Turmhügelburg und Grabenborg in Bollingstedt

Schlagwörter:
Fachsicht(en): Archäologie
Gemeinde(n): Bollingstedt
Kreis(e): Schleswig-Flensburg
Bundesland: Schleswig-Holstein
Koordinate WGS84 54° 35′ 31,93″ N: 9° 24′ 59,84″ O 54,5922°N: 9,41662°O
Koordinate UTM 32.526.920,23 m: 6.049.493,60 m
Koordinate Gauss/Krüger 3.526.999,04 m: 6.051.473,93 m
  • Bollingstedter Mühlenteich (2016)

    Bollingstedter Mühlenteich (2016)

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    Grabenborg Bollingstedt (2014)

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  • Turmhügelburg und Grabenborg in Bollingstedt

    Turmhügelburg und Grabenborg in Bollingstedt

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Die Turmhügelburg
Als Besitzung des Michaelisklosters zu Schleswig, die durch Knud VI. dem Kloster Guldholm am Langsee zugesprochen wurde, fand das Dorf Bollingstedt erstmals 1196 eine urkundliche Erwähnung. Die Zeit des Mittelalters hat seitdem vor allem im nordöstlichen Bereich des Bollingstedter Mühlenteiches archäologische Spuren hinterlassen.
Wenige Meter vom Standort entfernt, heutzutage jedoch durch das aufgestaute Wasser des Bollingstedter Mühlenteiches bedeckt, liegen die Reste einer Burg - eines sogenannten Turmhügels. Der Bau von Turmhügelburgen, auch Motten genannt, setzte in Schleswig-Holstein nach gegenwärtigem Forschungsstand im 13. Jahrhundert ein. Auf einem zumeist künstlich angelegten Erdhügel errichtete man einen hölzernen, sehr viel seltener auch steinernen Wehrturm, der von einem oder mehreren Gräben oder auch von Wällen umgeben war. Die Bollingstedter Anlage besaß älteren Beobachtungen zufolge ein doppeltes Graben-Wall-System mit einem Gesamtdurchmesser von etwa 70 Metern und einen ovalen Turmhügel mit einem Durchmesser am Hügelfuß von rund 30 Metern (Karte Position 1).

Wesentlicher Bestandteil einer solchen Turmhügelburg war die angrenzende bzw. benachbarte Vorburg. Oft durch Gräben, Wälle oder nur durch Palisaden gesichert, befand sich dort der eigentliche Wirtschaftshof des Burgherrn, der vielerorts dem niederen Adel angehörte. Häufig stellen die Turmhügelburgen die Keimzellen späterer Gutshöfe, im Übergang als burgähnlich befestigte Herrensitze mit einem von Wassergräben umgebenen Wohnhaus, dar.
Sehr oft haben die Erbauer ihre Turmhügel unter geschickter Ausnutzung der topografischen Gegebenheiten an besonders gut zu verteidigenden Positionen, beispielsweise in Niederungen errichten lassen, um sich dorthin im Krisenfall zurückziehen zu können – so auch in der heute überschwemmten Niederung der Bollingstedter Au. Im Rahmen von Ausbaggerungsarbeiten kamen in den 1970er Jahren zwischen dem Turmhügel und dem nahegelegenen nördlichen Seeufer bearbeitete Hölzer zum Vorschein, die offensichtlich die Reste eines Brückenzugangs darstellen. Die 2016 durchgeführte Analyse eines angespitzten Eichenpfostens ergab ein Fälldatum von um/nach 1316. Der Pfosten ist heute Teil der benachbarten Sitzbank. Über diese Datierung lässt sich die Errichtung, eventuell aber auch nur eine Reparatur der hölzernen Brücke fassen. Demzufolge muss die eigentliche Burg zumindest aber zu diesem Zeitpunkt bereits bestanden haben.

Die Grabenborg
Für das Jahr 1490 wird erstmals eine Mühle in Bollingstedt urkundlich erwähnt. Es lässt sich lediglich vermuten, dass aufgrund des Mühlenstaus der Turmhügel nicht mehr nutzbar war und deswegen die am nördlichen Seeufer gelegene „Grabenborg“ entstanden ist. (Karte Position 2)
Aus Schriftquellen ist bekannt, dass Claus von Ahlefeldt aus dem namengebenden holsteinischen Adelsgeschlecht das (bereits im 15. Jahrhundert aus dem Besitz des Herrn von Porsefeld erworbene) Gut im Jahr 1474 an König Christian I. verkaufte. Der letzte katholische Bischof von Schleswig und Sohn von Claus von Ahlefeldt, Gottschalk von Ahlefeldt wurde 1475 in Bollingstedt geboren und starb hier am 25. Januar 1541. Bis zur Verwüstung des Gutes im Jahr 1658 wechselten die Besitzer über das Rittergeschlecht der Rantzaus bis hin zu den Gottorfer Herzögen, die vor Ort Verwalter einsetzten.
1880 fand durch einige Einwohner eine Untersuchung statt, bei der Grundmauern eines Hauptgebäudes von 30 x 25 Metern, ein Brunnen in der Südostecke und Nebengebäude aufgedeckt worden sein sollen. Diese Gebäude werden tatsächlich auch in einem Erbvertrag vom 28. Juni 1664 genannt. Herzog Christian Albrecht gab das 1658 durch Krieg völlig „ruiniret“ Gut zugunsten der Bollingstedter Bauern in Erbpacht. Der Abbruch der restlichen Gebäude soll dann 1666 abgeschlossen gewesen und der Großteil des Materials nach Schloß Gottorf verbracht worden sein.

