Wasserburg in Reipoltskirchen

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Fachsicht(en): Landeskunde
Gemeinde(n): Reipoltskirchen
Kreis(e): Kusel
Bundesland: Rheinland-Pfalz
Koordinate WGS84 49° 38′ 6,69″ N: 7° 39′ 48,83″ O 49,63519°N: 7,66356°O
Koordinate UTM 32.403.500,07 m: 5.498.928,63 m
Koordinate Gauss/Krüger 3.403.536,84 m: 5.500.688,96 m
  • Gesamtansicht von Südwesten

    Gesamtansicht von Südwesten

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    Bergfried

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  • Brillenscharten in der Westmauer

    Brillenscharten in der Westmauer

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In der frei zugänglichen Tiefburg am nördlichen Ortsrand von Reipoltskirchen befindet sich heute ein Restaurant und eine kulturelle Einrichtung des Kreises Kusel. Die ehemalige Wasserburg zählt zu den am besten erhaltenen Tiefburgen der Pfalz. Die Anlage wird vom Odenbach in einer weiten Biegung umrundet. Der Burggraben im Westen ist trockengelegt.

Baubeschreibung
Geschichte

Baubeschreibung

Lage und Gestalt von Burg Reipoltskirchen sind außergewöhnlich. Die Burg wurde auf einem östlich in die Talaue vorspringenden flachen Felssporn errichtet. Offensichtlich vergrößerte man die Bergzunge künstlich durch Aufschüttung. Die Nord-, Süd – und Ostseite des Burgareals schützte der bogenförmig verlaufende Odenbach. Die Westseite wiederum war durch einen breiten (Hals?)Graben, der die Bergzunge durchstieß und vom Wasser des Mühlgrabens, bzw. des Odenbachs gespeist wurde, gesichert. Darüber hinaus trennte ein von Ost nach West verlaufender Graben die Kern- von der Vorburg.
Von der Anlage, die als die markanteste pfälzische Tiefburg gilt, ist trotz der Größe des Burgareals vergleichsweise wenig mittelalterliche oder frühneuzeitliche Bausubstanz erhalten. Gleichwohl kann man sich von der am westlichen Rande der Talaue des Odenbachs gelegenen und von einer einst natürlichen Biegung des Baches teilumrundeten Anlage ein gutes Bild machen. Haupt- und (südliche) Vorburg lassen sich in der Grundstruktur deutlich ablesen. Lediglich der heutige nördliche Abschluss der Kernburg gibt Rätsel auf. Wahrscheinlich war das Areal im Gegensatz zum heutigen größer und rechteckig ummauert.
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Burganlage
Von der Kernburg war das südlich eingerichtete, ummauerte Vorburgareal deutlich durch einen Graben geschieden. Nach Abbruch der historischen „Zehntscheune“ im Jahre 1884 wurde das nun gänzlich unbebaute Gelände landwirtschaftlich genutzt und wurde in der jüngeren Vergangenheit (unverständlicherweise) mit einem Privathaus überbaut.
Eine Steinbrücke über den Graben erschließt die Hauptburg von Süden. Sie erstreckt sich auf einem in die Talaue spornartig hineinragenden, flachen Areal. Dieses umschließt eine teilweise in den 1960er Jahren erneuerte Mauer. An die Westseite dieses Berings lehnen sich historische Bauten an. Dahinter erhebt sich ein quadratischer Turm. Der Norden und Osten ist Standort von zwei Neubauten (Küche eines Gastronomiebetriebs und eine Malschule). Im Südosten erhebt sich unweit der Brücke ein Privathaus.
Hinter dem Westgraben erstreckt sich eine langgestreckte Mauer, letztlich die Schauseite der Burg. Das vielfach sanierte Mauerwerk zeigt in seiner Südhälfte unterhalb eines frühneuzeitlichen Sockelgesimses zwei große Brillenscharten. Die Südwestecke wurde offensichtlich mehrfach umgebaut und zeigt Ansatzstellen eines abgebrochenen Bauteils. Stefan Ulrich deutet das abgegangene Bauwerk mithilfe der Sepiazeichnung Peter Gayers von vor 1836 „als Überrest eines Standerkers der aufwändig gestalteten renaissancezeitlichen Bauphase“.
