Voraussetzung für die Schifffahrt auf dem Rhein stromaufwärts war bis zum Aufkommen der Dampfschifffahrt ein schon zur Römerzeit vorhandener Weg entlang des Wassers, der Treidelweg oder Leinpfad. Viele dieser Pfade lassen sich heute noch an verschiedenen Stellen finden.
Was genau ist Treideln? Schiffe können sich von der Strömung treiben lassen, unterstützt von einem Segel sowie Heck- und Bugsteuer. Aber solche, die den Fluss aufwärts fahren wollen, waren vor der Dampf- und Motorschifffahrt auf das Treideln angewiesen. Treideln leitet sich von dem spätlateinischen tragulare ab und bedeutet ziehen oder schleppen. Beim Treideln wurden Wasserfahrzeuge vom Land aus von Menschen oder Zugtieren gegen die Strömung bergauf gezogen. Ein Fuhrmann, der mit Hilfe seines Pferdes Schiffe flussaufwärts schleppt, wurde als Treidler bezeichnet, im Rheinland auch Halfer oder Halfterer genannt. Das Treideln geschah mit einem langen Tau, das bei größeren Schiffen oben am Mast befestigt war. Ein zweites kurzes Seil lief von der Schleppleine zum Schiffsbug, um diesen in Fahrtrichtung zu bringen und das Steuern zu erleichtern. Durch die Mastbefestigung wurde verhindert, dass die Leine nicht bis ins Wasser durchhängt oder sich im Ufergestrüpp verfing.
Das Treideln von großen, tiefliegenden Schiffen Bei großen Schiffen, die wegen ihres Tiefgangs mehr in Strommitte fahren und daher an einem sehr langen Seil hängen mussten, war es erforderlich, dass ein kleiner Kahn (Buchtnachen) etwa in der Mitte zwischen den Zugtieren und dem Schiff gleichsam als Seilstütze mitgezogen wurde. Von dem meist mit zwei Schiffsknechten (Leinenschnäpper genannt) bemannten Nachen aus konnte das Zugtau ständig über Wasser gehalten oder bei Bedarf über Hindernisse hinweggehoben werden. Sogar Anker konnten von dieser Position aus gesetzt werden.
Die Zugtiere Mehrere Pferde waren in einem besonderen Geschirr an die Treidelleine angespannt. Um z.B. ein auf der rechten Rheinseite fahrendes Schiff auf Parallelkurs zum Ufer zu halten, musste der Schiffer oder Steuermann ständig leicht nach rechts gegensteuern, da die Zugtiere auf dem Leinpfad das Seil nach links zogen und etwas schräg vom Wasser abgerückt liefen. Auf der linken Rheinseite war es umgekehrt. Dass Pferde wegen des schiefen Ganges zu anderer Arbeit nicht mehr tauglich gewesen seien, wie oft beschrieben steht, scheint eine Legende zu sein. Die Kauber Halfer arbeiteten als selbstständige Fuhrunternehmer, besaßen gewöhnlich nur ein Pferd und leisteten außer dem Schiffsziehen auch weitere Transportdienste. Die größeren Schiffe, die von Köln nach Mainz getreidelt wurden, verfügten meistens über eine eigene oder gemietete Treidelmannschaft mit entsprechender Anzahl von Pferden. Bei der Talfahrt wurden die Tiere auf Pontons, die hinten am Schiff hingen, mitgeführt und später wieder zum Ausgangsort zurückgebracht.
Gefahren beim Treideln Das Treideln war für Pferde und Halfer eine harte und gefährliche Arbeit. Bei aufgeweichtem Treidelweg, was oft nach Hochwasser der Fall war, rutschten die Pferde immer wieder aus und drohten in den Fluss gerissen zu werden. Auch konnte das Schiff bei starker Strömung oder durch Fehler des Steuermanns plötzlich seitlich ausscheren (aus dem Ruder laufen). Die Pferdekraft reichte dann nicht aus, um das Schiff zu stoppen und den Kurs aufrecht zu halten. Deshalb ritt der Halfer oder Pferdeknecht im Seitensitz, um bei Gefahr sofort vom Pferd springen zu können. Zur Rettung der Tiere kappte er dann das Schlepptau mit einem Messer oder Beil.
Wie viele Zugtiere wurden benötigt? Für ein Schiff mit einer Ladung von ungefähr 2.000 Zentner (100 t) wurden auf dem Mittelrhein, wo der Zug des Stromes stärker ist als auf dem Ober- oder Unterrhein, bei mittlerem Wasserstand 10 Pferde gebraucht, bei kleinem Wasser aber 12. Im Falle, dass bei allzu seichtem Wasser die Ladung auf Leichterschiffe verteilt werden mussten, waren oft sogar 14 bis 16 Pferde nötig. Bei Bergfahrten von Köln nach Mainz bedurfte man bei hohem, sehr günstigem Wasser aber 78 bis 80 Stunden. Das bedeutet, ein beladenes Schiff benötigte zur Bewältigung dieser Strecke bei günstigem Wasserstand sechs bis sechseinhalb Tage, bei sehr niedrigem Wasserstand acht bis neun Tage. Im Vergleich: Wasser-Diligencen (Postschiffe, die auch Fahrgäste beförderten) brauchten für die Strecke Köln-Mainz zu Berg drei bis dreieinhalb, zu Tal nur zwei Tage.
Verlauf der Treidelstrecke Von Köln bis zur Pfalzgrafenstein bei Kaub ging der Leinpfad größtenteils auf dem linken Ufer fort. Vor der Pfalz mussten aber die größeren Schiffe auf das rechte Ufer überschlagen, wo der Leinpfad bei mittlerem und hohem Wasserstand über Lorchhausen, Lorch und Assmannshausen bis unterhalb Rüdesheim in einer Strecke von drei-dreiviertel Stunden fortzog. Bei kleinem, also niedrigem Wasser, wurde schon zu Heimbach wieder auf das linke Ufer übergesetzt, von welchem der Weg über Trechtingshausen bis zum Possbacher Grund führt, wo nach Assmannshausen auf das rechte Ufer übergesetzt wurde, um von da durch das Binger Loch aufwärtszufahren. Wegen der Beschaffenheit der Gegend und des Stroms traten von Speyer an bis Straßburg Menschen an die Stelle der Pferde. 60 bis 90 Menschen mussten dann diejenige Arbeit verrichten, die vorher von acht bis 12 Pferden getätigt wurde.
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Empfohlene Zitierweise
Kurt Dehe (2021), „Treidelschifffahrt auf dem Rhein zwischen Köln und Mainz”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/SWB-354099 (Abgerufen: 10. Dezember 2024)
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