeiter, Flößer und die Bevölkerung. Als Winterhafen diente er als sicherer Anlegeplatz für Schiffe, die bei Eisgang nicht weiterfahren konnten.

Der Hafen wird heute überwiegend als Yachthafen und für Wassersport genutzt. Sein Nordufer wurde als Hafenpromenade zugänglich gemacht und verfügt über ein gastronomisches Angebot. Der Hafen wird auch als „Schiersteins Riviera“ bezeichnet und hat sich von seiner ursprünglichen Nutzung als Fischerhafen zu einem Naherholungsgebiet für Wiesbaden und das Umland gewandelt.
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Weinbau in Schierstein
Weinbau ist in Schierstein seit 973 n. Chr. urkundlich belegt. In einer Schenkungsurkunde von Kaiser Otto dem Zweiten (955– 983) an das Chorherrnstift Hilwartshausen bei Hannoversch-Münden vom 18. September 973 wird vermerkt: „…Wegen künftiger Hoffnung für unsere Seelen sowie auf heilsame Ermahnung unserer Mutter gewisse Teile unseres Eigentums, nämlich im Dorf Schierstein [Skerdestein] Weinberge so viel, wie zu vier Fuder Wein ausreicht, (…) an das Kloster Hilwartshausen (….) fest geschenkt haben“ (vgl. Weber 1973).
Bis zum Jahr 1015 wurden Schiersteiner Weinberge an das Kloster Hilwartshausen, das Domstift in Augsburg und das St. Michaelskloster in Bamberg verschenkt. Ungefähr ab diesem Zeitpunkt nahm der Einfluss des Mainzer Erzbistums im Rheingau zu, Klöster wie Tiefenthal und Eberbach entwickelten sich.

Ab dem späten Mittelalter etablierte der Schiersteiner Wein einen überregional guten Ruf. Im 16. Jahrhundert kamen Städter aus Wiesbaden und Mainz nach Schierstein um den hiesigen Wein zu trinken. Jedoch setzte der Dreißigjährige Krieg auch dem Weinbau zu: Im Zuge des drastischen Bevölkerungsrückgangs fielen in dieser Zeit viele Weinberge brach oder wurden, um die große Not der Besitzer zu mildern, rasch für wenig Geld verkauft.
Der Dreißigjährige Krieg, die kurz darauf im Jahre 1666 wütende Pest und weitere kriegerische Ereignisse im 18. Jahrhundert mit Armeen, die in Weinbergen und Feldern rasteten und diese zerstörten, führten dazu, dass der Anbau des einst berühmten Schiersteiner Weins einbrach. Um ihre Not zu lindern und schnelle Erträge zu erzielen, gingen die Einwohner vielfach zum Anbau von Früchten und Rüben über.

Jedoch blieb trotz der Produktionseinbrüche die Nachfrage nach Schiersteiner Wein weiterhin groß. Da weniger davon vorhanden war, als verlangt wurde, behalfen sich manche Schiersteiner zu Beginn des 18. Jahrhunderts eines Tricks. Heimlich wurden Weine aus anderen Regionen eingeführt und als Schiersteiner Weine verkauft oder mit ihnen verschnitten. Damit handelte es sich jedoch wohl um eine Praktik, die auch andernorts nicht unüblich war. Als der Schwindel aufflog, war das Entsetzen groß und mit einer fürstlichen Resolution vom 15. August 1719 wurde die Einfuhr fremder Weine nach Schierstein untersagt. Der Geschmack des echten Schiersteiner Weins sollte erhalten bleiben. Das Verbot wurde mehrfach erneuert. Im Jahr 1778 wurde zwar der Stadt Wiesbaden und anderen Orten des Oberamtes per Erlass erlaubt, fremden Wein einzuführen - einzig Schierstein blieb es weiterhin streng untersagt.
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Heute
Im 19. Jahrhundert ging der Weinbau in Schierstein weiter zurück. Gleichzeitig entwickelte sich jedoch, wie auch andernorts im Rheingau, die Sektindustrie. So eröffnete im Jahr 1864 Johann Jacob Söhnlein (1827-1912) im Westen der Gemeinde die „Rheingau Schaumweinfabrik“ und produzierte ein Jahr darauf Sekt unter dem Markennamen „Rheingold“.

Nach dem zweiten Weltkrieg war die Weinbaufläche in Schierstein auf lediglich 50 Morgen, knapp 13 Hektar, zurückgegangen. Heute ist eine Fläche von etwa 40 Hektar mit unterschiedlichen weißen und roten Rebsorten bestockt. Die Weinberge von Schierstein befinden sich in der Großlage Steinmächer, mit den Einzellagen Hölle und Dachsberg.
Aufgrund seiner Lage am Rheinufer, kurz nachdem der Fluss seine Fließrichtung gen Westen ändert und damit auf dem Abschnitt bis Rüdesheim für eine Südausrichtung der Hanglagen sorgt, bezeichnet sich Schierstein als „Pforte zum Rheingau“.
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(Barbara Bernard, Landesamt für Denkmalpflege Hessen, 2020)

Internet
www.wiesbaden.de: Stadtteile - Schierstein: Geschichte (abgerufen: 18.11.2020)
www.verschoenerungsverein-schierstein.de: Zur Geschichte von Schierstein (abgerufen: 18.11.2020)
www.lilienjournal.de: Der Schiersteiner Hafen (abgerufen: 18.11.2020)
www1.wiesbaden.de/microsites: Weinbau in Schierstein (abgerufen: 18.11.2020)
www.lagis-hessen.de: Historisches Ortslexikon - Schierstein (abgerufen: 18.11.2020)
www.soehnlein-brillant.de: Geschichte (abgerufen 17.12.2020)

Literatur

Heinen, Winfried (1981)
Rheingau und Hessische Bergstraße. In: Gesamtwerk Deutscher Wein, Essen.
Weber, Albert (1973)
Schiersteiner Wein seit tausend Jahren. Wiesbaden.

Stadtteil Schierstein (Wiesbaden)

Schlagwörter
Ort
65201 Wiesbaden - Schierstein
Fachsicht(en)
Kulturlandschaftspflege
Erfassungsmaßstab
i.d.R. 1:5.000 (größer als 1:20.000)
Erfassungsmethode
Auswertung historischer Karten, Literaturauswertung
Historischer Zeitraum
Beginn vor 860

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Barbara Bernard: „Stadtteil Schierstein (Wiesbaden)”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-324149 (Abgerufen: 26. April 2024)
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