Östlich benachbart befindet sich der Standort des ehemaligen Torhauses. Ein angebundener Vorbau springt in den Graben vor. Eine abwärts führende Treppe erschließt den Keller. Dort befinden sich, heute im Erdreich des Grabens versunkene, Maulscharten zur Mauerfußverteidigung.
Die bereits erwähnte steinerne gespannte Brücke zwischen Torhaus und Vorburg wurde offensichtlich erst im 18. Jahrhundert eingewölbt. Ursprünglich befand sich hier, von den erhaltenen Pfeilern gestützt, eine (teilbewegliche) Holzkonstruktion. Das am Nordende der Brücke errichtete Hauptportal des Torhauses, das die Zugbrücke aufnahm, ist abgegangen.
Die westliche Hauptangriffsseite – heute die Schauseite der Burg – prägen heute die auf die Ringmauer aufgesetzten Gebäude des 19. Jahrhunderts. Die übrigen Baulichkeiten rund um den Burghof wurden vom 19. bis zum 21. Jahrhundert errichtet.
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Bergfried
Lediglich der quadratische Bergfried ist als mittelalterlicher Bestandteil anzusprechen. Das oberste Stockwerk des dreigeschossigen, rund 17 Meter hohen Turms wurde offensichtlich später aufgesetzt. Darauf verweist die unterschiedliche Mauertechnik: der untere Teil weist sorgfältiges Quadermauerwerk mit vereinzelten Eckbuckelquadern – wohl 1. Hälfte des 13. Jahrhunderts - das obere Drittel dagegen lagerhaftes Bruchsteinmauerwerk mit glatter Eckquaderung auf. Ein Rundbogenfries mit spätgotischem Blendmaßwerk schließt den Bergfried ab. Die Erhöhung erfolgte wohl im späten 15. Jahrhundert. Auf jeder der vier Außenwände befanden sich Wehrerker, die vom nächsthöheren Stockwerk zu erreichen waren. Die Fensteröffnungen sind in Gänze, die Türen teilweise erneuert. Die Reste abgeschlagener Konsolsteine in der hofseitigen Turmwand markieren ebenso wie eine Wandöffnung mit Verriegelungslöchern den ursprünglichen Zugang zum Turm. Heute ist der ursprüngliche Hocheingang mittels einer Stahltreppe (statt einer Leiter) zu erreichen.
Den im Laufe der Jahrhunderte mehrfach umgestalteten Turm, der ursprünglich im Erdgeschoss zugangslos war, erreicht man heute durch das Restaurant. Diese Tür ist ebenso wie andere Durchbrüche und das Tonnengewölbe im Sockelgeschoss erst sekundär eingezogen worden. Dies betrifft auch das vermutlich in spätmittelalterlicher Zeit eingebaute Tonnengewölbe im zweiten Stockwerk.
Die (umgebauten) Keller unter dem Restaurant ermöglichten den Zugang zu den auf der westlichen Feldseite der Ringmauer eingefügten großen Brillenscharten.
Im Burghof befindet sich ein hoch aufgemauerter Ziehbrunnen. Wenige Meter entfernt ermöglicht eine im Renaissancestil verzierte rundbogige Eingangstür den Zugang zum Gewölbekeller des im 16. Jahrhundert errichteten Amtshauses. Es lehnte sich an den Bergfried an. Beide waren nach Ausweis durch später im Turm ausgebrochene Zugänge verbunden.
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Geschichte
Gründer und Gründungsjahr der Burg in Reipoltskirchen sind unbekannt. Ebenso kann die Frage, wer im 12. und frühen 13. Jahrhundert im Besitz der Herrschaft war, nicht beantwortet werden. Ein erster Hinweis auf die Existenz einer Burg in Reipoltskirchen um 1190 ist dem Lehnsbuch des Reichsministerialen Werner II. von Bolanden zu entnehmen. Dort wird ein Meffried (Manfrid?) von Reipoltskirchen erwähnt. 1219 und 1225 sowie 1259 werden erneut sich nach Reipoltskirchen benennende Adelige urkundlich erwähnt: der Ritter Simon von Reipoltskirchen, vielleicht Meffrieds Sohn oder Enkel und zuletzt Eckbert von Reipoltskirchen. Der sich 1225 ebenfalls nach Burg und Ort benennende Gerlacus Mus de Ripoldiskirchin war wohl kein Angehöriger der vorgenannten Familie, ist aber gleichwohl als Burgmann anzusehen, der in der oben angeführten Urkunde von 1225 ebenfalls als Zeuge genannt ist.

