Die Planungen zum Sankt Goarer Bahnhof fanden bereits in den Jahren 1858/1859 statt. Gebaut wurde er im Jahr 1860. Errichtet wurde das Gebäude auf dem Gelände des 1834 abgebrannten reformierten Pfarrhauses. Allerdings ist von dem traufständigen Fachwerkbau mit den Rechteckfenstern und der ausgesägten Brettornamentik im Schweizer Stil am langgezogenen Dachüberstand auf der Rückseite des Hauses nichts mehr übrig.
Nichtsdestotrotz war der frühere Rheintalbahnhof ein wichtiges Beispiel für die Bauweise damaliger Stationen. Vorbilder dafür waren Bahnhöfe in Berlin oder Darmstadt und somit wird auch hier wieder der preußische Einfluss deutlich. Die Gestaltung im Schweizer Stil hatte man deshalb gewählt, weil er die Verbindung von Landschaft und Kultur widerspiegeln sollte.
In den folgenden Jahren wurde der Bahnhof immer wieder modifiziert, denn mit dem Bau der Rheineisenbahn war auch ein wirtschaftlicher Aufschwung der Region verbunden. Aber auch poltisch-militärische Interessen wurden mit dem Bau verfolgt. So wurde beispielsweise 1909 die Talburg zur Erweiterung des Bahnhofes abgerissen, damit in den Folgejahren eine Güterabfertigungshalle in Betrieb genommen werden konnte. Allerdings sind Reste der ehemaligen Talburg, wie Mauern und Pfeiler, weiterhin erhalten geblieben. 1919 musste der Güterschuppen nach Süden verbreitert werden. Dabei wurden der architektonische Baustil und das Material beibehalten, um einen optischen Bruch zu vermeiden. Auch der Treppenaufgang durch das rundliche Portal wurde zu dieser Zeit angelegt. Erst im Dezember 1982 wurde der Güterbahnhof mit der Verladestation geschlossen.
Breits 1925 wurde durch den damaligen Bürgermeister der Antrag für einen Neubau gestellt. Aufgrund der hohen Frequentierung der Schnellzugstation, besonders in den Sommermonaten durch den Rheintourismus, sollten bauliche Veränderungen vorgenommen werden. Diese sollten sich auf die Diensträume mit Fahrkartenausgabe und die Gepäck- und Güterabfertigung beziehen. Darüber hinaus sollten die Warteräume ins Erdgeschoss und die Dienstwohnungen ins Obergeschoss verlegt werden. Zunächst wurde das Vorhaben aber abgelehnt. Doch am 26. Mai 1926 stellte die Reichsbahnverwaltung unentgeltlich Bruchsteine zur Verfügung, die für einen Umbau genutzt werden konnten. In den Jahren 1927/1928 erfolgte der Umbau. Das heutige Bahnhofsgebäude entspricht immer noch den Entwürfen von Kleinschmidt aus dem Jahr 1927. Der Baustil wird als leicht expressionistischer Heimatstil angesehen.
Auffällig ist das architektonische Gesamtkonzept rund um den Bahnhof, welches sich in der Bauweise stark ähnelt. Grund dafür ist eine Auflage der Stadt, sich bei Neubauten am benachbarten Bahnhof zu orientieren.
Bei dem heutigen Gebäude handelt es sich um ein 2,5-geschossiges traufständiges (die waagrechte obere Kante des Daches verläuft parallel zur Straße) Gebäude mit Walmdach (alle Seiten des Daches geneigt), welches aus grob bearbeitetem Schieferbruchstein besteht. Das Obergeschoss mit den sieben Sprossenfenstern ist verputzt und durch einen Sims zum Bruchstein abgesetzt. Auf der Süd- bzw. Nordseite finden sich drei Fenster. Im Dachstuhl finden sich zur Straße fünf Giebelfenster. Hier sind es auf der Nord- und Südseite nur noch zwei Fenster. Aufgrund der höher liegenden Eisenbahngleise ist die Gebäuderückseite 1,5-geschossig.
Um den Bahnhof betreten zu können, muss man eine Freitreppe mit Rechteckeingang benutzen, die in ein Bogenportal eingefasst ist. Der Wartesaal weist einen fast quadratischen Grundriss auf, der aber heute nicht mehr in seiner ursprünglichen Bedeutung genutzt wird. Einfallendes Licht kommt durch einen runden, überdachten Lichthof in der Mitte des Raumes.
Der Bahnhof stellt ein Einzeldenkmal dar und gehört aufgrund seiner Lage zur Denkmalzone der Kernstadt Sankt Goar.
(Kira Bublies, Universität Koblenz-Landau, 2015)