Das Empfangsgebäude weist zudem trotz baulicher Veränderungen der Eingangssituation eine große gestalterische Ähnlichkeit mit den Empfangsgebäuden der ebenfalls an der Berlin-Görlitzer Strecke befindlichen Bahnhöfe in Spremberg und Königs Wusterhausen (Brandenburg) auf. Da alle Gebäude durch dieselbe Gesellschaft erbaut wurden, kann von einer einheitlichen Gestaltungsvorgabe für die größeren Bahnhöfe dieser Strecke ausgegangen werden. Daher ist das Empfangsgebäude in Weißwasser nicht nur in baugeschichtlicher Hinsicht, sondern auch als Ausdruck einer frühen „Corporate Identity“ von Bedeutung.
Da das Empfangsgebäude von Königs Wusterhausen in dieser Form erst 1893 erbaut wurde und einen Vorgängerbau in Fachwerkbauweise von 1865/1866 ersetzte, liegt der Schluss nahe, dass auch das vorliegende Empfangsgebäude aus den 1890er Jahren stammt und an die Stelle eines kleineren Bahnhofsgebäudes von 1869 trat. Es ist in typischer Klinkerbauweise gestaltet. Das Empfangsgebäude in klassizistischer Gestaltung aus Backstein mit einem zweigeschossigen und einem eingeschossigen Anbau besitzt eine reiche Fassadengestaltung aus roten und gelben Ziegeln. Die Fenster sind mit einer Rundbogenform versehen und das Dach mit einem Kranzgesims. Der gleisseitige Teil des Personenbahnhofs ist in einem baulich schlechten Zustand. Hier gab es größere Veränderungen an der Fassade, welche an vielen Stellen Putz aufweist. Die Eingangshalle ist ebenfalls in einem schlechten Zustand. Es sind lediglich die Wartehalle und ein kleiner Bereich, welcher von der DB verwendet wird, nutzbar.
Neben dem Personenbahnhof befindet sich ein sanierter Güterbahnhof/-schuppen. Er ist in typischer Klinker- und Fachwerkbauweise gestaltet. Ebenfalls erhalten sind das Rolltor, die Laderampe und die dazugehörigen Gleisanlagen. Ein vollständig erhaltener Wasserkran des Eisenwerks Schafstädt ist hingegen Sachzeugnis für das notwendige Kesselnachfüllen bei Dampflokomotiven während ihres temporären Aufenthalts am Bahnhof. Er steht in funktionaler Beziehung mit dem ebenfalls am Bahnhof erhaltenen Wasserturm. Auch wenn sich bis heute noch mehrere dieser technischen Einrichtungen auf sächsischen Bahnhöfen erhalten haben, sind sie als mitunter letzte und augenfälligste, in ihrer heutigen Funktionslosigkeit beinahe skulpturale Sachzeugnisse der Ära der Dampflokomotiven.
Am Erhalt der genannten Betriebsanlagen des Bahnhofs Weißwasser besteht aufgrund des hohen wissenschaftlich-dokumentarischen Wertes, aber auch des Erlebnis- und Erinnerungswertes für die Zeit des Eisenbahnverkehrs mit Dampflokomotiven ein hohes öffentliches Interesse.
(Kathrin Kruner, Landesamt für Denkmalpflege Sachsen, 2021)
Datierung:
- Erbauung 1869
Quellen/Literaturangaben:
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Bauherr / Auftraggeber:
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BKM-Nummer: 30800010