Burg und Herrschaft im Besitz der Herren von Hohenfels-Reipoltskirchen bis zum ausgehenden 13. Jahrhundert
Erst nach der Mitte des 13. Jahrhunderts häufen sich die Nachrichten, werden konkreter. Damals war Philipp I. von Hohenfels im Besitz von Burg und zugehöriger Herrschaft Reipoltskirchen. Beides gelangte, möglicherweise als Erbe seiner Mutter Beatrix, einer Tochter von Wildgraf Gerhard I., in der Mitte des 13. Jahrhunderts seinen Besitz.
Nach dem Ableben Philipps I. teilten 1276 seine beiden ältesten Söhne Philipp und Dietrich das Erbe. 1276 den ererbten Besitz. Philipp erhielt die Stammburg Hohenfels und die Burg Gundheim (s.d.). In das Los Dietrichs fielen die Burgen Reichenstein (bei Trechtingshausen) und Stadecken sowie die Burg Reipoltskirchen (castro Ripoltskirchen). Dem Kontext der Urkunde ist zu entnehmen, dass er nicht nur die letztgenannte Burg, sondern auch die Herrschaft Reipoltskirchen mit den zugehörigen Dörfer erhalten hatte. Eine Lehensabhängigkeit dieses Besitzes, auch vom Reich, ist nicht erkennbar.
Burg und Herrschaft blieben in Familienbesitz. Dementsprechend fiel die Anlage im Erbgang an Dietrichs Sohn Heinrich. Er nannte sich ab 1297 meist Heinrich von Hohenfels, Herr von/zu Reipoltskirchen. Bemerkenswert ist, dass der mit Jutta, einer Tochter Raugraf Heinrichs II., verheiratete Heinrich weiter zusammen mit seinen Vettern Werner und Hermann I. Burg Hohenfels und nicht Reipoltskirchen bewohnte. Heinrich von Hohenfels-Reipoltskirchen führte das alte Bolander Wappenbild, das Mainzer Rad weiter.
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Burg und Herrschaft vom 14. bis zum Ende des 16. Jahrhunderts
Die familiären Bindungen blieben offensichtlich eng. So nimmt Johann Keiper mit einer gewissen Berechtigung an, dass nach der Zerstörung von Burg Hohenfels der nun heimatlose Hermann II. von Hohenfels 1351 „bei seinem Vetter Konrad in der Reipoltskircher Tiefburg Zuflucht gefunden habe. Darüber hinaus nahm Konrad II., Herr zu Reipoltskirchen, nach dem Tode des letzten Hohenfelsers 1386, deren Wappenbild, einen gestürzten Anker, zusätzlich in sein Wappen auf.
Seit dieser Zeit häufen sich die urkundlichen Nachweise von Ministerialen, bzw. Niederadeligen, die sich nach der Burg benannten und diese auch bewirtschafteten. Diese Burgmannen gehörten unterschiedlichen Geschlechtern an. Zu nennen sind dabei vor allem die Herren von Reipoltskirchen, die zwischen den Jahren 1297 und 1446 auf der Burg nachgewiesen sind. Die elf namentlich bekannten – meist Albrecht und Reinfried genannt – Angehörigen dieses Geschlechts waren offensichtlich tief mit ihrem Wohnsitz verbunden, denn nur wenige wirkten – zeitlich befristet – im Auftrag Dritter. Ihr Tun war eher unauffällig, konzentrierte sich auf Reipoltskirchen und Imsweiler. Auf den letztgenannten Ort verweist die Tatsache, dass 1399 in einer Urkunde Albrecht von Rypoltzkirchen, den man nennet von Ymßwilre (Imsweiler) erwähnt wird. Der letzte dieses Burgmannengeschlechts ist der im Jahre 1446 erwähnte Klaus von Reipoltskirchen.

