Herzstück des in Stahlbetonbauweise errichteten Maschinenhauses ist die im zweiten Obergeschoss gelegene Halle für die beiden Turbosätze von ABB Kraftwerke AG Mannheim, die zur Inbetriebnahme die weltweit leistungsstärkste Doppelblockanlage in fossil gefeuerten Kraftwerken darstellte. Ein Farbkonzept unterscheidet die mit einer Kranbahn ausgestattet Turbinenhalle in den grün gestalteten westlichen Teil R und den blau markierten östlichen Bereich S. Die Hallenebene erstreckt sich in ganzer Breite mit etwas geringerer Bauhöhe in den Zwischenbau mit den Speisewasserturbinen. Über den 30-MW-Speisepumpenantriebsturbinen befinden sich Kondensatsammelbehälter, Speisewasserbehälter und Dampferzeuger-Anfahrentspanner für die nördlich anschließenden Dampfkessel R und S. In der obersten Ebene des Zwischenbaus verteilen Kohlebandförderer die über die Kohlebandbrücke angelieferte Rohbraunkohle zu den Kohlemühlen in den Kesselhäusern.
Die über heißen Dampfdruck angetriebenen Turbogruppen stehen wegen der hohen Drehzahl auf eigenen Betonfundamenten. Jeder Turbosatz besteht aus fünf Teilturbinen: dem einflutigen Hochdruckventil, dem zweiflutigen Mitteldruckventil und den drei zweiflutigen Niederdruckventilen. Starre Kupplungen verbinden die fünf Turbinenläufer miteinander wie auch den Induktor des Generators mit der Turbinenwelle. Die Turbosatzwelle ist insgesamt 51,7 Meter lang. Die Kondensationsturbine erreicht eine Nenndrehzahl von 3.000 Umdrehungen pro Minute und der Generator eine Wirkleistung von 933 MW. Zur Kühlung der Läuferwicklung dient Wasserstoff, während die Kühlung der Ständerwicklung über Reinstwasser (Deionat) erfolgt. Die vom Generator erzeugte elektrische Energie wird über zwei parallel geschaltete, südlich außerhalb des Maschinenhauses aufgestellte Transformatoren in die 400-kV-Hochspannungsebene transformiert.
Für die im Vergleich mit älteren Turbinen gesteigerte Leistung ist der Hochtemperaturdampfprozess und die damit verbundene Verwendung von 10%igem Chromstahlguss sowie eine optimierte Turbinenbeschaufelung verantwortlich. Daraus ergibt sich die technische Bedeutung für diesen Kraftwerksanlagenteil.
(Nils Schinker, Landesamt für Denkmalpflege Sachsen, 2022)
Datierung:
- Erbauung 1995–2000 (Maschinenhaus S)
Quellen/Literaturangaben:
- Christliches Umweltseminar Rötha e. V./Kulturbüro Espenhain (Hgg.): Braunkohle-Energie-Chemie. 80 Jahre Industrieentwicklung am Standort Böhlen-Lippendorf; Südraum Journal 15. Leipzig 2004, S. 87.
- Wagenbreth, Otfried: Die Braunkohlenindustrie in Mitteldeutschland. Geologie, Geschichte, Sachzeugen; Beucha/Markkleeberg 2011, S. 135-141.
- Berkner, Andreas/Pro Leipzig e. V. (Hgg.): Auf der Straße der Braunkohle. Exkursionsführer; 3. Aufl., Leipzig 2016, S. 210-214.
- Energie & Management stellt vor: Braunkohlenkraftwerk Lippendorf; In: E&M (1996), S. I-VIII.
Bauherr / Auftraggeber:
- Bauherr: Badenwerk AG, Karlsruhe; Bayernwerk AG, München; Energie-Versorgung Schwaben, Stuttgart
- Eigentümer: EnBW
- Ausführung: ABB Kraftwerke AG Mannheim und Berlin
- Entwurf: Angerer, Fred; Feuser, Gerhard (Architekt, GND: 104597704)
BKM-Nummer: 30100143