Namensgebung
Die Kirche stand ursprünglich unter dem für Hospitäler üblichen Patrozinium des Heiligen Geistes (seit 1305 überliefert). Zum hundertsten Todestag des angeblich an dieser Stelle im Jahre 1287 von Juden ermordeten Christenjungen Werner erhob 1387 Erzbischof Kuno II. von Falkenstein den Altardienst zu einem Kirchenamt. Pilgern zeigte man die angebliche Martersäule (erstmals 1426 bezeugt). Im Visitationsprotokoll von 1656/57 ist neben dem Heilig-Geist-Patrozinium ausdrücklich Patronus sanctus Wernerus genannt. Ein mannshohes Steinrelief, das 1727 an der Außenseite des Chores aufgestellt wurde, stellte den angeblichen Ritualmord dar. Das Tafelbild des 1732 errichteten Altars zeigte die angebliche Marterszene, es wurde 1844 durch ein Bild des Guten Werner mit Märtyrerpalme ersetzt. Die Kapelle wurde 2008 in Mutter-Rosa-Kapelle umbenannt und das Altarbild 2012 ausgetauscht.
Geschichte
Ungewiss ist das Datum des Baubeginns. Traditionell ist man, der antijüdsichen Legende folgend, lange davon ausgegangen, dass man mit dem Bau schon kurz nach der Bestattung Werners in Bacharach begonnen habe. Die Kirche sei, so hieß es, über dem Kellergewölbe errichtet worden, in dem angeblich Werner von den Juden zu Tode gefoltert worden sei. Es ist nicht auszuschließen, dass sie über den Mauerresten eines Hauses erbaut worden ist, das bei dem Pogrom des Jahres 1287 zerstört worden war. Verschiedene Autoren haben sich aufgrund ihrer Beobachtungen am Bau auf die Zeit kurz vor 1300 festgelegt. Vermutlich ist die Kirche erst um 1340/50 vollendet worden.
Im Pfälzischen Erbfolgekrieg wurde die einschiffige gotische Kirche mit ihrem spitzen Dachreiter 1689 von französischen Truppen niedergebrannt und zerstört, doch wurde sie 1690 wiederaufgebaut, indem man den Chor wiederherstellte, das mittlere Chorfenster verschloss und den Bau mit einer barocken Dachhaube versah. In den 1830er Jahren diente die baufällig gewordene Kapelle Winzern als Lagerraum, bis sie 1844/45 renoviert wurde. Die Westwand erhielt im Zuge der Errichtung des Sankt-Werner-Krankenhauses 1932/33 einen gotisierenden Bogen, und die Fenster werden nach Entwürfen von Anton Wendling neu verglast (erneut 1969-75). 1937/38 führte der NSDAP-Bürgermeister Dr. Ottendorff Parteigenossen zu dem Ritualmordrelief an der Kapelle (vgl. Der Stürmer, Nr. 7, Febr. 1938). Es wurde auf Druck des Zentralrats der Juden 1970 entfernt. Obwohl der Wernertag 1963 aus dem Trierer Bistumskalender gestrichen wurde, fand die seit 1771 jährlich stattfindende Prozession, deren Ziel die Wernerkapelle war, letztmalig 1971 statt. Das Patrozinium wurde 2008 beendet, 2012 verließ das Altarbild die Kapelle.
Erscheinungsbild
Die Konstruktion der Kirche ist so eigenartig wie einzigartig: Im nahezu rechten Winkel steht sie zur rheinseitigen Stadtmauer, mit dem Gewölbe als Unterbau und dem auf die Stadtmauer aufsetzenden Oberbau. Dessen Umgang mit Durchlässen an den Strebepfeilern ist Teil des Wehrgangs. Der Unterbau besteht aus dem Gewölbe mit zwei Jochpaaren nebeneinander, deren östliches als Durchfahrt dient, und einem an das westliche Jochpaar anschließenden Tonnengewölbe. Die Gewölbe des Unterbaus bedienen die Legende, wonach Werner hier ermordet worden sein soll.
Die Kapelle präsentiert sich heute als einjochiges Langhaus mit Kreuzrippengewölbe und einem 5/8-Chorabschluss. Sie ist 12,5 Meter lang und 8,25 Meter breit. Mit dem Dach ist sie 17,1 Meter hoch. Die aufgesetzte Schweißhaube weist eine Höhe von 23,5 Metern auf und besteht aus Schiefer. Auch die Schrägkanten der außenliegenden Stützpfeiler sind mit Schiefer abgedeckt. Die Kapelle ist sowohl von der begehbaren Stadtmauer aus zugänglich als auch von dem angrenzenden einstigen Krankenhausgebäude aus. Der Chor weist an der Decke ein kunstvolles sechsteiliges Gewölbe auf, dessen Rippen in einem Schlussstein mit Wappenschild zusammenlaufen. Die Rippen- und Schildbögen sind farblich von der weißen Wand abgesetzt und graublau mit roten Begleitstreifen bemalt. Das Gewölbe zieren sechszackige rote Sterne. An der Westseite des Innenraums befindet sich eine um zwei Stufen höher gelegte Empore. Im Inneren erinnert nichts mehr an den Wernerkult. Der barockisierende hölzerne Hochaltar ist 10 Meter hoch und 5 Meter breit, er stammt von 1844 und hat drei Geschosse. Die Mittelachse ist hierbei nischenartig zurückgesetzt. Das Altarbild von 2012 zeigt ein Porträt der selig gesprochenen Ordensfrau Rosa Flesch (1826-1906), Gründerin der Waldbreitbacher Franziskanerinnen von der allerseligsten Jungfrau Mara von den Engeln, Patronin der nach ihr benannten Kapelle.
Kulturdenkmal
Die Mutter-Rosa-Kapelle in Oberwesel wird im Nachrichtlichen Verzeichnis der Kulturdenkmäler im Rhein-Hunsrück-Kreis geführt (Stand 2024). Der Eintrag lautet:
„(zu) Hospitalgasse 11
zur Wernerstraße gelegene Mutter-Rosa-Kapelle, früher Wernerkapelle; Kapelle mit Unterbau, kurz vor 1300-
Mitte 14. Jh., Reparatur nach Zerstörung um 1700“.
(Walter Karbach, Trier, 2025)
Internet
rheinische-geschichte.lvr.de: Der gute Werner von Oberwesel - oder die hohe Kunst, einen Heiligen zu erschaffen (Text Matthias Schmandt, abgerufen 12.02.2025)