Ein zweites Reipoltskirchener Burgmannengeschlecht führte den Beinamen Boos. Immerhin fünf Mitglieder dieser Familie sind zwischen den Jahren 1362 und 1427 im Zusammenhang mit der Burg bezeugt. Der älteste, Konrad Boos (edelknecht von Rypelskirchen) war überdies Besitzer von Burg Gredenstein bei Bisterschied. Konrads Sohn Hermann Boos von Reipoltskirchen, den man nennet Sonne, war 1387 Veldenzer Burgmann. Die beiden vorgenannten und die ebenfalls Hermann genannten Nachkommen waren wohl mit der Familie Boos von Waldeck verwandt.

Neben Konrad Boos besaß auch Ritter Engelbrecht von Reipoltskirchen eine Burg. Er wird 1339 als Eigentümer der zwei Kilometer südöstlich von Reipoltskirchen gelegenen Burg Ingweiler und der sehr kleinen Herrschaft genannt.

Während der langen Zeit ihres Bestehens hatte man die Burg vorwiegend als Wohn- und Verwaltungssitz und weniger als Wehranlage genutzt. Dies änderte sich erstmals zu Beginn des 15. Jahrhunderts. Damals geriet Burg Reipoltskirchen ins Zentrum einer kriegerischen Auseinandersetzung. Auslöser dieser Verwicklung war die erneute Heirat der Ida von Erenfels nach dem Tod ihres Ehemanns Konrads II. von Hohenfels, Herrn zu Reipoltskirchen. Ihr zweiter Ehemann Nikolaus Vogt von Hunolstein war vor 1401 in eine Fehde mit Herzog Karl von Lothringen verwickelt und nutzte damals Burg Reipoltskirchen als militärischen Stützpunkt. Gegen die politisch-militärische Überlegenheit des Herzogs war Nikolaus von Hunolstein letztlich chancenlos. Karl erzwang nach Einnahme der Burg im Jahre 1401 von dem Hunolsteiner, seiner Ehefrau und deren Sohn aus erster Ehe, Eberhard von Hohenfels, die Herausgabe eines Viertels von Schloss und Herrschaft. Überdies hatte Nikolaus Vogt von Hunolstein den abgepressten Burg- und Herrschaftsanteil für den Herzog kostenlos zu verwalten. Letztlich war dieser Vereinbarung keine lange Dauer beschieden, und die alten Verhältnisse wurden wiederhergestellt.

Nach der Mitte des 15. Jahrhunderts werden keine Burgmannen mehr erwähnt, und man kann davon ausgehen, dass nun zunehmend Amtleuten oder Kellern die tägliche Arbeit übertragen wurde. Ungeachtet dessen nutzte die Herrschaft die Gebäude für Wohnzwecke.

Offensichtlich versahen Johann und Wolfgang von Hohenfels-Reipoltskirchen in den ersten beiden Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts die Burg nicht nur mit neuen Gebäuden, sondern ließen die Anlage auch feuerwaffentauglich ausbauen. Vielleicht war es diesen Umständen geschuldet, dass die nun besser zu verteidigende Burg im Bauernkrieg 1525 nicht angegriffen wurde und die damaligen Ereignisse unbeschadet überstand.

