Kraftwerk Hirschfelde

Schlagwörter:
Fachsicht(en): Denkmalpflege
Gemeinde(n): Zittau
Kreis(e): Görlitz
Bundesland: Sachsen
Koordinate WGS84 50° 56′ 13,5″ N: 14° 53′ 7,27″ O 50,93708°N: 14,88535°O
Koordinate UTM 33.491.944,33 m: 5.642.834,64 m
Koordinate Gauss/Krüger 5.492.078,66 m: 5.644.647,54 m
  • Kraftwerk Hirschfelde, Maschinenhaus Werk II

    Kraftwerk Hirschfelde, Maschinenhaus Werk II

    Fotograf/Urheber:
    Anja Prust
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1905 erfolgte der Beschluss der „Elektrizitäts-Lieferungsgesellschaft“ (ELG), ein Tochterunternehmen der AEG, ein Kraftwerk an der Neiße und nahe des Braunkohletagebaus Seitendorf/Türchau (heute: Turów/Polen) zu errichten. Zwei Jahre nach Baubeginn 1909 ging das „Kraftwerk Hirschfelde“ (Werk I) am 13.04.1911 mit zwei Turbinen zu je 1,6 MW ans Netz. 1916 wurden die „Direktion Staatlicher Elektrizitätswerke“ (Sitz Dresden) und die „Direktion Staatlicher Braunkohlenwerke“ (Sitz Hirschfelde) durch den sächsischen Staat gegründet. Noch im selben Jahr verbot dieser per Gesetz den Verkauf von Kohlebaurechten an Privatleute und beide Direktionen kauften 1916/17 die Kohlenfelder Seitendorf/Türchau, die Brikettfabrik Hirschfelde und das der ELG gehörende Unternehmen „Elektrizitätswerke Oberlausitz“ mit dem Großkraftwerk Hirschfelde samt der dazugehörigen Infrastruktur. Ziel war es, eine großflächige Elektrizitätsversorgung für das Königreich Sachsen zu schaffen. Beide Direktionen schlossen sich 1923 zur „Aktiengesellschaft Sächsische Werke“ (ASW) zusammen; alleiniger Aktionär blieb der sächsische Staat. Bereits während des Ersten Weltkrieges wurde das Kraftwerk Hirschfelde ausgebaut – aufgrund des hohen Arbeitskräftemangels setzte man dabei Kriegsgefangene (Russen, Franzosen, Italiener) ein. 1916 erzielte das Werk eine Gesamtleistung von 25,5 MW und versorgte die Oberlausitz sowie Teile Schlesiens und Böhmens mit Strom. Die dafür benötigte Rohbraunkohle wurde bis 1918 mittels einer umlaufenden Seilbahn aus dem Tagebau Türchau zum Werk transportiert; dann erfolgte die Umstellung auf Zugbetrieb und ein Kohlebunker wurde errichtet. Die Kraftwerksasche deponierte man zunächst auf dem Kraftwerksgelände und führte sie dann in den Tagebau zurück. Im Zeitraum von 1918 bis 1929 wurde ein zweites Kraftwerk errichtet (Werk II), so dass bereits Mitte der 1920er Jahre eine Gesamtleistung von 110 MW erreicht wurde, die sich infolge weiterer Modernisierungen in den 1930er Jahren auf bis zu 156 MW im Jahr 1937 steigern ließ. Für den Bau einer Vorschaltanlage ab 1942/1943 wurden für die Montagearbeiten Fremdarbeiter zwangsverpflichtet, die nahe des Werkes in Lagern („Italienerwohnlager der ASW“, „Vorschaltlager“) untergebracht waren. Bis zum Kriegsende wurde im Kraftwerk Hirschfelde ununterbrochen Strom produziert. Im Juni 1945 erfolgte auf Befehl der SMAD die Demontage eines Großteils der technischen Anlagen im Rahmen der Reparationsleistungen. Massive Engpässe in der sächsischen Stromversorgung führten jedoch dazu, dass Teile der Anlagen vor dem Abtransport zurückgegeben und wiederaufgebaut wurden. Am 01.03.1947 wurde die ASW liquidiert und das Werk am 13.03.1947 in Volkseigentum überführt. Zeitweilig trug das Kraftwerk den Namen „Friedensgrenze“. Bis in die 1960er Jahre wurden Modernisierungen zur Leistungserhöhung realisiert; mit der Fertigstellung der Vorschaltanlage 1958 konnte schließlich die höchste Leistung von 330 MW erzielt werden. Die Bekohlung des Kraftwerkes erfolgte noch immer aus dem Tagebau Turów. Bis zur dortigen Inbetriebnahme eines eigenen Kraftwerkes 1962 lieferte das Kraftwerk Hirschfelde weiterhin den Strom für die Region. Nach Einstellung der polnischen Kohlelieferungen wurde das Kraftwerk Hirschfelde über einen neu eingerichteten Gleisanschluss aus den umliegenden Tagebauen Olbersdorf und Berzdorf versorgt. Auch ein Hochbunker wurde zu diesem Zweck gebaut. Nachdem auch die Ascheverkippung in Polen nicht mehr möglich war, wurde eine neue Spülhalde eingerichtet. Im Werk I wurden bereits seit den 1950er Jahren veraltete Anlagen schrittweise abgebrochen, bis es in den 1980er Jahren endgültig stillgesetzt und abgerissen wurde. Ein großer Teil der Anlagen aus Werk II folgte bis 1975; lediglich die Vorschaltanlage und einige Turbinen und Kessel blieben in Betrieb. Infolge der politischen Wende und dem Rückgang an großen Industrien als Hauptabnehmer, wurde das Kraftwerk Hirschfelde am 23.11.1992 durch die VEAG endgültig stillgesetzt und in den Folgejahren nahezu vollständig abgerissen. Das Maschinenhaus von Werk II mit seinen technischen Anlagen und das Verwaltungsgebäude wurden 1992 als Industriedenkmal unter Schutz gestellt (Obj.-Dok.-Nr.: 09301446, Denkmalliste LfD Sachsen). Die „Stiftung Kraftwerk Hirschfelde“ engagiert sich noch immer für den Erhalt, die Förderung und die Vermittlung der Zeugnisse der Lausitzer Industriekultur, musste jedoch den Museumsbetrieb aufgrund zunehmender Baufälligkeit des Maschinenhauses 2017 aufgeben. Dieses wurde Ende Juni 2018 an die LEAG zurückgegeben. Der Sammlungsbestand der Kraftwerksstiftung wurde an Museen und Vereine zur Präsentation für Besucher weitergegeben, die Archivunterlagen wurden digitalisiert und sind abrufbar.

