Historie Am Standort der Fabrik befand sich bis in das 19. Jahrhundert der Hof Niedergaul, dessen Lage nach einer Karte des Amtes Steinbach von 1715 gegenüber dem heutigen Landhaus Tönnes und östlich des heutigen Fabrikteichs bestimmt werden kann. 1831 ist dieser Hof noch vorhanden (Battenfeld 2003, S 6f.). Christian Heinrich Wülffing errichtete im Zeitraum 1785 bis 1800 einen Eisenreckhammer am Gaulbach, der sich vermutlich auf dem Standort des heute denkmalgeschützten Fabrikbaus befunden hat. Der nördliche der Pasbacher Teiche trägt auf alten Karten die Bezeichnung Pasbacher Hammerteich und wurde sehr wahrscheinlich zusammen mit diesem Hammerwerk angelegt. Neben dem Eisenhammer soll sich laut Literatur auch eine Ölmühle befunden haben, genauere Informationen hierzu liegen nicht vor. Standortbildend war die Lagegunst am Zusammenfluss zweier Bäche, so dass die Wasserkraftnutzung, Brauchwasserversorgung und Abwasserentsorgung gewährleistet waren. Eine von zwei Spinnereien (Eigentümer waren ein Herr De Berghes und Franz Wülfing), die in Niedergaul bis 1816 errichtet wurden, musste dem Eisenreckhammer weichen. Die andere Spinnerei existierte in benachbarter Lage zum Hammer fort und hat dessen Standort mit der Zeit in das Betriebsgelände integriert. Wann der Hammer aufgegeben wurde, ist nicht zweifelsfrei dokumentiert. Niedergaul zählt damit zu einem der ältesten Standorte von Textilfabriken in Wipperfürth.
1824 übernahm die aus Lennep stammende Witwe Bornefeld den Spinnereibetrieb und ließ hier 1829 die erste Dampfmaschine Wipperfürths aufstellen. Mitte des 19. Jahrhunderts erwarb sie auch die fünf markanten Teiche, die sich südlich an den Fabrikteich der Spinnerei, der bis heute seine ursprüngliche Form behalten hat, anschlossen. Erstmals sind diese Teiche auf der Preußischen Uraufnahme von 1840-1844 eingetragen. Bis heute sind sie in ihrer ursprünglichen Form und Größe am historischen Standort erhalten. Sie dienten zwischenzeitlich als Gondelsee und Badeanstalt (1920er Jahre bis 1971), seit 1978 nutzt sie der „Sportfischer-Verein Wipperfürth 1970“.
Nach mehreren Wechseln kam die Spinnerei 1917 in den Besitz der Firma Vorwerk & Co., Barmen, die bereits seit 1907 an dem damals noch Wilhelm Kopp & Sohn genannten Werk beteiligt war. Zu dieser Beteiligung kam es, weil am Hauptstandort der Firma Vorwerk in Barmen durch einen Brand die Versorgung mit qualitativen Garnen nicht mehr gewährleistet war. Um auch zukünftig die Garnversorgung zu gewährleisten, wurde die Gründung einer eigenen Garnspinnerei beschlossen. Auf die Fabrik in Niedergaul als möglichen Standort wurde man aufmerksam, da sie im Ruf stand, gute Qualitätsgarne zu produzieren. August Mittelsten Scheid (Inhaber der Firma Vorwerk) beteiligte sich deshalb 1907 an der Fabrik von Kopp & Sohn, damit diese zunächst expandieren und modernisieren konnte. Nur so ließen sich die von Vorwerk gewünschten Garnmengen produzieren. Zur Sicherung weiterer Entwicklungspotenziale erwarb August Mittelsten Scheid 1911 das gegenüber der Fabrik gelegene Gutshaus und das Wohnhaus Niedergaul (Hof Spiritus) und verpachtete diese. Die Firma Kopp & Co. wurde 1917 gelöscht und als Betriebsteil in die Firma Vorwerk & Co., Barmen, integriert. Die Firma bot im Jahr 1960 140 überwiegend ortsansässigen Menschen Arbeit (Battenfeld 2003, S. 6f.). Die Garnproduktion wurde im Sommer 1981 eingestellt.
Heutiger Zustand Seit 1986 produziert die Firma Jokey Plastik am historischen Standort unterschiedlichste Kunststoffverpackungen. Die Betriebsgebäude der Spinnerei wurden im Laufe der Zeit mehrmals umgebaut. Noch erhalten ist der zwischen 1912 und 1915 im „Bergischen Heimatstil“ errichtete Wollspeicher (Architekt: Rudolf Schnell), der sich in seiner Form dem Halbkreis des Fabrikteichs anpasst. Er ist mit der Traufseite zum Teich ausgerichtet. Markant sind der schiefergedeckte gebrochene Giebel sowie die komplett schieferverkleideten und zur Straßenseite orientierten Giebelseiten des Speichers. Als besondere Funktion dient das Gebäude gleichzeitig als Staumauer für den Wasserteich. Das 1910 benachbart errichtete Meisterwohnhaus ist ebenfalls erhalten. Hierbei handelt es sich um ein spitzgiebeliges Haus mit Dachgauben und schieferverkleidetem Giebel. Das Verwaltungsgebäude stammt aus dem 19. Jahrhundert. Ebenfalls erhalten ist ein Mitte des 19. Jahrhunderts errichtetes Arbeiterwohnhaus, die „Obere Burg“.
Kulturhistorische Bedeutung Das Ensemble aus Betriebs-, Verwaltungs- und Wohngebäuden sowie Stauteichen ist durch die zentrale Ortslage und durch die erhaltende ursprüngliche Architektur weiterhin ortsbildprägend und in hohem Maße zeugnishaft für die gewerblich-industrielle Geschichte Niedergauls.
Hinweis Das Objekt „Fabrikstandort in Niedergaul“ ist wertgebendes Merkmal des historischen Kulturlandschaftsbereiches Niedergaul (Kulturlandschaftsbereich Regionalplan Köln 387).
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