Denkmalbereich „Siedlung Rahser“

Viersen, Siedlung Rahser

Schlagwörter:
Fachsicht(en): Denkmalpflege
Gemeinde(n): Viersen
Kreis(e): Viersen
Bundesland: Nordrhein-Westfalen
Koordinate WGS84 51° 15′ 56,75″ N: 6° 23′ 14,87″ O 51,26576°N: 6,38746°O
Koordinate UTM 32.317.742,35 m: 5.682.621,86 m
Koordinate Gauss/Krüger 2.527.086,91 m: 5.681.283,99 m
Lage
Die Siedlung Rahser, eine Kleinwohnungssiedlung aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, liegt im Norden von Viersen rechts von der Ausfallstraße nach Süchteln, zwischen der Bahn und der Ortslage Oberrahser.

Geschichte
Bis ins 19. Jahrhundert war Viersen - so wie die nähere und weitere Umgebung der niederrheinischen Ebene insgesamt - ländlich, landwirtschaftlich geprägt. Zunehmend bot in den Dörfern das Weben von Stoffen in Heimarbeit eine Ergänzung zum bäuerlichen Ertrag. Die fertigen Stoffe erhielten die Tuchhändler in den Städten. Mit Errichtung von Textilfabriken im Zuge der allgemeinen Industrialisierung im Laufe des 19. Jahrhunderts war der Zuzug von Arbeitern verbunden, womit der Bedarf an zusätzlichem günstigen Wohnraum stieg. Die Werksbesitzer selbst und die Städte suchten nach Lösungen, auch der Staat sah sich in der Verantwortung. Auf seine Initiative hin gründeten sich Baugenossenschaften. Das preußische Genossenschaftsgesetz von 1867, in der Fassung von 1889, hatte Anreize zur Gründung von Baugenossenschaften mit beschränkter Haftung geschaffen, gleichzeitig ermöglichte die Invaliden- und Altersversicherungsgesetzgebung die Vergabe von günstigen Krediten an die Gesellschaften. In Viersen gründeten sich in der Folge die Spar- und Baugenossenschaft Viersen (später Gemeinnützige Wohnungsgenossenschaft Viersen), die Viersener Aktienbaugesellschaft (VAB) und die Aktienbaugesellschaft des Kreises Gladbach und der Stadt Viersen.

Im Rathuserfeld, Rahser, an der Süchtelner Straße und an der Rahserstraße bauten Genossenschaften seit der Zeit um 1900. In den 1920er Jahren entstanden die Häuser an der Regentenstraße und der neu angelegten Nauenstraße; Architekten waren Willy Esser, Josef Gormanns sen. und Lawaczeck, in den 1930er Jahren die Bauten an der Alsen-, Düppel-, Geldener Straße und zwischen 1938 und 1941 vier städtische Kleingartenanlagen in den vier Blockinnenbereichen an der Kreuzung Nauenstraße/Regentenstraße. Nach dem Zweiten Weltkrieg konnte die Straßenbebauung fortgesetzt, Lücken konnten geschlossen werden (Rahserstraße, Pastor-Lambertz-Straße, Düppelstraße). In den 1950er Jahren entwarfen und bauten Willy Esser und von Josef Gormanns jun. Trotz der baulichen Veränderungen, die nach der Privatisierung die Modernisierung vieler Wohnungen mit sich zog, ist die Gesamtanlage mit der nach außen wirkenden Bausubstanz erhalten.

Charakteristik
An dem Straßenkreuz Regentenstraße/Nauenstraße, Dechant Strauss-Straße, über die Nauenstraße an die Süchtelner Straße angebunden, entwickelte sich die Siedlung Rahser in verschiedenen Bauphasen zwischen der Zeit kurz vor dem Ersten Weltkrieg und der Zeit kurz nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Siedlung umfasst im wesentlichen diese beiden Straßenräume und die an der Kreuzung aufeinander bezogenen vier Blöcke mit den Kleingartenanlagen in den Blockinnenbereichen. Die Kreuzung wird als Siedlungsmittelpunkt durch den einzigen Bau mit öffenlicher Funktion, die St. Notburger Schule, strukturell und städtebaulich hervorgehoben. Die Siedlung zeichnet sich im Übrigen aus durch eine klare Struktur mit gleichförmiger Reihung von Blockrandbebauung, durch das Miteinander von schlichten, in der Architektursprache sachlichen Einzelhäusern, die in der rhythmischen Anordnung und im Gegenüber zusammen mit Vorgärten und Straßenbäumen ganz charakteristische Straßenräume bilden. Trotz der verschiedenen Bauphasen, Bauträger und Architekten ist die Grundform der Straßenzüge mit der Siedlung als ein Ganzes gewahrt.

