Denkmalbereich „Rheinberg - Orsoy“

mit umgebenden Festungsanlagen

Schlagwörter:
Fachsicht(en): Denkmalpflege
Gemeinde(n): Duisburg, Rheinberg
Kreis(e): Duisburg, Wesel
Bundesland: Nordrhein-Westfalen
Koordinate WGS84 51° 31′ 24,74″ N: 6° 41′ 15,27″ O 51,52354°N: 6,68757°O
Koordinate UTM 32.339.580,70 m: 5.710.581,98 m
Koordinate Gauss/Krüger 2.547.763,78 m: 5.710.115,82 m
Keimzelle des 1139 erstmals erwähnten Ortes war ein Frohnhof der Klever Grafen mit einer bäuerlichen Ansiedlung, die sich als Siedlungszeile entlang der heutigen Eger- und Binsheimerstraße erstreckt haben wird. Um 1240 wurde durch Graf Dietrich IV. von Kleve bei Orsoy der Rheinzoll erhoben. Verbunden mit der darauf gegründeten städtebaulichen Entwicklung erfolgte um 1270 die Verleihung der Stadtrechte. Als südlicher Vorposten im klevischen Territorium und Konkurrenzgründung zum benachbarten kurkölnischen Rheinberg verlor Orsoy 1279 mit dem Friedensschluss zwischen Kleve, Köln, Geldern, Brabant und dem Verzicht durch die Klever Grafen auf Zollerhebung in Orsoy an Bedeutung.

Erst 1420 wurde Orsoy wieder Zollort. In dieser Zeit (Ende des 14. Jahrhunderts bis 1438) entstanden die 8 Meter hohe Stadtmauer, sowie als Neubauten die klevische Landesburg (zwischen 1425 und 1441) und die Stadtpfarrkirche (15. Jahrhundert). Die vier kreuzförmig angeordneten Hauptstraßen des Ortes wurden bewohnt von Ackerbürgern, Rheinfischern, sowie wenigen Kaufleuten und Handwerkern des Textilgewerbes.
Im 16. Jahrhundert wurde Orsoy nach Plänen, die zurückgehen auf die berühmte Renaissance Architektenfamilie Pasqualini, zu einer Festung mit fünf Bastionen ausgebaut. Während dieser Zeit wurde der Ort 1585 durch Brandschatzung fast vollständig zerstört und über den eingeebneten Schuttmassen auf ca. 1,5 Meter höherliegendem Niveau mit möglicherweise regularisiertem Straßennetz wiederaufgebaut. 1598 war der Bastionsring vollendet. Er wurde 1633/1640 von den Niederländern durch Anlage von vier Ravelins ergänzt.

Mit Eroberung der Stadt durch die Franzosen unter Ludwig XIV. 1672/73, der Niederlegung von Schloss und Festung, der Umsiedlung vieler Bewohner nach Holland unter Abbruch und Verfall zahlreicher Häuser ging der Ort jahrzehntelangem Siechtum entgegen. Erst im Verlauf des 18. Jahrhunderts erholten sich Stadt und Wirtschaft durch Förderung des preußischen Staates. Die zunächst wieder aufblühende Tuchfabrikation konnte sich im 19. Jahrhundert nicht behaupten und wurde durch das seit 1850 aufkommende Tabakgewerbe ersetzt. Zahlreiche kleinere Stadtbrände minderten im 19. Jahrhundert die historische Substanz des Ortes. Der Zweite Weltkrieg brachte im Vergleich zu anderen niederrheinischen Orten geringe Schäden. Im Zuge des Wiederaufbaus wurden umfangreiche auch zuvor unbebaute Flächen besiedelt. Orsoy ist heute ein Stadtteil von Rheinberg.

Das aktuelle Erscheinungsbild des Ortes wird geprägt von dem regelmäßigen Stadtgrundriss auf mittelalterlicher Grundlage mit dem beherrschenden Kreuz der Hauptstraßen und den rechtwinklig daran anschließenden Nebenstraßen. Die mittelalterliche Stadt hatte einen rechteckigen Umfang mit einer Länge der Hauptstraßen von 295 und 350 Metern zwischen den nicht erhaltenen Toren. Die mittelalterliche Stadtmauer ist - teilweise als Rückwand von Häusern des 18. und 19. Jahrhunderts - noch weitgehend erhalten. Von den elf Türmen der Stadtbefestigung ist einzig der 11 Meter hohe Mühlenturm erhalten. Er trägt seit dem 16. Jahrhundert eine Mühle.

Die Funktion des Ortes als Zollfestung wird in der Ausdehnung (100 x 70 Meter) der baulich nur noch mit Mauerresten in Erscheinung tretenden klevischen Landesburg in nordöstlicher Randlage deutlich. Die Stadtpfarrkirche ist zentral am Schnittpunkt der Hauptstraßen angeordnet.

