Landesbedeutsamer Kulturlandschaftsbereich Lippe - Anreppen - Boker Heide (KLB 7.02)

Schlagwörter:
Fachsicht(en): Kulturlandschaftspflege, Archäologie, Denkmalpflege, Raumplanung
Gemeinde(n): Delbrück, Lippetal, Lippstadt, Paderborn, Rietberg, Salzkotten, Wadersloh
Kreis(e): Gütersloh, Paderborn, Soest, Warendorf
Bundesland: Nordrhein-Westfalen
Koordinate WGS84 51° 42′ 48,68″ N: 8° 26′ 8,82″ O 51,71352°N: 8,43578°O
Koordinate UTM 32.461.019,59 m: 5.729.326,62 m
Koordinate Gauss/Krüger 3.461.077,70 m: 5.731.178,55 m
Der Raum Lippe - Anreppen - Boker Heide ist hier beschrieben als landesbedeutsamer Kulturlandschaftsbereich (KLB) wie im Fachbeitrag Kulturlandschaft zum Landesentwicklungsplan Nordrhein-Westfalen.

Der Kulturlandschaftsbereich, der sich entlang der Lippe bis in die Kulturlandschaften „Hellwegbörden“ und „Kernmünsterland“ erstreckt, lässt in großer zeitlicher Tiefe charakteristische Elemente menschlicher Siedlungs- und Bautätigkeit sowie die sich wandelnde Bedeutung des Flusses erkennen.

Das Römerlager von Anreppen, das im Winter 4/5 n. Chr. vom künftigen Kaiser Tiberius angelegt wurde und nur bis zum Jahre 9 bestand, ist von internationaler Bedeutung. Da es später nie überbaut wurde, gibt das Lager Anreppen die einzigartige Möglichkeit, militärische Einrichtungen und logistische Zeugnisse der Eroberungs- und Eingliederungspolitik der Römer in einem genau datierten Zeitfenster von fünf Jahren zu untersuchen und als Maßstab bei der Erforschung anderer Stützpunkte zu verwenden. Das 23 Hektar große Lager steht als Bodendenkmal unter Denkmalschutz, soll als Archäologisches Reservat aus der intensiven Landwirtschaft herausgenommen und als archäologischer Park dem sanften Kulturtourismus eröffnet werden. Das Römerlager von Anreppen sollte mit zwei benachbarten Bodendenkmälern vernetzt werden, der frühmittelalterlichen Hünenburg bei Boke und dem Burg- und Schlossplatz Ringboke mit obertägig noch sichtbaren Resten seiner frühneuzeitlichen Befestigung. Wie in Anreppen einzelne Elemente des Lagers etwa durch Bepflanzung oder ähnliches sichtbar gemacht werden sollen, können in Ringboke Strukturen wie Wassergräben und Grundmauer freigelegt und im Gelände präsentiert werden. Die enge räumliche Nachbarschaft dieser drei Objekte (Abstand von insgesamt 2 km) und ihre Visualisierungsmöglichkeiten verleihen diesem Kulturlandschaftsbereich ein hohes kulturtouristisches Potential und einen hohen Identifikationswert.

Westlich von Lippstadt liegt bis Herzfeld eine bedeutende archäologische Fundlandschaft beiderseits der Lippe, östlich davon die mittelalterliche Burg Lipperode. Zwischen dem Grundmoränenzug des Delbrücker Rückens und den Binnendünen entlang des Nordufers der Lippe erstreckt sich südwestlich von Delbrück die Boker Heide. Durch den Bau des Boker Kanals wurde die auf den nährstoffarmen Sand- und Podsolböden der Boker Heide viele Jahrhunderte lang praktizierte extensive Hudenutzung durch eine intensivere Grünlandnutzung (Bewässerungswiesen) abgelöst. Auf engstem Raum finden sich hier vier Streusiedlungsformen: Drubbelsiedlung mit Langstreifenflur in Untereichen, Einzelhöfe mit Blockfluren im Bereich Hagen, Hagenhufensiedlung am Südrand des Delbrücker Rückens im Bereich Riege und Köttersiedlungen im Bereich der ehemaligen Gemeinheit. In diesem von bäuerlichen Streusiedlungen geprägten Raum kommen mit dem Kirchdorf Kirchboke und der Kleinstadt Delbrück auch geschlossene Siedlungsformen vor.