Die einzelnen Bauphasen drücken sich in jeweils zeittypischen städtebaulichen Formen aus, so dass die Siedlungsentstehung ablesbar ist: An der Durchgangsstraße überwiegt das städtische Mietshaus aus der Zeit vor 1914. In der Regentenstraße und in der Nauenstraße stehen, angelehnt an die traditionelle Architektur, Beispiele für den malerischen Städtebau mit kleinteiliger handwerklich und gestalterisch qualitätvoller Ausführung (Giebelhäuser mit geschweiftem Abschluss, Wechsel von Putzfeldern und backsteinsichtigen Wandflächen). Die Bäume – ursprünglich auch an der Nauenstraße – runden den Eindruck des stimmigen Straßenraumes und des Gesamtgefüges ab. Die Notzeit zwischen den Kriegen schlug sich in zweckbestimmter neuer Sachlichkeit von weitgehend schmucklosen Putzbauten nieder. Durchgänge, Vor- und Rücksprünge, besondere Eckausbildungen, Platzerweiterungen betonen die Architektur und erzeugen städtebauliche Spannung. Zeugnisse der Nachkriegszeit mit stärkerer Durchgrünung, mit Vorgärten, in größeren Abständen zur besseren Belichtung ergänzen das Siedlungsgefüge an der Alsenstraße, der Pastor-Lambertz-Straße und an der Düppelstraße. Insbesondere die vier Kleingartenanlagen sind als spezifisches und als städtebaulich bedeutsame Elemente der Siedlung überliefert und als Merkmal der Siedlung im Zusammenhang erhaltenswert.

Für die Erhaltung der Siedlung durch eine Denkmalbereichssatzung sprechen neben ortsgeschichtlichen und architekturgeschichtlichen Gründen insbesondere siedlungsgeschichtliche und städtebauliche Gründe. Die Satzung schützt das Erscheinungsbild, den strukturellen städtebaulichen Zusammenhang der Siedlung als ein Ganzes und die historische Bausubstanz als zentralen Träger des Erscheinungsbildes in Material, Maßstäblichkeit, Proportionen, Anordnung und Gestaltung der Baukörper, in den Details, Gebäudehöhen, Volumina, Baukörperstellungen, in Dachformen, Dachneigungen und Fensterformaten. Im Erscheinungsbild geschützt sind weiterhin die Gärten als Nutzgärten, Hausgärten und als Teil der Kleingartenanlage, außerdem die Wegegestaltung, die Parzellentrennung, die Gartenhäuschen und die die Siedlung prägenden Bäume.

Die Satzung trat 1999 in Kraft.

(Elke Janßen-Schnabel, LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland, aus: Pufke (Hrsg.) 2016)

Quellen
  • Gutachten LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland, Marco Kieser 1997
  • Akte der Unteren Denkmalbehörde (Gutachten und Baubeschreibungen, C. Wicklein, 10.06.1997)
  • Auszug aus dem Beschlußbuch der Stadtverordneten-Versammlung zu Viersen vom 27.03.1911 und vom 02.11.1911, Stadtarchiv Viersen

Literatur

Bundesverband Deutscher Gartenfreunde (Hrsg.) (1996)
Kleingärten und Kleingärtner im 19. und 20. Jahrhundert. Leipzig.
Frielingsdorf, Eugen (Bearb.) (1930)
Viersen, Dülken, Süchteln. (Deutschlands Städtebau.) Berlin.
Kauder, Martin; Weber, Dieter; Weinforth, Friedhlem (1988)
Die rheinische Stadt. Lebensraum im Wandel der Jahrhunderte. (Veröffentlichungen der staatliche Archive des Landes Nordrhein Westfalen, Reihe G: Lehr- und Arbeitsmaterialien, 1.) Kleve.
Lohmann, Friedrich Wilhelm (1913)
Geschichte der Stadt Viersen von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart zugleich ein Beitrag zur Geschichte des alten freiedlen Sankt Gereonsstiftes in Köln. Viersen.
Mackes, Karl L. (1956)
Aus der Vor-, Früh- und Siedlungsgeschichte der Stadt Viersen. Viersen.
Pufke, Andrea (Hrsg.) (2016)
Denkmalbereiche im Rheinland. (Arbeitsheft der rheinischen Denkmalpflege 83.) S. 256-258, Petersberg.
Viersener Aktienbaugesellschaft (Hrsg.) (1928)
30 Jahre Viersener Aktienbaugesellschaft. Düsseldorf.
(1973)
St. Notburga 1923-1973. 50 Jahre Katholische Pfarrgemeinde in Viersen-Rahser. Düsseldorf.

Denkmalbereich „Siedlung Rahser“

Schlagwörter
Ort
Viersen - Rahser
Gesetzlich geschütztes Kulturdenkmal
Denkmalbereich gem. § 5 DSchG NW
Fachsicht(en)
Denkmalpflege
Erfassungsmaßstab
i.d.R. 1:5.000 (größer als 1:20.000)
Erfassungsmethode
Übernahme aus externer Fachdatenbank, Auswertung historischer Schriften, Auswertung historischer Karten, Auswertung historischer Fotos, Literaturauswertung, Geländebegehung/-kartierung

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„Denkmalbereich „Siedlung Rahser“”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/BODEON-29130-13062019-293819 (Abgerufen: 20. März 2025)
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