Fortuna-Villa

Schlagwörter:
Fachsicht(en): Denkmalpflege
Gemeinde(n): Böhlen (Sachsen), Rötha
Kreis(e): Leipzig
Bundesland: Sachsen
Koordinate WGS84 51° 11′ 41,68″ N: 12° 23′ 41,63″ O 51,19491°N: 12,3949°O
Koordinate UTM 33.317.981,26 m: 5.674.725,78 m
Koordinate Gauss/Krüger 4.527.709,84 m: 5.673.401,95 m
  • Villa aus westlicher Richtung

    Villa aus westlicher Richtung

    Fotograf/Urheber:
    Isabell Schmock-Wieczoreck
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  • Villa aus südwestlicher Richtung

    Villa aus südwestlicher Richtung

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    Isabell Schmock-Wieczoreck
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Der Fortuna-Park mit gleichnamiger Villa, einige hundert Meter südöstlich der zu dieser Zeit noch dörflichen Ortschaft Böhlen, war im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts ein beliebtes Ausflugsziel erholungssuchender Tagesgäste, insbesondere aus Leipzig. Das gut zwanzig Jahre vor der massiven Transformation Böhlens und seiner umgebenden Landschaft durch die Braunkohlenindustrie errichtete Gebäude bildete das Zentrum einer etwa elf Hektar umfassenden Park- bzw. Garten- und Erholungslandschaft, die 1937 durch die Braunkohlen Benzin AG erworben wurde. Zwischen dem leicht mäandrierenden Verlauf der Pleiße und der von Böhlen nach Gaulis in Nord-Südrichtung verlaufenden Straße erstreckte sich über eine Länge von etwa 400 Metern der kunstvoll arrangierte Fortuna-Park mit ausgewählten Gehölzen, einem Teich und diversen Gebäuden: In den Park gelangte man über ein aufwändig gestaltetes Eingangsbauwerk mit schmiedeeisernem Tor. Neben einem Palmenhaus im Norden des Geländes existierten ein als Aussichtsturm genutzter Wasserturm, ein Bootshaus sowie ein chinesischer Pavillon. Ein baumbestandenes Areal westlich der Gauliser Straße war durch die umgrenzende Wegführung ebenfalls in den weiteren Gestaltungsbereich einbezogen. Von der ursprünglichen Parkgestaltung ist nichts mehr erhalten, der nördliche Geländeteil mit einem Schulneubau besetzt. Einzig die stark überformten baulichen Überreste des Lokals im Zentrum der ehemals gestalteten Parklandschaft zeugen von der Vergangenheit des Areals. Insbesondere der halb oberirdisch gelegene, massive Unterbau aus Bruchsteinen stammt aus der Erbauungszeit. Das in breiten Pfeilern endende Kellergeschoss bildete die bauliche Basis für die oberen Geschosse und wurde in Auftrag des Leipziger Kaufmanns und Stadtrates Ludwig Heinrich Dodel (1854-1902) errichtet, der dieses und umliegende Grundstücke in Böhlen bzw. Gaulis erworben hatte. Mit der Fortuna-Villa, die der Hauptgewinn der Lotterie der Sächsisch-Thüringischen Industrieausstellung 1897 in Leipzig war, wurde der massive Unterbau um zwei Voll- und ein Dachgeschoss ergänzt. Zeitgenössische Ansichtskarten zeigen den üppig-verspielten Stil des Gebäudes, das maßgeblich durch einen achteckigen Eckturm mit Glockendach und Zwerchhäusern sowie einer zentralen Loggia im zweiten Geschoss gekennzeichnet war. Dodel hatte das Gebäude seinem eigentlichen Gewinner abgekauft und hier installieren lassen. In diesem Kontext ließ er das Gelände gärtnerisch aufwändig gestalten wohl um für ein zukünftiges Villenviertel für wohlhabende Städter am Standort zu werben. Kurze Zeit nach seinem Ableben 1902 veräußerte seine Familie das Anwesen jedoch und es wurde vonr verschiedenen Besitzern weiterhin als Ausflugsrestauration betrieben. Daran erinnert der zentrale Zugang zur breiten Terrasse auf Ebene des ersten Geschosses oberhalb des Unterbaus. Auch das den Treppenaufgang bekrönende Gebälk sowie die auf den massiven Pfeilern des Kellergeschosses fußenden Holzstützen und das oberhalb des Erdgeschosses umlaufende Terrassendach sind entsprechend der Ursprungsform erhalten. Die zur Straßenseite hin sichtbaren abgeschrägten Gebäudeecken weisen darauf hin, dass der bestehende Baukörper noch den Umrissen des Originalgebäudes folgt. Die oberhalb des Terrassendachs befindliche Loggia wurde jedoch verschlossen und das Dachgeschoss entfernt beziehungsweise durch ein flaches Satteldach ersetzt. Luftaufnahmen der 1950er Jahre deuten darauf hin, dass der Dachaufbau zu diesem Zeitpunkt bereits abgebrochen war. Eventuell geschah dies im Kontext der Übernahme des Geländes durch die BRABAG, die hier einen Freizeitpark für ihre Angestellten einrichtete und zu diesem Zweck umgestaltete. Spätestens nach 1945 verschwanden die dem Flanieren dienende Wegeführung und die pflanzliche Inszenierung des Parks, der weitflächigen Sportanlagen weichen musste. Darüber hinaus ist ein Pavillon wenige Meter von der südöstlichen Gebäudeecke des Hauptbaus erhalten. Der eingeschossige Bau auf quadratischem Grundriss ist mit einem flachen Pyramidendach geschlossen. Die massiven Eckpfeiler sind, wie Teile des Unterbaus, in rötlichem Bruchstein ausgeführt. Die Seitenwände sind mit Mauerziegeln zum Teil verschlossen.
Die baulichen Überreste der Fortuna-Villa, stellvertretend für den um sie herum angelegten Park, sind nicht nur Zeugen der Bedeutung Böhlens als landschaftlich reizvollem Ausflugsziel, bevor die Gewinnung und Verarbeitung der Braunkohle das Gesicht der Landschaft unwiederbringlich und gründlich veränderte. Sie verweisen auch auf die Phase des massiven Ausbaus Böhlens als Industriedorf, dessen Einwohner mehrheitlich im Braunkohlenwerk arbeiteten und für die Möglichkeiten der Freizeitgestaltung geschaffen wurden.