(Anja Prust, Landesamt für Archäologie Sachsen, 2023)

Datierung:
  • 1909–1992

Quellen/Literaturangaben:
  • GeoSN, dl-de/by-2-0.: DGM1 Sachsen. 2022.
  • —: DOP Sachsen. 2022.
  • —: Historische DOP Sachsen 1995–2004. 2022.
  • —: Historische Karten (TK25 ab 1990). 2022.
  • —: Historische Karten (TK25 DDR Ausgabe Staat). 2022.
  • —: WebAtlasSN. 2022.
  • Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek / Deutsche Fotothek: Messtischblatt 89: Hirschfelde, 1915. 2023.
  • —: Messtischblatt 89: Hirschfelde, 1935. 2023.
  • US Geological Survey: Declassified Satellite Imagery 3 (1978). 2013.
  • R. Franzke, Betriebsgeschichte Kraftwerk Hirschfelde 1911 bis 1992; Kraftwerk Hagenwerder 1958 bis 1997 (Hirschfelde 2008).
  • D. Kahl u. a., Braunkohlenverstromung im Lausitzer Revier. Die Geschichte der ehemaligen Braunkohlenkraftwerke. Beiträge zur Geschichte des Bergbaus in der Niederlausitz 10 (Cottbus 2009).
  • Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH [Hrsg.], Braunkohlenveredlung in der Lausitz, Teil II (Ostsachsen). Wandlungen und Perspektiven 19 (Senftenberg 2011).
  • W. Meissner, Zum 90. Jahrestag der Inbetriebnahme des ehemaligen Großkraftwerkes Hirschfelde, in: Zittauer Geschichtsblätter 1/2001, 6, 7.
  • D. Sperling und W. Schossig, Wirtschaftsorganisation der Braunkohlenindustrie in der SBZ/DDR von 1945 bis 1990 (Cottbus 2015).
  • Kraftwerk Hirschfelde: https://kraftwerk-hirschfelde.de/ (abgerufen 22.02.2023)
  • Bildarchiv Kraftwerk Hirschfelde: https://industrie-geschichte-lausitz.de/stiftung-kraftwerk-hirschfelde/datenbank/bildarchiv (abgerufen 22.02.2023)
  • Industriegeschichte Lausitz: https://industrie-geschichte-lausitz.de/ (abgerufen 22.02.2023)

Bauherr / Auftraggeber:
  • --

BKM-Nummer: 31100146

Kraftwerk Hirschfelde

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Ort
Zittau
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Denkmalpflege
Erfassungsmaßstab
Keine Angabe
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„Kraftwerk Hirschfelde”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/BKM-31100146 (Abgerufen: 26. März 2025)
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