Im Jahre 1553 gelang Johann II. von Hohenfels, damals Inhaber der Herrschaft, ein vorteilhaftes Geschäft. Er überließ dem Wild- und Rheingrafen Philipp Franz das Dorf Hochstetten im Alsenztal und erhielt im Gegenzug die Rechte und Güter in den nahen Dörfern Nußbach und Schönborn zur Arrondierung der Herrschaft Reipoltskirchen.
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Burg und Herrschaft im 17. und 18. Jahrhundert
Der Beginn des 17. Jahrhunderts ist gleichbedeutend mit dem Ende der Herrschaft der Familie Hohenfels-Reipoltskirchen. Als letzte dieser Familie fand Amalia von Daun und Falkenstein, die Ehefrau des Wolfgang Philipp von Hohenfels, die 1608 verstarb, ihre letzte Ruhestätte in ihrem Witwensitz. Ihr erhaltener Epitaph mit 19 Geschlechterwappen steht heute in der Sakristei der katholischen Pfarrkirche. Burg und Herrschaft erbten ihre Brüder Emich u. Sebastian, Grafen von Daun-Falkenstein. Nach deren erbenlosen Tod fiel das Gut 1628 an die beiden Neffen der Amalia von Daun und Falkenstein, die Grafen Johann-Casimir u. Steino von Löwenhaupt-Rasburg. Damit waren Burg und Herrschaft noch in der Hand einer Familie, grundsätzlich aber von nun an zweigeteilt. Da die beiden Söhne Ludwig Wirich und Karl Moritz des vorgenannten Grafen Johann-Casimir von Löwenhaupt-Rasburg jeweils ein Viertel der Gesamtherrschaft erbten, waren Burg und Herrschaft nun faktisch dreigeteilt.
Während das Burg- und Herrschaftsviertel des Ludwig Wirich von Löwenhaupt bis Ende des 18. Jahrhunderts im Besitz dieses Familienzweigs verblieb, kam das zweite Viertel bis 1722 in der Hand Grafen Philipp von Manderscheid. Er hatte die erbberechtigte Tochter Elisabeth Amalie des Steino von Löwenhaupt-Rasburg geheiratet, so dass dieses Adelsgeschlecht Miteigentümer an Reipoltskirchen wurde.
Es ist eigentlich außergewöhnlich, dass die Burg im 17. Jahrhundert von den beiden großen kriegerischen Ereignissen, dem “Dreißigjährigen Krieg„ und dem “Pfälzischen Erbfolgekrieg„ nicht betroffen war, Johann Keiper stellte 1927 zu Recht fest, die Burg sei “eigentlich niemals verbrannt oder zerstört„ worden. Ausplünderungen, ähnlich der benachbarten Burg Ingweiler sind anzunehmen, jedoch nicht überliefert.
Nicht nur die Tatsache, dass die Baulichkeiten den Dreißigjährigen Krieg unbeschadet überstanden hatten, sondern vor allem die Zugehörigkeit Reipoltskirchens zum Oberrheinischen Kreise als reichsunmittelbare Herrschaft machte Reipoltskirchen für Adelskreise interessant. Man hatte zwar als Herrschaftsinhaber einen Mann zu Ross und vier Fußsoldaten (bei Bedarf) zum Reichskontingent zu stellen und ferner 25 Gulden zum Reichskammergericht beizutragen, doch wog die Zugehörigkeit zur Reichsritterschaft ungleich mehr.
So verwundert es wenig, dass sich nicht nur erbberechtigte Adelskreise an Reipoltskirchen interessiert zeigten. So änderten sich zu Beginn des 18. Jahrhunderts die Besitzverhältnisse der kleinen Herrschaft und damit auch der Burg nachhaltig.
1722 verkauften Karl Emil, Friedrich Königsmann und Gustav Otto, die drei Nachkommen des vorgenannten Johann Kasimir von Löwenhaupt-Rasburg, sowie 1730 Philipp Friedrich von Manderscheid-Keil ihre Anteile an den Freiherrn Franz Wilhelm Kaspar von Hillesheim. Dies war der eigentliche Beginn von Restitutionsforderungen sowie weiteren Erbgängen und Verkäufen.
