Kraftwerk Hagenwerder

Schlagwörter:
Fachsicht(en): Denkmalpflege
Gemeinde(n): Görlitz, Ostritz
Kreis(e): Görlitz
Bundesland: Sachsen
Koordinate WGS84 51° 03′ 31,57″ N: 14° 57′ 0,16″ O 51,05877°N: 14,95004°O
Koordinate UTM 33.496.499,05 m: 5.656.361,59 m
Koordinate Gauss/Krüger 5.496.635,08 m: 5.658.180,04 m
  • Kraftwerk Hagenwerder 1978 und 2022 (Kartengrundlage: US Geological Survey: Declassified Satellite Imagery 3 [1978]. 2013; GeoSN, dl-de/by-2-0.: DOP Sachsen 2022; Kartierung A. Prust, 2022; Foto: M. Neubacher, LfD Sachsen 2022)

    Kraftwerk Hagenwerder 1978 und 2022 (Kartengrundlage: US Geological Survey: Declassified Satellite Imagery 3 [1978]. 2013; GeoSN, dl-de/by-2-0.: DOP Sachsen 2022; Kartierung A. Prust, 2022; Foto: M. Neubacher, LfD Sachsen 2022)

    Fotograf/Urheber:
    Anja Prust
    Medientyp:
    Bild
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Ab 1915 wurde mehrfach der Bau eines Kraftwerkes in der Gegend um Ostritz und Leuba diskutiert. Im nationalsozialistischen Deutschland wurde das „Kraftwerk Berzdorf“ schließlich als zweites von zehn „Einheitskraftwerken“ geplant und stand als kriegswichtiges Vorhaben unter direkter Kontrolle von Reichsminister Albert Speer. Die Bekohlung des Werkes sollte aus dem Tagebau Türchau (heute: Turów/Polen) erfolgen. Am 12.04.1943 begann der Bau durch das Energieversorgungsunternehmen „Märkisches Elektrizitätswerk“ (MEW), das bereits die Kraftwerke Heegermühle (nahe Eberswalde) und das Kraftwerk Finkenheerd (südlich von Frankfurt/Oder) betrieb. Zahlreiche Kriegsgefangene und Fremdarbeiter, die in Barackenlagern auf dem Gelände untergebracht waren, wurden zur Arbeit auf der Baustelle zwangsverpflichtet. Nach Fertigstellung des Hauptgebäudes, eines Kühlturms, zweier Schornsteinstümpfe, einiger Dampfkesselgerüste und dem Rohbau für den Kohlentiefbunker mussten die Arbeiten aufgrund der nahenden Roten Armee eingestellt werden. Teile des unvollendeten Kraftwerkes wurden 1946 als Reparationsleistung demontiert; das noch vorhandene Baumaterial wurde ebenfalls abtransportiert. Der massive Energiemangel nach dem Zweiten Weltkrieg verlangte den Neubau eines Kraftwerkes in der Region. Den Projektierungsarbeiten ab 1952 folgte 1956 der Baubeginn des „Großkraftwerkes Berzdorf“ als „Bau der Jugend“. Für das Projekt wurden eigens Unterkünfte und Sozialbauten in Hagenwerder eingerichtet. Im Juni 1958 wurde das Werk erstmals mittels Zugbetrieb aus dem 1946 wieder aufgeschlossenen Tagebau Berzdorf bekohlt. Am 15.08.1958 wurde das „Kraftwerk Hagenwerder“ in Betrieb genommen; der vierte und letzte Kraftwerksblock ging 1960 ans Netz. Mit der Fertigstellung erhielt das Werk den Namen „Völkerfreundschaft“ (später „Hagenwerder I“ bzw. „Werk I“) und verfügte über eine Leistung von 300 MW. Ein Tiefbunker stellte die Kohlebevorratung sicher; die Kesselschlacke wurde in Absetzbecken deponiert und dann mit der Kraftwerksasche im Tagebau verkippt. Da die Wasserversorgung über die Neiße bald nicht mehr ausreichte, musste 1958 ein Wasserwerk mit Pumpstation errichtet werden. Bald darauf wurde eine zweite Pumpstation notwendig; zudem wurde Wasser über Rohrleitungen aus der Wittka (Polen) entnommen. 1963 entschied man sich dazu, statt einer ursprünglich geplanten Erweiterung, ein zweites Werk (Werk II) mit zwei neu entwickelten 100 MW-Blöcken zu errichten. Die Gesamtleistung erhöhte sich somit auf 500 MW. Ein achtstöckiges Sozialgebäude vervollständigte das neue Werksgelände. Am 09.10.1970 wurde der Grundstein für Werk III gelegt. Ein 1.000 MW-Baustein, bestehend aus zwei 500 MW-Blöcken, wurde erstmalig in einem Kraftwerk verbaut. Doch schon nach kurzer Betriebszeit kam es zu Problemen mit den Schornsteinen, die eine komplette Erneuerung notwendig machten und zu einem halbjährigen Stillstand des Kraftwerkes führten. Der Bau von „Werk III“ zog auch den Bau einer Bandbekohlung nach sich, die 1974 in Betrieb genommen wurde; die Werke I und II wurden bis zur Erweiterung der Bandanlagen 1980 weiterhin mittels Zugbetrieb bekohlt. In den 1980er Jahren zeichnete sich bereits ein Rückgang der Kohleförderung aus dem Tagebau Berzdorf ab, so dass über das Gleisnetz der Deutschen Reichsbahn Teilmengen aus anderen Tagebauen geliefert werden mussten. Dazu errichtete man eine Grabenbunkeranlage zur Entladung von 360 m langen Ganzzügen, die jeweils 1.500 Tonnen Rohbraunkohle transportierten; eine Auftauhalle für den Winterbetrieb wurde 1991 fertiggestellt. Mit einer Leistung von 1.500 MW war das Kraftwerk Hagenwerder eines der größten Braunkohlenkraftwerke Europas und benötigte täglich 50.000 Tonnen Kohle. Mit der politischen Wende 1989/90 wurde das Werk neu bewertet, ein Weiterbetrieb galt jedoch aufgrund des Modernisierungsbedarfes der Werke I und II sowie hoher Betriebskosten als unwirtschaftlich. Werk I wurde am 01.10.1991 endgültig stillgesetzt und zum Abriss freigegeben, Werk II ging am 03.09.1996 vom Netz, Werk III schließlich am 28.12.1997. Die letzten Sprengungen und Abrissarbeiten erfolgten 2015. Wenige Bestandsbauten sind noch erhalten, die u. a. von Maschinenbauunternehmen genutzt werden.