Heutzutage ist an sichtbaren Resten von dem einstigen Gut nur ein von Gräben umgebenes rechteckiges Plateau von etwa 50 x 60 Meter erhalten geblieben. Der Graben an der Nordseite mit einer einstmals vorhandenen Erdbrücke ist vor Jahrzehnten bereits zugefüllt und überbaut worden.
Im Sommer 2014 erfolgte unter Begleitung des Archäologischen Landesamtes Schleswig-Holstein (ALSH) die durch den Eigentümer Dieter Schmidt großzügig unterstützte Ausbaggerung der stark verlandeten heutigen Gräben. Die Maßnahme diente der Inwertsetzung des weitgehend in Vergessenheit geratenen archäologischen Kulturdenkmals. Hierbei kamen stellenweise Verfüllungsschichten der ehemaligen Burggräben zum Vorschein. Sie bargen ein reiches Fundmaterial, das besondere Einblicke in die spätmittelalterliche und frühneuzeitliche Alltagskultur auf dem Adelshof in Bollingstedt erlaubt sowie auch Hinweise zur baulichen Ausstattung des Gutshofes erbrachte. Demnach waren Backsteine im Klosterformat und frühe Dachpfannen vom Typ „Mönch und Nonne“ verbaut worden. Von Fenstern sind kleinteilige und teilweise bunt dekorativ gefärbte Gläser, teilweise noch mit Bleieinfassung überliefert. Darüber hinaus bezeugen grün glasierte Ofenkacheln mit figürlichen und szenischen Motiven, dass man auch auf die behagliche Wärme eines Kachelofens nicht verzichtete.

Im südöstlichen Bereich der Grabenborg konnte ein hölzerner Kastenbrunnen, der mit Bauschutt und Glasbruch verfüllt war, aufgedeckt und dokumentiert werden (Karte Position 3). An seiner Sohle fanden sich zwei mächtige und paarig angeordnete Eichenblöcke, die jeweils durchbohrt und mit äußerst präzise gearbeiteten Rückschlagventilen aus Kupferlegierung ausgestattet sind. Offensichtlich besaß der Adelshof um 1600, dies zeigt die dendrochronologische Analyse, eine Art Wasserkunst mit einem ausgefeilten Pumpwerk in der Wirkweise einer doppelten Hubkolbenpumpe – seinerzeit sicher ein Meisterwerk.
Im Sommer 2016 wurde in Kooperation mit der Graduiertenschule der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel eine geophysikalische Untersuchung der Grabenborg mit Hilfe eines Magnetometers durchgeführt. Hierbei werden Abweichungen des Erdmagnetfeldes gemessen und in einem bildgebenden Verfahren dargestellt. In außerordentlicher Klarheit zeichnete sich als Anomalie der Grundriss eines annähernd Nord-Süd gerichteten Gebäudes ab – offensichtlich der des Hauptgebäudes mit einer Länge von etwa 27 Metern und einer Breite von etwa 18 Metern. Dem Grundriss nach zu urteilen, handelt es sich um ein sogenanntes Doppelhaus, dessen Baukörper aus zwei längs zueinander errichteten Häusern mit charakteristischen parallelen Dächern besteht. Es zeichnen sich deutliche Parallelen zum in den 1970er Jahren durch Ausgrabungen untersuchten Herrenhaus von Alt-Wensin, Kreis Segeberg ab. Dort war im Westen an den auch dort größeren Gebäudeteil ein Turm angesetzt. Zumindest ein Eingangsbereich an gleicher Stelle ist auch im Bollingstedter Messbild zu erkennen.

Das Doppelhaus stellt eine spezielle Form der Gutsarchitektur in Schleswig-Holstein dar und war vom Mittelalter bis zum Ende der Renaissance verbreitet. Durch die stetigen Umgestaltungen der Herrenhäuser sind Doppelhäuser, auch in Form von Dreifach- und Vierfachhäusern selten in ihrer Ursprünglichkeit überliefert. Auf der um 1587 für Heinrich Rantzau gefertigten Stammbaumtafel (Rantzau-Tafel) sind jedoch auf der Randleiste fünfzig Herrenhäuser auf Rantzauer Gütern in ihrem Zustand in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts dargestellt, die am deutlichsten einen Eindruck vermitteln, wie das Gut Bollingstedt ausgesehen haben mag.

(Eicke Siegloff, Archäologisches Landesamt Schleswig-Holstein, 2019)

Turmhügelburg und Grabenborg in Bollingstedt

Schlagwörter
Ort
24855 Bollingstedt
Gesetzlich geschütztes Kulturdenkmal
Kulturdenkmal gem. § 8 DSchG SH 2015 (in Denkmalliste eingetragen)
Fachsicht(en)
Archäologie
Erfassungsmaßstab
i.d.R. 1:5.000 (größer als 1:20.000)
Erfassungsmethode
Auswertung historischer Schriften, Archäologische Grabung, Übernahme aus externer Fachdatenbank
Historischer Zeitraum
Beginn 1196 bis 1658

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„Turmhügelburg und Grabenborg in Bollingstedt”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-288950 (Abgerufen: 5. Dezember 2024)
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