Die Hofanlage Schiffer bestand bis 2013 als große Vierkanthofanlage. Das giebelständige Wohnhaus in Fachwerkkonstruktion von 1765 hatte den großen Dorfbrand in Stommeln im Jahre 1783 überstanden und zählte damit zu den ältesten ländlichen Wohnhäusern in Stommeln. Hof Schiffer befand sich unweit der Stommelner Windmühle.
Zum Besitzer Als Besitzer der Hofanlage wird zum inschriftlich dokumentierten Erbauungsjahr 1765 Nicolai Mansteden überliefert, der sich vier Jahre später (1769) verehelicht haben soll. Der im gleichen Jahr geborene, erste Sohn Hermann Mansteden lässt sich später innerhalb der Gemeinde als angesehener und einflussreicher Bürger nachweisen (Gemeinderatsmitglied, Mitglied des Kirchenvorstandes). Durch die aufgestellten Wählerlisten des preußischen Zensuswahlrechtes, beziehungsweise eines Vorläufers des Dreiklassenwahlrechtes, wissen wir für das Jahr 1826, dass Hermann Mansteden eine Grundsteuer von mehr als 43 Thalern zu zahlen hatte. Mit dieser Summe ist ein Vermögen festzumachen, welches ihn allemal als wohlhabend bezeichnen lässt. Er hatte mit seiner Frau (Heirat 1802) neun Kinder. Die Größe der Familie, sowie ein gewisser Wohlstand könnten also die Erklärung für die Wohnhausgröße liefern.
Der Außenbau Der Fachwerkbau hatte ein voll ausgebildetes Erdgeschoss mit Kniestock. Prägend für die Hofseite waren die vermutlich eingehälsten Ankerbalkenköpfe in zwei Ebenen. Die etwa 7,20 Meter langen Deckenbalken trugen eine Kindbalkenlage (Mutter-Kind-Decke). Die Ankerbalkenzimmerung galt eher als „altertümlich“. Die Gefache waren mit Lehmflechtwerk aus Staken, Weidenrutengeflecht und Lehmbewurf sowie –verputz geschlossen. Die rückwärtige Giebelseite wurde offensichtlich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in einer Steinstärke mit Backsteinen massiv verblendet und die Ziegelwand mit eisernen Ankern mit dem Bau verklammert. Im Obergeschoss nutzte man die Blendfassade für die Einrichtung eines Wandschrankes.
Die vollständige Erneuerung der straßenseitigen Giebelwand als Schildgiebel aus Porenbeton mit Riemchenverblendung soll im Jahre 1955 durchgeführt worden sein. Zeitgleich wurde der ehemals weit über die Traufe reichende Torbogen aus Backsteinen – ebenfalls eine spätere bauliche Zutat – wiederum abgerissen. Eine Fotografie um 1930 zeigt die über 4 Meter hohe Tordurchfahrt und die ehemalige Putzfassade mit Fensterbekleidungen, die zeitlich der Haustür zuzuordnen sind. Deutlich erkennbar sind ebenfalls das ehemals tieferliegende Straßen bzw. – Hofniveau, die kleinen Öffnungen zum Keller, die Pfettenköpfe der Dachkonstruktion sowie die Hohlpfannendeckung mit Schieferfirst und –orten. Das gliedernde Gurtgesims markierte die Höhe des Kniestocks. Dadurch entstand ein deutlicher Kontrast zwischen der „altertümlichen“ Hofansicht und einer „modernen“ Straßenansicht . Ein Rest einer Ziegelverblendung an der dem Hof abgewandten Traufseite könnte auf eine ältere Ziegelverblendung der straßenseitigen Giebelseite, vielleicht nur im Erdgeschoss, hingewiesen haben. Sicherlich haben wir uns den Bau bis etwa zur Mitte des 19. Jahrhunderts fachwerksichtig vorzustellen, auch wenn vermutet werden kann, dass der Bau vor dem Verputz eine monochrome Fassung hatte. Das profilierte Rähm über den Binder- bzw. Ankerbalken zeigte Reste einer hellen Fassung.
Zum Inneren Über das Innere des Hauses waren zwei unverbundene Keller zu erschließen. Der gewölbte Ziegelkeller unter den „Stuben“ verfügte über einen Bachkofen, dessen Rauchfang an der Vorkragung im Erdgeschoss ablesbar war. An dieser Stelle kann auch ein Rauchfang über einer älteren Herdstelle vermutet werden, der vermutlich über das Dach geführt wurde, da sich im Dach keinerlei Rußspuren finden ließen. Das Backen im Keller wurde auch für andere bäuerliche Wohnhäuser in Stommeln überliefert. Daneben wurde der Keller zum Pökeln des Schweinefleisches, zum Lagern der Krautfässer und eingekochten Bohnen genutzt. Der hintere Keller diente zuletzt als Kartoffelkeller. Roggenbrot, Kohl, Bohnen, Rüben und Kartoffeln waren die Hauptnahrung der hiesigen ländlichen Bevölkerung. Hinzu kam, meist nur an Sonntagen, Schweinefleisch und zu besonderen Festtagen Rindfleisch, welches gekauft werden musste.