Sechs Jahre nach dem Tod des Freiherrn von Hillesheim zwang ein Urteil des Reichsgerichts – Nils und Kasimir aus der älteren Linie Löwenhaupt hatten zwischenzeitlich wegen des, von der jüngeren Löwenhaupt’schen Linie, verkauften Viertels erfolgreich Klage erhoben – die Witwe des Freiherren zur Herausgabe dieses Viertels an Burg und Herrschaft. Damit besaßen einerseits Brüder Nils und Kasimir von Löwenhaupt und andererseits die Witwe Hillesheim nun jeweils eine Burg- und Herrschaftshälfte.
Der hälftige Anteil von Nils und Kasimir von Löwenhaupt ging durch Kauf 1763 an Graf Andreas Philipp von Ellrath. Diese innerfamiliär seit 1770 umstrittene löwenhaupt'sche Hälfte verkaufte 1777/8, nach kurzem pfalz-zweibrückischem Zwischenspiel die mittlerweile verarmten Grafen von Ellrath an Pfalz-Zweibrücken. Bemerkenswert ist, dass zumindest ein Teil der Vorgenannten die Burg zum Wohnsitz auserkoren hatte, so wurde Gräfin Christine Wilhelmine Luise von Löwenhaupt 1742 dort geboren und Graf Wilhelm von Hillesheim verstarb 1748 im Schloss.
Nach dem Ableben der Gräfin Christine Wilhelmine Luise von Löwenhaupt 1773 endete das Zweibrücker Zwischenspiel abrupt, denn der Anteil der Grafen von Ellradt (nun: Ellrroth) an Burg und Herrschaft kam auf Umwegen 1777/78 in den Besitz eine natürlichen Tochter von Kurfürst Karl Theodor, der Gräfin Karoline von Isenburg.
Letztere und die Nachkommen des Wilhelm Ernst Gottfried von Hillesheim, seine Schwestern Anna Elisabeth Auguste Marie waren die letzten Burgherrinnen von Reipoltskirchen vor der Franzosenzeit.
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Das Ende von Burg und Herrschaft im ausgehenden 18. Jahrhundert
Nachdem am 3. März 1793 erstmals französische Truppen Reipoltskirchen besetzt hatten, kündigte sich der sukzessive Untergang von Burg und Adelsherrschaft an. 1797 beschlagnahmte die französische Verwaltung das gesamte Anwesen – das Amtshaus mit Keller und Speicher, der (alte) Turm, sowie zwei Höfe, einer mit Brunnen, Stall und eine Scheuer – und ließ es meistbietend zu Beginn des 19. Jahrhunderts an Private versteigern. Der französische Staat erzielte damals 2.725 Francs. Der Standort der übrigen, damals ebenfalls bei den Versteigerungen aufgerufenen Gebäude (Isenburger Amtsbotenhäuschen und Hillesheimer Jägerhäuschen) war außerhalb des Burggeländes im Dorf.
Die Käufer nutzten die Gebäude multifunktional. Man brach ab und baute die mehr oder minder gut erhaltenen Gebäude für Wohn- und Wirtschaftszwecke um. Der dorfseitige Burggraben wurde entwässert und noch Ende des 20. Jahrhunderts als Obst- und Gemüsegarten genutzt. Die in der Vorburg installierten Wirtschaftsgebäude (Stallungen u. ä.) wurden noch im 19. Jahrhundert genutzt. Dies betraf die massiv aus Sandsteinen aufgemauerte ca. 47 Meter lange und 24 Meter breite Zehntscheune (Schloßscheuer), die erst 1884 der Spitzhacke zum Opfer fiel. Heute ist der Vorburgbereich in weiten Teilen modern überbaut.
Die Eigentumsverhältnisse an der Kernburg blieben bis 1988 unverändert in Privathand. Anschließend erwarb der Kreis Kusel den größten Teil der Kernanlage. Es folgten Bauuntersuchungen, die Erstellung eines Nutzungskonzeptes und umfangreiche Sanierungen. Seit 2005 dienen die Bauten auf der Westseite des Kernburgareals als Restaurant und Standesamt. Die Neubauten an der Nord- und Ostseite werden vorwiegend für kulturelle Zwecke (Malschule) genutzt. Lediglich an der Südostseite der Kernburg wird das 1908 erbaute und 1956 erweiterte “Haus Keßler-Schunk„, weiterhin für Wohnzwecke genutzt.