Das 1850-1853 geschaffene Kanalsystem mit seinem System der Rückhalteschütze, der Ableite- und Rückleitekanäle über die für die Rieseltechnik gewölbt angelegten, grabenumsäumten Wiesen ist ein für Westfalen-Lippe zentrales Beispiel der Veränderung einer Kulturlandschaft durch Meliorationsmaßnahmen des preußischen Staates bzw. einer halbstaatlichen „Sozietät“. Der Boker-Heide-Kanal wird bei Paderborn unmittelbar nach der Mündung von Alme und Pader aus der Lippe abgeleitet und bei Cappel unterhalb Lippstadt nach einem Lauf von 32 km durch die karge Senne und Boker Heide wieder der Lippe zugeführt. Dadurch wurde – nach weitaus älteren Plänen – die Einrichtung einer geregelten Wiesenwirtschaft möglich, die u.a. zur Futterbeschaffung für die Militärpferde im Truppenübungsgebiet Senne und die angeschlossenen Remontengestüte besonders nützlich wurde. Damit verbunden war die Schaffung bescheidener Siedlerstellen in Streulage als Ersatz für die erdhöhlenähnlichen Behausungen der beinahe verelendeten Heidebewohner. Bis Mitte der 1970er Jahre war die Anlage als Bewässerungs- und Meliorationskanal mit 16 Hauptschleusen, Nebenkanälen, Be- und Entwässerungsgräben auf einem Gebiet von bis zu 3 km Breite in Betrieb. Die halbjährigen Wässerungsphasen sind jetzt zugunsten einer ständigen Wasserführung aufgegeben. Die Geschichte der Lippe soll ablesbar bleiben.

Konstituierende Merkmale aus dem Bestand an Bodendenkmälern:
Römerlager Anreppen, Hünenburg bei Boke, Burg- und Schloßplatz Ringboke.

Konstituierende Merkmale aus dem Bestand an Baudenkmälern:
Historischer Stadtkern Lippstadt (mit Plangrundriss aus dem späten 12. Jahrhundert, Sakralbauten seit dem 13. Jahrhundert und bürgerlicher Bebauung überwiegend seit dem 17. Jahrhundert sowie bedeutenden Wasserbauwerken), bäuerliche Streu- und Dorfsiedlung (Heringhausen, Herzfeld) über hochwasserfreien Terrassen, Wasserschlösser der Lipperenaissance (Hovestadt, Overhagen), Kloster Benninghausen, Wasserbaue an der Lippe (von den Schleusen und Schleusenwärterhäusern der 1820er Jahre bis zum ökologischen Rückbau seit 1990).

Aus: Landschaftsverband Westfalen-Lippe und Landschaftsverband Rheinland (Hrsg.): Kulturlandschaftlicher Fachbeitrag zur Landesplanung in Nordrhein-Westfalen. Münster, Köln. 2007

Internet
Kulturlandschaften in NRW (Abgerufen: 03.04.2018)

Literatur

Landschaftsverband Westfalen-Lippe; Landschaftsverband Rheinland (Hrsg.) (2007)
Erhaltende Kulturlandschaftsentwicklung in Nordrhein-Westfalen. Grundlagen und Empfehlungen für die Landesplanung (Kulturlandschaftlicher Fachbeitrag zur Landesplanung in Nordrhein-Westfalen. Fachgutachten zum Kulturellen Erbe in der Landesplanung. S. 73, Münster u. Köln.

Landesbedeutsamer Kulturlandschaftsbereich Lippe - Anreppen - Boker Heide (KLB 7.02)

Schlagwörter
Fachsicht(en)
Kulturlandschaftspflege, Archäologie, Denkmalpflege, Raumplanung
Erfassungsmaßstab
i.d.R. 1:25.000 (kleiner als 1:20.000)
Erfassungsmethode
Literaturauswertung
Historischer Zeitraum
Beginn 2001

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„Landesbedeutsamer Kulturlandschaftsbereich Lippe - Anreppen - Boker Heide (KLB 7.02)”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/A-EK-20080730-0006 (Abgerufen: 25. April 2024)
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