(Isabell Schmock-Wieczorek, Landesamt für Denkmalpflege Sachsen, 2022)

Datierung:
  • Erbauung 1901

Quellen/Literaturangaben:
  • Lager Gaulis; In: Gedenkstätte für Zwangsarbeit Leipzig. URL: https://www.zwangsarbeit-in-leipzig.de/karte (14.12.2022).
  • Kaufmann, Gregor/Nabert, Thomas: Böhlen. Mit Grossdeuben, Gaulis und verlorenene Orten auf alten Ansichtskarten; Leipzig 2022, S. 28-37.
  • Borna/ Section Borna aus: Topographische Karte (Meßtischlätter) Sachsen; 1924. URL: https://www.deutschefotothek.de/documents/obj/70302465.
  • Landesamt für Archäologie Sachsen: Luftbilder 1950er Jahre; 2021.

Bauherr / Auftraggeber:
  • Bauherr: Dodel, Friedrich Wilhelm (GND: 1106335937)
  • Eigentümer: Braunkohle-Benzin-Aktiengesellschaft (BRABAG) (GND: 4762087-0)

BKM-Nummer: 30500174

Fortuna-Villa

Schlagwörter
Ort
Böhlen
Fachsicht(en)
Denkmalpflege
Erfassungsmaßstab
Keine Angabe
Erfassungsmethode
Übernahme aus externer Fachdatenbank

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„Fortuna-Villa”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/BKM-30500174 (Abgerufen: 23. März 2025)
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