Die Stadt Düren war in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts im Zuge der zunehmenden Industrialisierung explosionsartig über die mittelalterlichen Grenzen hinausgewachsen. Im Norden der Stadt, jenseits der Bahnlinie, des Bahnhofs gegenüber und entlang der beiden sich teilenden Ausfallstraßen von Düren Richtung Birkesdorf - an der Alten und der Neuen Jülicher Straße - bildete sich in kurzer Zeit ein städtebaulicher Schwerpunkt als ein in sich differenziertes Stadterweiterungsgebiet heraus.
Charakteristik
Drei Themen - Krankenfürsorge, Wohnen und gewerbliche Nutzung - gliedern das Viertel „Düren-Nord“ in drei städtebaulich markante Teile.
In der Mitte des Viertels zu beiden Seiten der Ausfallstraßen liegt ein mit Kleingewerbe und Läden durchmischtes Wohngebiet mit städtischem Charakter. Es setzt sich zusammen aus dreigeschossigen, vorwiegend dreiachsigen reinen Wohn- sowie Wohn- und Geschäftshäusern in geschlossenen Zeilen, in Blockrandbebauung in der Straßenflucht. Hier lebten Handwerker und Kaufleute, auch Arbeiter der benachbarten Fabriken.
Städtebaulich verbindet der zentrale Platz mit dem freistehenden Kirchenbau Sankt Joachim das Wohngebiet mit dem Klinikareal.
Hier, im Nordosten des Viertels auf dem leicht ansteigenden Gelände, erstreckt sich als Großanlage, eingebunden in eine Parkanlage, die Landesklinik, im Ursprung von 1873, mit der benachbarten Blindenschule.
Im Westen des Wohngebietes, auf dem zur Rur hin leicht abfallenden Areal, das bereits seit dem Mittelalter gewerblich genutzt wurde, konzentrierten sich Ende des 19. Jahrhunderts zunehmend große Werke. Seit dem frühen 14. Jahrhundert sind hier vor dem Stadttor Wassermühlen urkundlich belegt. Im 15. Jahrhundert unterstand eine Mühle den Wilhelmiterpatres und das Johanniterkonvent Velden besaß in dem Bereich neben Woll- und Schleifmühlen eine Bohr-, Öl-, und eine Pulvermühle. Aus diesen mittelalterlichen Kernteilen war ein Industriegebiet mit großen Fabrikkomplexen gewachsen, die sich an den alten Mühlenstandorten am Mühlenteich parallel zur Rur hintereinander reihten und die sich nun in günstiger Lage, nicht weit vom Bahnhof, zunehmend verdichteten. Es entstanden gewerbliche Produktionsstätten, die zur Wasser- und Energienutzung auf das fließende Wasser des Mühlenteichs angewiesen waren: Fabriken und Industrieanlagen, eine Glashütte, der städtische Schlachthof, das Elektrizitätswerk. Zur flächenmäßig größten Fabrik entwickelten sich aus der Virnichs Mühle seit 1885 die Dürener Metallwerke.
Alle drei Teile zusammen - Krankenhaus beziehungsweise Blindenschule, Wohn- und Kleingewerbeviertel und Industriegebiet - belegen ein wichtiges Stück Geschichte der Stadt Düren in der Zeit der Industrialisierung und des Anwachsens der Stadt Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts.
Die städtebaulichen Besonderheiten des Viertels schlagen sich in einzelnen Merkmalen nieder. Im örtlichen Grundriss, in der aufgehenden Bausubstanz, in den Freiflächen, im Baumbestand und in Blickverbindungen.
Dessen Grundriss setzt sich zusammen aus der Straßenführung, der Platzbildung und der Parzellenteilung.
Die Bausubstanz setzt sich zusammen aus sich in den Wohn- und Kleingewerbevierteln in der Straßenflucht errichtete traufenständige, mehrgeschossige Wohn- und Geschäftshäuser in geschlossener Bauweise mit stukkierten Schmuckfassaden. Dies war für die in der Zeit kurz nach 1900 die überregional übliche Formensprache mit straßenseitig zahlreichen architektonischen Details und schlichter Bauzier. Die vorwiegend dreiachsigen Haustypen weisen Etagenwohnungen auf. Rückwärtig in den Blockinnenbereichen sind die Gebäude um schmale gestalterisch nachgeordnete Anbauten mit Nebennutzungen verlängert. Zum Teil führen Tordurchfahrten zu den gewerblich genutzten Innenhöfen.
Das Klinik- und Blindenschulareal besteht aus Solitärbauten inmitten einer Waldparkanlage.
Im Industrieterrain bestimmen die historischen Fabrikbauten und Hallen in Volumen, Gestaltung, Material und Baukörperstellung zueinander den Charakter. Zugeordnete Wohnzeilen mit Vorgärten zeugen von der engen Bindung zwischen Wohnen und Produktionsstätte in der Zeit um 1900.
Bedeutung
Bis heute ist das Viertel ein städtebaulich in sich stimmiger Teil sowie ein wichtiges und anschauliches Zeugnis der Geschichte von Düren. Es zeichnet sich durch eine hohe Dichte historischer Bausubstanz aus, der im Zusammenwirken mit der städtebaulichen Struktur eine besondere städtebauliche Aussage zugesprochen wird. Das Viertel belegt die Wohn- und Lebensverhältnisse der Kleinbürger im ausgehenden 19. und im beginnenden 20. Jahrhundert.
Bezogen auf die Entstehung und auf die Ortsentwicklung des 19. und frühen 20. Jahrhunderts vermittelt der Stadtteil in der bestehenden Substanz und Struktur aus Wohnstraßen, Krankenanstalt und Industriegebiet ein Stück Ortsgeschichte, zumal dieser Teil von Düren im Zweiten Weltkrieg nicht zerstört wurde und mit der intakten Infrastruktur vorübergehend einen Teil der Innenstadtfunktionen übernehmen konnte.
Der Kölner Stadtbaumeister Hermann Joseph Stübben legte 1892 die Grundzüge des Viertels in einem Bebauungsplan fest; nachfolgende Gestaltungsvorschriften und Baupolizei-Verordnungen detaillierten sein Konzept. Die Denkmalbereichssatzung könnte diese planerische Tradition fortsetzen und auf dieser Grundlage die weitere Entwicklung in Zukunft stimmig begleiten.
(Elke Janßen-Schnabel, LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland, 2018)
Quellen
- Mündliche und schriftliche Informationen von Herrn Herbert Pawliczek, Untere Denkmalbehörde der Stadt Düren
- Gutachten des LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland zum Denkmalbereich, 2009
Internet
de.wikipedia.org: Düren-Nord (abgerufen 15.11.2024)