(Anja Prust, Landesamt für Archäologie Sachsen, 2023)

Datierung:
  • 1943/1956–28.12.1997

Quellen/Literaturangaben:
  • GeoSN, dl-de/by-2-0.: DGM1 Sachsen. 2022.
  • —: DOP Sachsen. 2022.
  • —: Historische DOP Sachsen 1995–2004. 2022.
  • —: Historische DOP Sachsen 2005. 2022.
  • —: Historische Karten (Messtischblatt vor 1945). 2022.
  • —: Historische Karten (TK25 ab 1990). 2022.
  • —: Historische Karten (TK25 DDR Ausgabe Staat). 2022.
  • —: WebAtlasSN. 2022.
  • US Geological Survey: Declassified Satellite Imagery 3 (1978). 2013.
  • R. Franzke, Betriebsgeschichte Kraftwerk Hirschfelde 1911 bis 1992; Kraftwerk Hagenwerder 1958 bis 1997 (Hirschfelde 2008).
  • D. Füssel, Probleme bei der Inbetriebnahme der elektrotechnischen Anlagen des 500-MW-Blockes im Kraftwerk Hagenwerder III. Beitrag zur 3. Wissenschaftlichen Konferenz (Zittau 1974).
  • R. Heinzel und E. Radtke, 500-MW-Turbosatz im Kraftwerk Hagenwerder III, in: Mitteilungen aus dem Kraftwerksanlagenbau der DDR (2/1974), 4–9.
  • D. Kahl u. a., Braunkohlenverstromung im Lausitzer Revier. Die Geschichte der ehemaligen Braunkohlenkraftwerke. Beiträge zur Geschichte des Bergbaus in der Niederlausitz 10 (Cottbus 2009).
  • E. Kocksch, Historische Entwicklung des VEB Kraftwerke „Völkerfreundschaft“. Betrieb der sozialistischen Arbeit (Hagenwerder 1979).
  • H. Lauerwald, Den Kraftwerken „Völkerfreundschaft“ Hagenwerder – zum 15. Jahrestag der Stillsetzung, in: Oberlausitzer Hausbuch 2012 (2011), 151–153.
  • Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH [Hrsg.], Braunkohlenveredlung in der Lausitz, Teil II (Ostsachsen). Wandlungen und Perspektiven 19 (Senftenberg 2011).
  • D. Sperling und W. Schossig, Wirtschaftsorganisation der Braunkohlenindustrie in der SBZ/DDR von 1945 bis 1990 (Cottbus 2015).
  • H. Steifa, Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter legten den Grundstein. Ein Beitrag zur ältesten Geschichte des Kraftwerkes Hagenwerder anläßlich des 30. Jahrestages der Inbetriebnahme des Werkes I, in: Görlitzer Magazin 2 (1988), 35–39.

Bauherr / Auftraggeber:
  • --

BKM-Nummer: 31100145

Kraftwerk Hagenwerder

Schlagwörter
Ort
Görlitz
Fachsicht(en)
Denkmalpflege
Erfassungsmaßstab
Keine Angabe
Erfassungsmethode
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„Kraftwerk Hagenwerder”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/BKM-31100145 (Abgerufen: 22. März 2025)
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