Mit der mittelalterlichen Bauschicht aufs Innigste verschränkt sind die erhaltenen Festungsbauwerke der Renaissance. Sie bestimmen zudem maßgeblich die landschaftliche Einbindung des Ortes. Erkennbar sind noch alle fünf Bastionen: im Nordosten das Kastells-Bollwerk vor der ehemaligen Burganlage (heute Schule), im Nordwesten das Henkes-Bollwerk (heute katholischer Friedhof), vor dem ehemaligen Kuhtor das Kuhpforten-Bollwerk (heute Platz am Ehrenmal), im Südwesten das Galgen-Bollwerk (heute evangelischer Friedhof) und im Südosten am Rhein das Blaue-Turms-Bollwerk (heute Alten- und Pflegeheim). Die Ravelins von 1633/1640 zeichnen sich noch durch die überlieferte Wegeführung ab.

Die bauliche Erscheinung der Straßen wird bestimmt durch zweigeschossige, verputzte Traufbauten mit einigen qualitätvollen Barockhäusern aus der Wiederaufbauphase nach dem Stadtbrand von 1587. Dazu gehört auch das zwischen 1696 und 1705 gegenüber der Kirche erbaute Rathaus. Diese Bauten des 17. und 18. Jahrhunderts werden ergänzt durch bescheidene Traufenhäuser teilweise in Ziegelsichtmauerwerk aus dem 19. und 20. Jahrhundert. Auf die ältere Bebauung verweisen die schmalen Parzellenzuschnitte, die Eger- und Binsheimerstraße prägen.

Orsoy ist ein Beispiel für eine kleinere Zollfestungsstadt mittelalterlicher Herkunft, von denen im Bereich des Niederrheins mehrere Exemplare erhalten sind: Kaiserswerth, Zons, Griethausen. Bemerkenswert ist der vollständig erhaltene Festungsring mit einer in diesem Umfang selten überlieferten Stadtmauer und einer entwicklungsgeschichtlich bedeutenden frühen Bastionsbefestigung. Das hier zugrunde liegende Festungssystem der italienischen Renaissance mit enger Bindung zu der von Alessandro Pasqualini geplanten Stadt und Zitadelle Jülich ist Vorläufer der später in mehreren Städten des Rheinlandes verwirklichten niederländischen und preußischen Bastionsbefestigung. Die wahrscheinliche, aber noch nicht nachweisbare gleichzeitige Veränderung des mittelalterlichen Sladtgrundrisses durch den Wiederaufbau nach 1587 machte Orsoy zu einem Objekt der Stadtforschung.

Die Ausweisung einer Denkmalbereichssatzung wurde 1982 vom Rheinischen Amt für Denkmalpflege vorgeschlagen und von der Stadtverwaltung zustimmend aufgegriffen. Den Anstoß gaben zahlreiche Unterschutzstellungsanträge von Hausbesitzern, deren Häuser aber nicht die Bedeutung von Baudenkmalen erreichten. Um dennoch den Bürgern die steuerliche Vergünstigung zugänglich zu machen, wurde auch von der Stadt Rheinberg die Ausweisung der Satzung vorangetrieben. Noch vor Auslegung der Satzung wurden öffentliche Informationsveranstaltungen durchgeführt. Gegen die Satzung wurde nur einmal Widerspruch vorgetragen. Sie wurde am 27.7.1983 rechtskräftig.

(Walter Buschmann, Rheinisches Amt für Denkmalpflege, LVR, aus: Mainzer (Hrsg.) 1996)

Literatur

Clasen, Carl-Wilhelm; Hansmann, Wilfried; Osteneck, Volker / Landeskonservator Rheinland (Hrsg.) (1975)
Ensembles 1. (Arbeitsheft 4.) Köln.
Clemen, Paul (Hrsg.) (1892)
Die Kunstdenkmäler des Kreises Moers. (Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz, Band 1.3.) S. 43-47, Düsseldorf.
Kastner, Dieter (1989)
Orsoy. (Rheinischer Städteatlas, Lieferung IX, Nr. 51.) Köln.
Kastner, Dieter; Köhnen, Gerhard (1981)
Orsoy. Geschichte einer kleinen Stadt. Duisburg.
Mainzer, Udo (Hrsg.) (1996)
Denkmalbereiche im Rheinland. (Arbeitshefte der rheinischen Denkmalpflege 49.) S. 191-193, Köln.
Ottsen, O. (o.J.)
Alt-Orsoy. Beiträge zu der Geschichte der Stadt und des Amtes (der Drostei) Orsoy. Orsoy.

Denkmalbereich „Rheinberg - Orsoy“

Schlagwörter
Straße / Hausnummer
Binsheimer Straße
Ort
47495 Rheinberg - Orsoy
Gesetzlich geschütztes Kulturdenkmal
Denkmalbereich gem. § 5 DSchG NW
Fachsicht(en)
Denkmalpflege
Erfassungsmaßstab
i.d.R. 1:5.000 (größer als 1:20.000)
Erfassungsmethode
Übernahme aus externer Fachdatenbank, Literaturauswertung
Historischer Zeitraum
Beginn vor 1139

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„Denkmalbereich „Rheinberg - Orsoy“”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/BODEON-59347-12042017-266661 (Abgerufen: 19. April 2024)
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