Im Nachrichtlichen Verzeichnis der Kulturdenkmäler im Kreis Kusel ist folgender Eintrag zu finden: “Burg Mühlstraße/Kegelbahnstraße (Denkmalzone): ehemalige Talburg der Herren von Bolanden, wohl 1181 gegründet, 1276 erstmals erwähnt; romanischer Bergfried, Obergeschoss um 1500, Ringmauer größtenteils modern erneuert, Gewölbekeller des Amtshauses, 16. Jh., Ziehbrunnen; vier Architekturfragmente in der Stützmauer, im Osten Wall und Graben, eine der besterhaltenen[en] Tiefburgen der Pfalz„ (GDKE 2017, S. 27).
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(Jürgen Keddigkeit, Bezirksverband Pfalz, 2019)

Literatur

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Reipoltskirchen unter geteilter Herrschaft. In: Westrich-Kalender 8, S. 41-43, o. O.
Dick, Ernst (1963)
Wie die Hohenfelser nach nach Reipoltskirchen kamen. In: Westrich-Kalender 7, S. 89-92, o. O.
Dolch, Martin; Kühn, Hans-Joachim; Ulrich, Stefan; Wendt, Achim (2007)
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Die Herrschaften des unteren Nahegebietes. Der Nahegau und seine Umgebung. In: Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde, S. 103-107, Bonn.
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Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz (Hrsg.) (2022)
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Urkundliche Geschichte der Burgen und Bergschlösser in den ehemaligen Gauen, Grafschaften und Herrschaften der bayerischen Pfalz.. Ein Beitrag zur gründlichen Vaterlands-Kunde. Band 4. S. 181-185 u. S. 197-205, Kaiserslautern.
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Die Baudenkmale in der Pfalz. Band 1. S. 74-78, Ludwigshafen am Rhein.
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Burg Reipoltskirchen. In: Burgen Schlösser, Klöster Nordpfalz, S. 38, o. O.
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Die Versteigerung des Reipoltskircher Schlosses. In: Westrich-Kalender 29, S. 98-100, o. O.
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(1828)
Die Herrschaft Reipoltskirchen. In: Intelligenz = Blatt des Königlich Bayerischen Rheinkreises 11, S. 93-97, o. O.

Wasserburg in Reipoltskirchen

Schlagwörter
Straße / Hausnummer
Mühlstraße/Kegelbahnstraße
Ort
67753 Reipoltskirchen
Gesetzlich geschütztes Kulturdenkmal
Geschütztes Kulturdenkmal gem. § 8 DSchG Rheinland-Pfalz
Fachsicht(en)
Landeskunde
Erfassungsmaßstab
i.d.R. 1:5.000 (größer als 1:20.000)
Erfassungsmethode
Literaturauswertung, mündliche Hinweise Ortsansässiger, Ortskundiger, Übernahme aus externer Fachdatenbank
Historischer Zeitraum
Beginn 1181

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„Wasserburg in Reipoltskirchen”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-290220 (Abgerufen: 26. April 2024)
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