Als Stube wird ehemals der durch vier Fenster belichtete Raum über der Hof-Straßen-Ecke gedient haben. Die Doppelbefensterung an der Giebelseite ist auf der historischen Fotografie erkennbar. Im Drempel wurde das Futter für das Vieh gelagert. Zwei Futterkisten zu dessen geschützter Aufbewahrung befanden sich dort. Zwischen den Ständern des stehenden Stuhls der Dachkonstruktion, werden sich die Schlafkammern der Knechte beziehungsweise Mägde befunden haben.
Ein besonderes Augenmerk bildete die Stuckbalkendecke, die sogenannten Kölner Decken, die im großen Schlafraum des Erdgeschosses am besten erhalten waren. Die Binderbalken (als sogenannte Mutterbalken) und die darüber liegenden sogenannten Kinderbalken sowie die Deckenfelder waren vollständig mit Stuck überzogen. Dabei wurden die Felderecken gerundet ausgebildet. Die Grundlage bildet ein Strohlehmputz, auf dem die Stuckschicht aufliegt. Man spricht auch von Lehmstuckdecken.n Diese Form der Kölner Decke zeigte ein besonders schlichtes und offenbar besonders junges Beispiel. Die ältesten bekannten Kölner Decken in Köln stammen aus dem ausgehenden 16. Jahrhundert. Viele der städtischen Beispiele zeigen reiche ornamentale, sogar figurale Verzierungen entlang der Balken. Während für die Kölner Decken in ihrer Verbreitung und dem Reichtum der Verzierungen in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts ein Höhepunkt gesehen werden kann, zeigen die Decken aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts eine zunehmende Abkehr vom Ornament. Dies steht sicherlich im Zusammenhang mit einem Modewandel, indem die „Kölner Decke“ ihre Stellung als innovative Ausstattungsform endgültig verloren hat. Die Kölner Decken wurden im Übrigen von Kölner Stuckateuren ausgeführt. Insbesondere durch deren Loslösung aus dem Zunftverband der Steinmetzgaffel Mitte des 18. Jahrhunderts und durch die Gründung einer eigenen Zunft, waren wohl zahlreiche Stuckateure gezwungen aus dem Arbeitsbereich der auch weiterhin konkurrierenden Steinmetzgaffel auf das Umland auszuweichen. Dies mögen Gründe sein, warum eine inzwischen unmoderne Deckenausbildung in einem bäuerlichen Wohnhaus ausgeführt wurde. Eine ebene Decke unterhalb der Binderbalken hätte zudem einen starken Raumhöhenverlust nach sich gezogen, da musste diese Deckenausbildung als ideale Lösung angesehen werden.
Zu den stilistisch offensichtlich dem Ende des 19. Jahrhunderts zuzurechnenden Veränderungen zählt die Erneuerung der Fenster und Tür samt Bekleidung, die Erneuerung der Treppenaufgänge mit feinteilig gedrechselten Pfosten und Stäben. Die älteren Treppenanlagen können eher als Leitern in verschließbaren Wand- und Deckenöffnungen angenommen werden, nicht als ausgeschiedenes Treppenhaus. Jenes wird erst mit einer erweiterten Schlafraumnutzung im Ober- beziehungsweise Kniestockgeschoss als notwendig erachtet worden sein. Ende des 19. Jahrhunderts wurde auch der Bodenbelag im Flur aus farbigen Zementsteinfliesen der Firma Villeroy & Boch (Mettlach) ausgeführt. Das Bodenmuster setzte sich aus drei je zweifarbigen Mustersteinen zusammen. Das Musterfeld wurde durch dreifarbige bandartig gemusterte Steine gebildet. Die Ecken bilden „Eckensteine“ mit abknickendem Musterverlauf. Vermutlich stammten auch die meisten ersten Tapeten aus dem Ende des 19. Jahrhunderts. Sie hatten die fast durchgehend für Wände und Decken nachzuweisenden zahlreichen blauen Farbfassungen abgelöst.
Für Blaufassungen im profanen Wohnhausbau wurde die Entwicklung preiswert herzustellender Blaupigmente ausschlaggebend. Dies gelingt zunächst mit dem sogenannten Berliner Blau (auch Preußisch Blau), welches seit 1709 bekannt ist und ab 1740 gewerblich hergestellt wird. Entscheidender für die Verwendung blauer Pigmente auch im ländlichen Bauwesen wurde die Entwicklung des Ultramarins, welches 1836 patentiert wurde. Bis dahin zeigte die Verwendung blauer Farbpigmente wie Azurit oder Lapislazuli Reichtum und einen Willen zur Repräsentation an. Für die Verwendung blauer Farben im ländlichen Raum wird zudem die abwehrende Funktion gegen Fliegen angeführt.
Hof Schiffer wurde im August 2013 abgerissen. Erhalten blieb von dem fast 250-jährigen Hof lediglich der Giebel einer Scheune.
(Anja Schmid-Engbrodt, Rheinischen Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz e. V., 2016)
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